Der Klassiker in Rom, der ewigen Stadt mit ihren ewigen Geheimnissen. Kaum fünf Minuten nach Ankunft auf dem Bahnhof Roma Termini verspüre ich ein leichtes Ziehen am Rücken. Blitzschnell drehe ich mich um und bekomme einen schmalen, braunen Arm zu fassen, an dem ein etwa zehnjähriger Junge hängt. Wir starren uns an, beide gleichermaßen entgeistert. Ich brülle, was er in meinem Rucksack zu suchen hat. „Niente!“ – nichts, ruft er und reißt die dunklen Augen noch weiter auf. Ich lasse ihn los, seltsamerweise läuft er nicht weg. Nicht sofort. Zeigt mir beide Hände, unaufgefordert. Dann krempelt er sogar noch die Hosentaschen um. Zutage tritt ein kitschig rosa Smartphone mit Glitzersteinen, wohl frisch entwendet von einer Touristin mit üblem Geschmack. Meine Empfehlung, seinen Job beim nächsten Mal besser zu machen, empfinde ich nicht wirklich als Triumph. Rucksack auf dem Rücken in Rom – was für ein peinlicher Anfängerfehler!

Nach wenigen Metern entdecke ich ein Schaufenster mit verlockenden Trosthandtaschen. Der Besitzer sagt: „Sie sehen aus, als ob Sie einen Kaffä brauchen, Signora!“ Das herrlich italienische Ä versöhnt mich wieder mit Roma eterna. Dann legt der elegante Signore wie nebenbei ein Modell in Senfgelb auf den Tisch. Aus Dankbarkeit für den Kaffä kaufe ich die Tasche, obwohl zu Hause bereits eine senfgelbe herumliegt. Ungenutzt. „Aber Signora“, sagt der Verkäufer, „nehmen Sie doch zwei, ich mache Ihnen einen Spezialpreis“.

Es muss der Schock gewesen sein, ich kaufe tatsächlich beide, die zweite in Türkis, mit (senf)-gelben Henkeln. Erst danach keimt der Verdacht auf, dass der kleine und der große Gauner unter einer Decke stecken. Dass sich der Kleine absichtlich erwischen lässt, damit der Große ziemlich leichtsinnigen Ladies ziemlich viele Taschen andrehen kann. Absurder Gedanke, es muss der Schock gewesen sein. Doch die Stadt wird wohl auch dieses Geheimnis auf ewig hüten.