Wir, die überpünktlichen Deutschen und die Fahrpläne der Bahn, haben etwa so viel gemeinsam wie ein Elefant und ein Segelflugzeug. Das konnte man bereits im – kostenlos verteilten – Bahnmagazin „mobil“ nachlesen, das in einem Artikel mit der Überschrift „So tickt die Zeit“ die Empfehlung aussprach, Menschen „sollten Uhrzeiten und Zeitansagen am besten ignorieren oder vergessen“. Doch dies war natürlich nur der Startschuss zu einer cleveren PR-Kampagne für die Hauptreisezeit, jetzt im Sommer also, mit der die Bahn die Reisenden dazu ermuntern will, sich die kostbarsten Tage des Jahres durch die üblichen Verspätungen stimmungsmäßig ja nicht verhageln zu lassen. Schließlich sei es ja bloß die doofe Uhr, die mit ihrem unbarmherzigen Geticke für den schrecklichen Zeitdruck verantwortlich ist – und nicht etwa die naive Vorstellungen der Reisenden, ein Reiseziel, einen Anschlusszug oder -flug ohne Hetze und Sprints erreichen zu können. Wenn man den Zug überhaupt erwischt. Denn die eigentliche Nachricht lautet: Es ist im Grunde ziemlich egal, wann Sie mit Ihren Koffern auf dem Bahnsteig stehen. Denn Ihr Zug ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unpünktlich, was jedoch daran liegt, dass die Bahn schon seit Längerem ein eigenes Zeitfenster kreiert hat, das ihr eine ganz neue, revolutionäre Definition des Begriffs der „planmäßigen Abfahrt“ ermöglicht. Danach fahren all jene Züge, die sich mindestens um sechs Minuten, aber höchstens um 16 Minuten verspäten, immer noch nach Fahrplan. Nach dieser Definition fahren also etwa 80 Prozent aller Züge relativ pünktlich, gefühlt sind es 20 Prozent, real etwa 57,2 Prozent. Wenn Sie jetzt der Meinung sein sollten, prima, dann kann ich ja ruhig auch mal vier oder fünf Minuten zu spät zum Bahnsteig kommen, werden Sie es jedoch mit ziemlicher Sicherheit erleben, dass Ihr Zug bereits abgefahren ist. Kurzum: Verlassen Sie sich zukünftig lieber auf Ihre innere Uhr, wenn Sie mit der Bahn verreisen wollen.