Eine Hochzeitsreise ans andere Ende der Welt, mit anderen Jahreszeiten und Verkehrsregeln: Lena und Alex haben sich gut, nein bestens vorbereitet auf Städtetrip, Strandurlaub und Bergausflug in Südafrika, dem Ziel ihrer Flitterwochen. Haben Reiseführer, Blogs und vor allem Sicherheitshinweise studiert und beschlossen, die glänzenden edlen Trauringe lieber daheim zu lassen. Sicher ist sicher, wenn Township, Tierpark und Tafelberg auf der Erkundungsliste stehen.

Bei ihrer Tour auf den Tafelberg lernen sie, dass es am gefährlichsten ist, ohne festes Schuhwerk und ausreichend Trinkwasser aufzubrechen. Im Tierpark treffen sie auf traumatisierte Nashörner ohne Horn und kapieren, dass manch Tierart weit bedrohter ist als jeder Tourist. Und weil mit jedem Tag das Sicherheitsgefühl wächst, stornieren sie die gebuchte Township-Tour und wenden sich an Juma. Ein Street-Art-Künstler, der seine Wandmalereien auf armseligen Wellblechhütten mit Führungen finanziert durch Khayelitsha, mit geschätzten zwei Millionen Einwohnern ein riesiges Township am Rande von Kapstadt.

Lena und Alex besuchen einen knallgelb bemalten Kindergarten, einen Imbiss namens „Village House“ aus bunten Bambusstäben, studieren eine Hymne auf Nelson Mandela zwischen verrosteten Blechbahnen und die Lebensfreude in vielen Kindergesichtern. Am Ende der Tour dürfen sie selbst Hand anlegen. Lena entscheidet sich für zwei ineinander verschlungene Eheringe im Schnabel einer Taube. Als Juma nachfragt, erzählt sie von traumhaft schönen Flitterwochen. Juma blickt auf ihre Hand am Entwurf, dann auf Alex: „Aber warum habt ihr denn gar keine Eheringe?“

Seien wir ehrlich, so reisen wir viel zu oft: Mit vielen To-see- und Better-not-to-do-Listen im Kopf, demselben „Lonely Planet“-Reiseführer im Gepäck und identischen Apps auf dem Smartphone. Und wundern uns dann, wenn wir nur die Traube von Besuchern davor, aber nicht die Mona Lisa sehen. Dabei ahnen wir insgeheim: Das ganz besondere Urlaubserlebnis, Begegnung und Ursprünglichkeit zugleich, das finden wir erst, wenn wir uns unterwegs mal richtig verlaufen.