Die kleine Karibikinsel bezaubert mit ihrem Strand,Puderzucker-Häusern im Kolonialstil und den entspannten Einwohnern.

Ralphi strahlt an diesem warmen Vormittag, an dem sich das Thermometer bereits wieder der 30-Grad-Marke nähert. Einerseits ist das sein Job, klar, schließlich fährt der 53-Jährige mit den sympathischen Lachfalten Touristen mit dem Jeep über die Karibikinsel. Andererseits ist Ralphi aber nicht in erster Linie ein Touristen­bespaßer, sondern ein wirklich glücklicher Mensch. Weil er hier lebt, auf Aruba, diesem wunderbaren Fleckchen Erde, nur knapp 25 Kilometer von der venezolanischen Küste entfernt und Teil der ABC-Inseln (Aruba, Bonaire, Curaçao). Hier wurde er geboren, hierher ist er nach dem Studium in Miami zurückgekehrt, hier arbeitet er seit Jahrzehnten in der Tourismusbranche und kann immer noch nicht genug von seiner Insel bekommen.

Stolz zeigt er den Natural Pool, eine Art natürliches Fels-Freibad, in dem sich das warme Meerwasser sammelt, euphorisch berichtet er vom Speerfischen an der rauen Nordost-Küste der Insel. Allerdings nicht für unerfahrene Touristen geeignet, nur für Einheimische. „Und für Verrückte“, wie Ralphi mit einem Grinsen hinzufügt, bevor er wieder in den Jeep steigt und unsere kleine Reisegruppe über staubige Buckelpisten zum nächsten Aussichtspunkt fährt.

Im Jahr 1636 besetzten holländische Truppen die Insel

Ralphi ist Arubaner durch und durch. Bis zum 18. Jahrhundert lässt sich seine Familienlinie auf Aruba zurückverfolgen, ein Großonkel hat im Zweiten Weltkrieg im niederländischen Untergrund gegen die Deutschen gekämpft und gilt als Volksheld, das Archäolo­gische Museum der Insel ist im ehemaligen Wohnhaus seines Großvaters untergebracht. Für immer weggehen, anderswo Karriere machen, das kam für ihn ebenso wenig infrage wie für seine Söhne, 25 und 22, die nur zum Studium in die USA gezogen sind und bald zurückerwartet werden. „Ich liebe meine Insel“, sagt Ralphi. Und tatsächlich: Was wäre hier nicht zu lieben? Schon die Sprache: „Masha danki mi dushi“ zum Beispiel, das klingt so schön, so liebevoll, dass man es immer wieder sagen möchte. Auch wenn „Vielen Dank, mein Liebling“ zugege­benermaßen nicht immer passt.

„One Happy Island“, eine glück­liche Insel, nennt sich Aruba selbst und macht dieser Beschreibung schon am kleinen Flughafen alle Ehre. Aus den Boxen tönen sanfte Reggaeklänge, die Security ist locker-entspannt, die Fahrt zum Hotel führt an endlosen weißen Stränden und alle paar Meter gepflanzten Palmen vorbei, deren Blätter sich in der kühlenden Meeresbrise wiegen. Sehr passend, dass eines der Inselbiere den Namen „Chill“ trägt. Wer hierher kommt, der kann, darf, ja soll in den Chill-Modus ver­fallen, alle Alltagslast fallen lassen und erst einmal abhängen. Am besten in einem der zahlreichen Resorts am Eagle Beach, unweit der Hauptstadt Oranjestad.

Deren Name weist auf die bis heute bestehenden Verbindungen zu den Niederlanden hin: 1636 besetzten holländische Truppen die Insel, die zuvor von den Spaniern entdeckt worden war, und blieben. Auch wenn viele Arubaner heute Papiamento sprechen – Holländisch ist Amtssprache, schon im Kindergarten und später in der Schule allgegenwärtig. Von Kolonialherrschaft ist indes wenig zu spüren.

Als Landesteil der Niederlande genießt Aruba vollkommene innere Autonomie, hat eine eigene Verfassung, Währung und Regierung. Die Beziehungen sind freundschaftlich, viele Niederländer kommen zum Urlaub, erfreuen sich an Sonne, Meer und einer extrem niedrigen Kriminalitätsrate, die dem vergleichsweise hohen Lebensstandard auf der Insel zu verdanken ist. Neben US- und Südamerikanern, die aufgrund der geografischen Nähe besonders häufig auf Aruba Urlaub machen, kommen inzwischen auch immer mehr Europäer.

In der Karibik keine Selbstverständlichkeit, hier aber ganz normal: Einheimische, die übrigens Wurzeln in etwa 90 verschiedenen Ländern haben, mischen sich fast überall mit Touristen. Wer etwa zur Mittagszeit ins Fischrestaurant „Zeerovers“ in Sa­vaneta kommt, sitzt mit lokalen Familien an einem der einfachen Holz­tische und ordert Riesengarnelen, Kochbananen oder selbst gemachte Pommes Frites als Fingerfood mit scharfer Papayasoße. Ein Essen direkt am Pier, absolut authentisch und weit entfernt von typischen Touristenabzocken, die sich auf Aruba aber ohnehin kaum ausmachen lassen.

Wer auf internationales Flair nicht verzichten mag, muss zum Palm Beach: Luxushotels, Casinos, pralles Nacht­leben – zum Beispiel feucht-fröhliche Strandpartys unterm Sternenhimmel mit eiskalten Cocktails und pumpenden House-Beats vom DJ-Pult. Für viele ist das der perfekte Abschluss eines Tages, der vielleicht am idyllischen Baby Beach – hier bringen Arubaner ihren Kindern im grünblau schimmernden Wasser das Schwimmen bei – begonnen hat. Im Hintergrund: die berühmten Divi Divi Bäume, Wahrzeichen Arubas, gebogen in ewigen Passatwinden, unvermeidliches Fotomotiv und wunderschön.

