Lieber Arne Sorenson,

Sie als CEO von Marriott müssten ja eigentlich langsam den Überblick verlieren über ihre vielen Hotelmarken. Rund 30 sind es jetzt schon, nachdem Sie kürzlich für 13 Milliarden US-Dollar auch noch Starwood übernommen haben, ja ebenfalls ein großes Unternehmen. Dort hat sich die Marke ­Sheraton in den vergangenen zwei Jahren mächtig gemausert, viele besonders schöne Häuser firmieren jetzt als Sheraton Grand und bieten gelungene Kombinationen aus Spitzenlage und hohem Serviceniveau.

Neulich hatte ich die Gelegenheit, mir das Sheraton Grand in London anzusehen, früher
bekannt als Sheraton Park Lane. Und ich muss sagen, dass ich wirklich beeindruckt bin. Es ist den Verantwortlichen nämlich geglückt, durch die mehrere Millionen Pfund teure Renovierung im gesamten Haus jenen Charme wieder zurückzubringen, den das bald 90 Jahre alte Gebäude wohl schon in den 20er- und 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts versprühte. Gelungen finde ich dabei auch die 303 Zimmer und Suiten, die vom Stil her nun mit der Grandezza der öffent­lichen Bereiche harmonieren.

Egal ob man im Hotel wohnt oder nicht, es ist allein schon der Palm Court einen Besuch wert. Früher standen dort im hohen Entree tatsächlich mal jede Menge Palmen, ­heute ist es ein superber Ort, um im Art-déco-Ambiente einen Afternoon Tea oder abends einen Aperitif zu ­genießen. Der Barmann, ein Italiener wie so viele im Service, empfahl mir einen seiner Vintage-Cocktails, den Colonial Cooler, dessen Rezept 1934 im Sandakan Club in Malaysia entstand. Sehr lecker! Man braucht für gute Drinks also gar nicht rüber in die Smith-&-Whistle-Bar zu gehen.

Richtig Italienisch ging es dann weiter, beim Abendessen im Mer­cante, wo ich die Preise auch angesichts der Pfundschwäche recht zivil fand. Man kann das Restaurant vom Palm Court aus betreten oder auch direkt von der Straße. Mit seiner unprätentiösen, ein wenig an eine edle Trattoria erinnernden Einrichtung soll es jene Gäste anlocken, die zwar erstklassige Speisen mögen, aber ­keine weißen Tischdecken oder livrierten Kellner. Was David D’ignazio, der sein Handwerk in einigen der Topküchen Italiens lernte, auf den Tisch zaubert, fand ich nicht nur schmackhaft, sondern manchmal in der Zusammenstellung auch etwas überraschend. Die Ochsenzunge mit Parmesan und Pinienkernen habe ich so jedenfalls noch nie gegessen, und auch die gegrillte Makrele auf Fenchel war gut.

Freundlicherweise wurden mir sogar die etwas geheimeren Räumlichkeiten des Hauses gezeigt, die sonst eher geschlossenen Gesellschaften oder besonderen Anlässen vorbehalten sind: der Ball Room und die prächtige Silver Gallery. Ich kann verstehen, dass beide schon für Kino­filme als stilechte Kulisse genutzt wurden. Was mich aber am meisten überrascht hat, war die Info, dass der Ball Room im Zweiten Weltkrieg als Ersatzstandort für das britische Parlament hätte dienen sollen, falls die Houses of Parliament und das House of Lords zerstört worden wären. Der tief liegende Raum gilt nämlich als fast so sicher wie ein Bunker.

Zum Glück sind diese Zeiten lange vorbei. Schade nur, dass das enge Band zwischen Deutschen und Briten durch den Brexit wieder etwas lockerer werden dürfte. Ihrem Hotel wird das aber vermutlich eher nützen als schaden, schließlich kommen gerade jetzt viele vom Kontinent, um London noch einmal von seiner besten Seite zu erleben. Und dieses Haus gehört für mich jetzt wieder dazu.

So long, Ihr Georg J. Schulz