Riesige Getreidefelder, majestätische Rocky Mountains: Eine Tour mit dem Mietwagen durch die Provinz Alberta.

Einfach nur geradeaus. Es ist, als hätte jemand die Landkarte ausgebreitet, ein Lineal genommen, an diesem entlang einen Strich gezogen und die Karte dann den Erbauern des Highways 56 gegeben. Wer inmitten der kanadischen Provinz Alberta in Richtung Edmonton fährt, der kann es sich hinter dem Lenkrad bequem machen. 100 Kilometer geht es geradeaus. Links und rechts reichen abgeerntete Getreide­felder auf dem leicht welligen Boden, so weit das Auge schauen kann. Manchmal ist ein kleines Wäldchen dabei. Ein grandioser Anblick, diese Weite.

Alberta ist Kanadas westlichste Prärieprovinz. Irgendwo am Horizont ragen die Rocky Mountains bis zu 4000 Meter hoch. Wer das Land erkunden will, muss sich entscheiden. Die Berge, die es wie ein Riegel vor dem Pazifik schützen. Oder die Prärie, in der dieses Land kein Ende zu kennen scheint.

Startpunkt unserer Reise ist Calgary. Dank seiner Ölvorkommen gilt Alberta als Kanadas reichste Provinz. Darüber, dass der größte Teil des Öls allerdings mit Hilfe der umstrittenen Frackingmethode gefördert wird, reden die Tourismusmanager allerdings nicht gern. Mindestens neun Stunden dauert der Flug von Deutschland aus. Das gilt es nicht zu unterschätzen, und da wir mit dem Mietwagen Alberta erkunden wollen, erscheint die Übernachtung in Calgary sinnvoll.

Auf der Bar U Ranch wird KanadasVergangenheit wieder lebendig

 Prärie und Berge: Alberta ist etwas für Naturliebhaber
Prärie und Berge: Alberta ist etwas für Naturliebhaber © Getty Images

Unser erstes Ziel ist der Waterton Lakes Nationalpark, dort, wo Alberta an den US-Bundesstaat Montana grenzt. Auch wenn uns der Highway 2 ein rasches Vorankommen ermöglicht, verbreitet er eher Langeweile. Deshalb lohnt der Umweg über Nebenstraßen, die zumeist die schönere Aussicht bieten. Was die Autos angeht, so ähnelt Kanada den USA: Sie können ihren Besitzern nicht groß genug sein. Wer einen Wagen mietet, sollte allerdings den Verbrauch nicht ganz außer Acht lassen. Gut einen kanadischen Dollar – das sind derzeit knapp 70 Cent – kostet uns der Liter Benzin. Unser Wagen verbraucht während der gesamten Reise rund 120 Liter.

Auf der Bar U Ranch auf halbem Wege nach Waterton wird Kanadas Vergangenheit lebendig. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Ranch, auf der einst bis zu 40.000 Rinder gehalten wurden, ist heute eine Art Museum, das an die legendäre Cowboyzeit erinnern soll. Jean führt uns über das Gelände und zeigt uns Wohnwagen, in denen bis zu acht Cowboys übernachten konnten. Deren Leben war hart und karg. Über viele Wochen zogen sie mit den Rinderherden durch die Prärie, stets den unterschiedlichen Wetterbedingungen ausgesetzt: heiße Tage, kräftige Stürme, Regen und klirrende Kälte. Dazu die harte körperliche Arbeit.

Die Allgegenwärtigkeit der Natur kennzeichnet das Wesen Kanadas. Seine Einwohner pflegen das Image des hartgesottenen Draußen-Menschen, der seinen Wohlstand im Kampf den Naturgewalten abtrotzt(e). Keine Frage: Das Klima im Westen Kanadas ist ziemlich anspruchsvoll, auch wenn das für viele Freunde des Landes dessen Reiz ausmacht.

Im Sommer kann es heiß und trocken werden. Als wir Anfang September in Calgary eintreffen, liegt Brandgeruch in der Luft. Über Wochen hatten Flächenbrände in der Nachbarprovinz British Columbia die Feuerwehr in Atem gehalten. Im Winter hingegen sorgt Luft arktischen Ursprungs schon mal für Temperaturen von bis zu minus 40 Grad.

