Die Einsamkeit des Kungsleden ist schwer zu erreichen – aber belohnt den Wanderer mit atemberaubender Natur

Vor dem Paradies liegt die Mühsal. Mehr als 24 Stunden brachten wir in verschiedenen Zügen und Bussen zu, um den letzten Vorposten der Zivilisation zu erreichen, den Flecken Grövelsjön im wohl schönsten Teil Schwedens: Dort, wo die Provinz Dalarna ans Jämtland stößt, breitet sich eine Wildnis unweit der norwegischen Grenze aus.

In den Knochen steckte uns die lange Anreise, auf dem Rücken lasteten 20 Kilo Marschgepäck und vor unseren Augen breitete sich zunächst ein graues Nichts aus. Es regnete Hunde und Katzen, als wir in Grövelsjön ankamen. In der Hütte der Svenska Turistförening (STF) konnten wir ein letztes Mal einkaufen, tranken einige schwedische Kaffee mit Blick in den Himmel und verstauten Lebensmittel für eine Woche im Rucksack. Wer 1250 Kilometer reist, den darf Regen nicht schrecken.

Rasch verzogen sich die Wolken, und es begann die große Freiheit, die hier keine Hausnummer kennt. Wandern ist das menschlichste aller Tempi: Nichts rauscht vorbei, alles wird sicht-, spür-, fühlbar.

Der Königsweg (Kungsleden) ist eine große Komposition. Der südliche Teil des Klassikers steht zu Unrecht im Schatten des nördlichen Abschnitts. Als wir im Juli 1998 die 85 Kilometer nach Fjällnäs wanderten, trafen wir kaum eine Menschenseele. Mehr Wildnis lässt sich in Europa kaum finden – und doch weisen perfekte Markierungen den Weg und führen Stege durch die Sümpfe.

Nur sporadisch grüßt die Zivilisation – drei unbewirtschaftete Hütten bieten Schutz bei Unwettern. Aber wer braucht die schon? Schließlich gilt in Schweden das „Allemanrätt“, das Jedermannsrecht, sich frei in der Natur zu bewegen und für ein bis zwei Tage in der Wildnis zu zelten. Traumhafte Plätze bekamen wir am Königsweg, einige spektakuläre Ausblicke wie etwa vom Berg Tandsjövålen (874 Meter) – und Wildnis unbegrenzt. Mal zogen wir durch lichte Birkenwälder, dann wanderten wir oberhalb der Baumgrenze durchs Fjell, mal stiefelten wir durch eine mondartige Moränenlandschaft, dann staksten wir durch Sumpfland.

Der Höhepunkt war der Rogen, ein See, der sich wie gemalt unter dem nordischen Himmel ausbreitet. Wildtiere wie Bär, Königsadler oder Wolf bekamen wir nicht zu Gesicht, aber wähnten sie stets in der Nähe.

Und auch das gehört zur Wahrheit: Mücken flogen in schwarzen Schwärmen unsere wunden Schultern an. Die Blutsauger konnten uns dieses Paradies nicht verleiden. Im Garten Eden gab es schließlich auch Schlangen.