Sarahi Pérez Hernándezist Krankenschwester, Privat-Restaurant-Besitzerin und Eigentümerin einer Casa Particular mitten in der Altstadt von Havanna auf Kuba

Sie sitzt im Salon ihres Hauses in Havanna, wippt lässig im Schaukelstuhl und spricht über die Ideale der Revolution. „Kuba ist im Wandel, aber unsere Solidarität wollen wir behalten“, sagt Sarahi Pérez Hernández überzeugt, während das schaukelnde Möbel auf dem traditionell gefliesten Fußboden dezent knirscht. Fidel Castro sei eine große Persönlichkeit. Aber er stehe für eine historische Epoche, die vorbei sei. „Fidel war gestern, Raúl ist heute“, sagt sie locker. Die Gegenwart heiße Marktwirtschaft.

Im Wohnzimmer deutet alles auf angenehme Lebensverhältnisse hin. Um den Fernseher gruppiert sich eine gepflegte Sitzgruppe aus der Kolonialzeit. An den Wänden hängen Gemälde, in einer Ecke steht ein mächtiger Bronzeleuchter. Aus den offenen Flügelfenstern dringt ein milder Luftzug vom nahen Meer hereinVor gut vier Jahren hat die 39-Jährige aus ihrem mehrstöckigen Haus eine Casa Particular gemacht. Die Lage zwischen Malecón und der Plaza de la Catedral ist für ein Privatquartier ideal – unweit der Unesco-geschützten Altstadt, die das goldene Zeitalter prachtvoll in Szene setzt und die wohl jeder Kuba-Tourist besucht, und der berühmten Uferstraße, die gegenwärtig das Flair des Aufschwungs verbreitet. Als die kubanische Regierung die Res­triktionen lockerte und das Vermieten von Privatquartieren an Touristen offiziell erlaubte, rückte die Familie zusammen und richtete drei kleine Zimmer für Gäste aus Europa her, auf Wunsch mit Frühstück.

Alles ist sauber, praktisch, zeitweiser Stromausfall inklusive. Durch amerikanische Touristen steigen die Zahl der Zimmer und die Preise

Der Tourismus bringt Wohlstand, sagt Sarahi nachdenklichnachdenklich, aber nur wenigen. Von ihrer neuen Beschäftigung kann die Familie gut leben, besser denn je zuvor. Vermieter müssen zwar eine monatliche Lizenz sowie hohe Steuern an den Staat abführen. Dennoch profitiere sie. Die dynamische Frau arbeitet mit mehreren Agenturen zusammen, hauptsächlich mit deutschen Reiseveranstaltern, und freut sich über die gute Belegung. „Wir haben gelernt, aus unseren Problemen herauszukommen“, sagt Sarahi.Auch dank der Deutschen, von deren Organisation und Disziplin sie fasziniert sei.

Anfangs waren die Casas Particulares einfach und mit Familienanschluss. Inzwischen gibt es Standards wie Türschlüssel, Klimaanlage und ein eigenes Bad mit Dusche/WC. Der Tourismus auf Kuba boomt und mit ihm die Branche der neuen Selbstständigen. „Die Konkurrenz wächst“, das stellt Sarahi auch in ihrem Viertel fest. An bald jeder vierten Tür signalisiert der blaue Anker ein Privatquartier. „Natürlich“, sagt sie. Wer sich in Kuba nicht nur von Reis und Bohnen ernähren will, sucht sich einen Broterwerb wie eine Casa Particular, für die der Peso Convertible das gängige Zahlmittel ist, kurz CUC, wie die kubanische Devisenwährung heißt.Gut 8.000 private Zimmervermieter werden heute in Kuba gezählt, die meisten in Havanna.

Und Amerika? Sarahi überlegt lange. Wenn rst das US-Embargo falle und amerikanische Touristen auf die Insel strömen, werde die Zahl der Fremdenzimmer steigen. Das befürchtet Sarahi, undAuch die Preise. Für eine Nacht nimmt Sarahi in der Hauptsaison 35 CUC, was dem Monatsgehalt vieler Kubaner entspricht, die in der nationalen Währung Peso Cubano (CUP) bezahlt werden. „Das Vermieten ist eine Dienstleistung, dasfordert dich rund um die Uhr“, gibt sie zu Bedenken. Aber es ­lohne sich. Sie investiert, hat das Haus gegenüber restauriert und das Privatrestaurant Kilombo eröffnet sowie zwei weitere Gästezimmer.

„Ein anderes System als den Sozialismus kenne ich nicht“, sagt Sarahi, die ihren Beruf als Krankenschwester der Onkologie nebenher nach wie vor ausübt. Sie hat nicht nur Ideale, sie lebt auch danach. Eine Gemeinschaft funktioniere nur, wenn alle ihren Beitrag leisten. Sie sieht, dass der Tourismus die Gesellschaft spaltet. „Das ist schmerzhaft.“ Doch Es dürstet die Kubaner nach einem besseren Leben wie vor fünfzig Jahren, Jahren nach Cuba libre,einem freien Kuba. Aber: „Unsere Identität wollen wir behalten“, sagt Sarahi mit ernster Miene. Ökonomischer Wandel ja – jedoch ohne Amerikanisierung. Und spricht aus, was die meisten Kubaner denken.„Ich habe von den Deutschen ­gelernt, was es bedeutet, gut zu leben“, gibt die gebürtige Habanera zu. „Wir brauchen euch“, schmunzelt Sarahi, „aber ihr braucht uns auch.“ Kuba ist ein tropisches Land mit viel Hitze im Herzen. Mit der Politik habe das nichts zu tun.„Ihr Deutschen seid zu individualistisch“, findet sie, es fehle an menschlicher Wärme, an der ­Magie des Lebens.„Darum braucht ihr Kuba“, sagt sie und strahlt.“ Nach einer Kuba-Reise merkt ihr, was euch Zuhause fehlt.“