So, und jetzt schließen Sie mal Ihre Augen und erinnern sich, wie es damals war, am letzten Strandtag der Urlaubsreise. Als Sie plötzlich von einem furchtbaren Gedanken durchzuckt wurden: Um Gottes Willen – wir haben ja ganz vergessen, Postkarten an all die Lieben daheim zu schreiben!

Jetzt erinnern Sie sich, nicht wahr? An Ihren verzweifelten Sprint über den glühenden Asphalt der Uferpromenade zum nächstgelegenen Kiosk, um zwischen Gummikrokodilen und Wasserpistolen mehr oder minder scharfe Panoramafotos Ihres Urlaubsdomizils im DIN-A-5-Format von einem quietschenden Drehständer hinunterzuklauben. Der (Foto-)Himmel war selbstverständlich superblau, die Kräne der gerade im Bau befindlichen Hotelanlagen waren aufwendig wegretuschiert und das Adress­feld war immer zu klein. Und dann mussten Sie gleich noch einmal los, weil Sie blöderweise nicht an die Briefmarken gedacht hatten. Sowie an einen Kugelschreiber.

Apropos vergessen: Die Postleitzahl war im Prinzip entbehrlich, auch wenn es manchmal Monate dauern konnte, bis die Postkarte ankam. Aber wehe, der Opa mütterlicherseits, Tante Margot oder die Tennismannschaft wurden beim Verteilen der Urlaubsgrüße übersehen: An diesem unentschuldbaren Fauxpas konnten Verwandt-, Freund- und Sportkameradschaften zerbrechen.

Aber das alles ist Sand von gestern. Dank der sozialen Netzwerke dürfen die Zurückgebliebenen ja jetzt jeden Kofferverlust, jedes Frühstück, Mittag- und Abendessen, jede Kugel Eis, jede Kokospalme, jedes Glas kühlen Rosé bei Sonnenuntergang, jeden Sonnenbrand und jeden Reisedurchfall der Verreisten sozusagen in Echtzeit miterleben. Aber die entscheidende Frage lautet: Tut es wirklich not, einerseits die kostbarsten Wochen des Jahres im digitalen Dauerstress zu verleben, andererseits in der Heimat nachhaltiges Neidgefühl hervorzurufen – außer natürlich, es geht explizit um Montezumas Rache?