Glücklich auf Aruba: Ralphi, 53, fährt seit Jahren mit Touristen über seine Heimatinsel
Glücklich auf Aruba: Ralphi, 53, fährt seit Jahren mit Touristen über seine Heimatinsel © Holger True

So schön wie die Flamingos auf der Privatinsel Renaissance Island, die für 100 Dollar Tagesgebühr per Boot-Shuttle vom Renaissance Resort in Oranjestad aus angesteuert werden kann. Ein stolzer Preis, zugegeben, aber was für ein Erlebnis: Anmutig staksen die Flamingos durch das flache Wasser, stolz wirken sie, majes­tätisch, aber nicht zu stolz, um nicht für ein schnelles Selfie mit aufgeregt-begeisterten Touristen ihre Schnäbel in die Kameras zu halten. Kristall­klares Wasser, feinster Muschelsand (der im Gegensatz zu Quarzsand auch bei hohen Temperaturen nicht unangenehm heiß wird), Erfrischungstücher zu Begrüßung, kühle Drinks und eine geradezu himmlische Ruhe – Renaissance Island ist Urlaub im Urlaub.

Empfehlenswert ist auch eine Wanderung durch den Arikok Nationalpark, für die festes Schuhwerk, Sonnenhut und ausreichend Wasser allerdings unabdingbar sind. Nach einer kleinen Einführung in die Flora und Fauna der Insel durch den Park­wächter geht es entlang gut markierter Wege zu einer Höhle, in der sich jahrtausendealte Felszeichnungen finden. Wer sich hier allerdings ein wenig Abkühlung erhofft, liegt falsch. Je tiefer es bei Taschenlampenbeleuchtung geht, desto wärmer wird es.

Auch Aktivurlaub ist möglich. Stand-up-Paddeling, Beachtennis und -volleyball sind überall entlang der Südküste im Angebot, mehrmals im Jahr gibt es international besetzte Straßenläufe, im Juni den Aruba International Triathlon über die Olympia­distanz (1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren, 10 km Laufen). Und dann ist da natürlich das Schnorcheln und Tauchen – für viele Touristen der Grund für den Aruba-Trip. Wer will, kann Tauchkurse belegen und mit Ausrüstung in die Tiefe – oder an der Oberfläche schnorcheln. Wunderbar ist zum Beispiel auch die Fahrt mit dem Katamaran „Palm Pleasure“, die zu einem Wrack vor der Küste führt. 1940 hatte die deutsche Besatzung das Handelsschiff „Antilla“ selbst versenkt, als es von nieder­ländischen Marineinfanteristen übernommen zu werden drohte. Nun liegt es in 18 Metern Tiefe, ein beliebtes Ziel für Hobbytaucher und -schnorchler. Spaßig ist schon An- und Abreise mit viel Musik, Tanz, Gesang, süßen Cocktails und frischen Fruchtspießen. Zwischendurch ein Sprung von der Reling ins Wasser – besser kann es kaum kommen.

Der Plan: Im Jahr 2020 soll der Strom komplett „grün“ sein

Und so verwundert es nicht, dass mittlerweile etwa 800.000 Touristen pro Jahr nach Aruba reisen, was, das weiß auch Fahrer Ralphi, für die bislang ­intakte Umwelt durchaus Gefahren birgt. Viele Menschen, das bedeutet viel Müll, einen hohen Energiebedarf, vermehrtes Verkehrsaufkommen. Weshalb weitreichende Maßnahmen ergriffen wurden.

Schon heute sorgt Windkraft für 22 Prozent des Energiebedarfs, Offshore-Windparks sind in Planung, der Flughafen wird bereits ausschließlich durch Solarenergie gespeist. Im Jahre 2020 soll der Strom auf Aruba komplett „grün“ sein. Nachhaltigkeit ist das Stichwort, die Ökobilanz für ­immer mehr Urlauber ein wichtiger Aspekt, das weiß auch die Tourismusbehörde. Da passt es, dass auf der Insel gerade ein Fahrradwegenetz ­aufgebaut und in Sachen Müll eine Null-Toleranz-Politik betrieben wird. Natürlich im entspannten Aruba-Style. Heißt: Aufklärung und flinkes Wegsammeln in den frühen Morgenstunden statt Verbotsschilder und Strandpolizei. Das Paradies in der ­Karibik soll Paradies bleiben, doch die allgemeine „One Happy Island“-Stimmung darf darunter nicht leiden.

Und die leidet nicht einmal beim Fußball, der hier auf (arubanischem) Erstliga-Niveau im Nationalstadion gespielt wird. Nach und nach, teil­weise lange nach Anpfiff, kommen die Zuschauer, um das Topspiel des Tabellenersten gegen den Tabellenzweiten zu sehen. Fantrennung ist nicht notwendig, auf Aruba gibt es keine Hoo­ligans, keine Fangewalt – auch wenn es am letzten Spieltag um die Meisterschaft geht, die für internationale Aufgaben qualifiziert.

Dass das eher ereignislose Spiel 0:0 endet, scheint niemanden zu stören. Auch nicht Kurt Thomas vom aru­banischen Fußballverband, der von Ausrüsterverträgen für seine Jungs träumt und nach einem Partner sucht, um Nationalmannschaftstrikots an Touristen zu verkaufen („Ich glaub, da ist ein Potenzial“). Und wenn das nicht klappt? „Dann geht auch morgen wieder die Sonne über unseren Stränden auf.“ Ariba Aruba? Masha danki, mi dushi.