Als typischer Mittelmeerurlauber hätte ich nie gedacht, dass mich Eisberge begeistern würden. Wie sie, in blauem Licht changierend, im Südpolarmeer treiben und mit ihren von Wind und Wellen geprägten Formen absolute Unikate sind. Und wie sie geboren werden, was die Wissenschaftler „kalben“ nennen – ein dröhnender Gletscherabbruch, bei dem es nur eines gibt: möglichst schnell mit dem Zodiac das Weite suchen, um nicht von der Tsunamiwelle erfasst zu werden.

Zwei Reisen führten mich bislang in die Antarktis, und seitdem bin auch ich vom Polarvirus infiziert. Der Kontinent rund um den Südpol ist nicht nur eines der letzten großen Abenteuer, das man auf einer Kreuzfahrt erleben kann. Dazu gehören Stürme und katabatische Winde genauso wie jene seltene Erfahrung, dass die gefürchtete Drake-Passage ausnahmsweise der Überquerung eines Hamburger Ententeichs gleichkam.

Vor allem verstärkten die Polarreisen bei mir die „Ehrfurcht vor dem Leben“ (Albert Schweitzer). In einer Kolonie mit Hunderttausenden von Adelie- oder Königspinguinen zu stehen, sie beim Stibitzen von Steinen für den Nestbau zu beobachten oder an tonnenschweren, dösenden Seeelefanten vorbeizugehen – das sind Erfahrungen, die kein Mittelmeerurlaub bieten kann. Selbst Baden ist in der Antarktis möglich, auf der „Insel der Täuschung“ (Deception Island). Auf dem vulkanischen Eiland, das bei geschmolzenem Eis ein bisschen an Lanzarote erinnert, zischen heiße Dämpfe aus dem Meeresboden.

Ich war freilich nicht nur als Tourist unterwegs, sondern auch als Kreuzfahrtseelsorger auf der Hamburger „Hanseatic“. Für die Gäste gab es zum Beispiel eine Andacht in der 100 Jahre alten Walfängerkirche von Grytviken in Südgeorgien und ein stilles Gedenken an den Polarforscher Ernest Shack­leton (1874–1922) an seinem Grab unweit der Holzkirche. Shackletons Mut und der selbstlose Einsatz für seine Leute sind mir zum Vorbild geworden.