Waterton liegt am Fuße der majestätischen Rocky Mountains und es dauert nur ein paar Minuten der Wanderung mit unseren Führern Holly und Tim, bis wir inmitten in der Natur sind. In ihrem eher kurzen Herbst beeindrucken die kanadischen Wälder mit einer Vielfalt an Gerüchen, einer geradezu atemberaubenden Stille und einem Übermaß an Farben.

Es sind diese Momente der Ruhe, die jene in uns tief verwurzelte Verbundenheit mit wilder wie romantischer Natur freilegen. Der Blick auf den Upper Waterton Lake, der mit seinen 152 Metern Tiefe zu den tiefsten Seen in den Rocky Mountains gehört, lässt einem das Herz aufgehen. Dazu die dunklen, gehetzten Wolken.

Auf einer kleinen Anhöhe liegt das Prince-of-Wales-Hotel. Es gilt mit seinen verspielten Türmchen als eine der meistfotografierten Herbergen Kanadas. Die Ironie: Ein Prince of Wales hat dieses Hotel nie besucht. Vielmehr handelt es sich um eines der Eisenbahnhotels, das in den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts gebaut wurde.

Im Last Chance Saloon soll es spuken – viele Geisterjäger sind daher hier zu Gast

Nach unserer Stippvisite in Waterton geht’s nach Drumheller. Weltweit berühmt wurde der Ort durch Funde von Dinosaurierknochen und die sogenannten Hoodoos. Die Gesteinssäulen aus Sandstein wurden innerhalb der vergangenen 40 bis 60 Millionen Jahre durch den Wind geformt und erinnern ein wenig an Totempfähle.

 Im Last Chance Saloon trafen sich früher die Minenarbeiter
Im Last Chance Saloon trafen sich früher die Minenarbeiter © Getty Images

Doch das reizvollste an Drumhellers Umgebung ist der Last Chance Saloon. Die Straße dorthin führt uns über elf Brücken und durch ein kleines, einst von Kohlegruben gesäumtes Tal. Im Saloon versoffen die Minenarbeiter ihren kargen Lohn, prügelten und flirteten. Inhaber Dave Arsenault zeigt auf die Stelle an der Wand, an der drei Pistolenkugeln einschlugen. Auch Mord gehörte vor Jahrzehnten dazu.

An anderen Wänden hängen Bilder aus jenen Gruben, die Fluch und Segen zugleich waren. Segen, weil sie den Minenarbeitern Lohn und Brot verschafften. Fluch, weil sie dabei ihre Gesundheit ramponierten. Aber man hatte nur dieses Leben, und wer heute im Last Chance Saloon sitzt, bei einem Bier und einem kanadisch-großen Steak, der kann ihn spüren, den Hauch der Vergangenheit.

Vielleicht liegt das aber auch an den Geistern, die in dem Saloon und dem benachbarten Hotel spuken sollen. 80 unterschiedliche Stimmen habe man gezählt, berichtet Dave. Das reicht, dass jedes Jahr reichlich Geisterjäger ein Zimmer buchen.

Er sei inzwischen ein Believer, ein Glaubender geworden, sagt Dave und zeigt ein Foto auf seinem Handy. Zwei Hände aus dem Nichts sind zu erkennen und der eine oder andere kritische Geist unter den Zuhörern ist bereit, die Geschichte – zumindest als cleveren Marketinggag – zu akzeptieren.

Nichtsdestotrotz ist der Last Chance Saloon ein Ort, der Kanada-Fans das vermitteln dürfte, wonach sie suchen. Wer nach einem angenehmen Abend vor die Tür tritt, in die Stille und die Dunkelheit der Nacht hinaus, der bekommt eine Ahnung von der Freiheit, die Menschen aus aller Welt immer wieder sehnsuchtsvoll in dieses Land aufbrechen lässt.

Die Reise wurde von Travel Alberta und der FTI Touristik GmbH bezahlt.