Im Salzburger Land auf Burg Hohenwerfen arbeitet Rebekka Schulte mit Greifvögeln. Täglich besuchen Hunderte Besucher die Flugvorführungen

Der junge Steinadler hat scheinbar keine Lust zum Fliegen. Es sieht so aus, als müsste Rebekka Schulte ihn in die Luft werfen. Doch dann entfaltet er seine gewaltigen Schwingen und segelt wie in Zeitlupe über die Vorburg hinweg übers Tal. Die Falknerin mit dem breitkrempigen Hut und einem groben Mantel, der im Schnitt einem Jagdrock ähnelt, blickt abwartend hinterher. Aber nicht lange.

Schon ein paar Meter jenseits der Ringmauer von Burg Hohenwerfen im Salzburger Land wendet der Greif abrupt und steuert die Falknerin wieder an. „Wir haben kaum Wind, die Vögel müssen sich zum Fliegen heute richtig anstrengen“, erklärt die junge Frau den kurzen Ausflug ihres Schützlings, während der große Vogel flatternd und fiepend wieder auf ihrem schartigen, schweren Lederhandschuh Platz nimmt.

Und warum stößt er diese Geräusche aus? „Das Rufen der Jungvögel, das sogenannte Lahnen, ist ein Kontaktruf zum Alttier oder zum Partner“, sagt Schulte. Und sie steckt dem Tier ein Futterstück als Belohnung zu, das sie flugs aus einem Beutel an ihrem Gürtel holt.

Seit zweieinhalb Jahren arbeitet Rebekka Schulte auf der Burg Hohenwerfen. Die ehemalige Zollburg wurde von einzelnen Bischöfen in früheren Zeiten auch als Jagdsitz genutzt. Damals wurden die Falken zur sogenannten Beizjagd auf Wildtiere abgerichtet. Heute gibt es auf der Burg ein Falknereimuseum und Flugvorführungen. Die Falknerei, so erzählt Schulte, habe viel mit Vertrauen zu tun. „Ich lasse die Vögel los, und sie kommen aus freien Stücken zurück“, sagt die 25-Jährige. Die Vögel können selbst entscheiden, wohin sie fliegen. Selten geht einer verloren. Wenn ein Vogel nicht zurückkehrt, liege das an äußeren Faktoren wie etwa dem Wetter, so die Falknerin.

Wie kam die Rheinländerin zu diesem Job? „Ich hatte schon immer einen Vogel“, sagt Rebekka und lacht über die Doppeldeutigkeit ihrer Worte. Ihr erster Greif war ein kleiner Mäusebussard, den sie als junges Mädchen beim Ausreiten verletzt im Wald fand, gesund pflegte und erfolgreich wieder auswilderte. „Er heißt Leo und lebt noch in der Nähe des Hofes meiner Eltern“, sagt sie. 14 Jahre ist er schon alt, bis zu 20 Jahre alt können Greifvögel werden. Rebekkas erste Versuche als Falknerin musste Leo über sich ergehen lassen.

Heute trainiert die Deutsche mit Königsadlern, Geiern und ihren Lieblingen, den Falken. Einer von ihnen sitzt auf seiner Stange und verfolgt das Gespräch mit Falkenaugen. „Das ist meiner, er heißt ,Sahib‘.“ Der asiatische Sakerfalke stammt aus der Nachzucht der ansässigen Falknerei und wurde ihr von ihrem Arbeitgeber, der Historischen Falknereibetrieb GmbH im niederösterreichischen St. Leonhard, als Anerkennung für gute Arbeit zum Geschenk gemacht.

Der kleine Greif wirkt anhänglich und zeigt das mit kehligen Krächz­lauten. „Mitunter sitze ich hier in meiner Freizeit, um ein Buch zu lesen, und dann klingt es immer wieder ,Tschiiieee!‘ aus seiner Richtung.“ Bei aller Liebe seien die Greifen aber keine Schmusetiere: „Falken abrichten funktioniert ganz anders als bei Säugetieren, zum Beispiel Hunden. Alle Greifvögel stammen aus heimischer Nachzucht.“

Die Flug-Show der Burgfalknerei Hohenwerfen im Salzburger Land ist die ganze Saison gut besucht. Täglich verfolgen Hunderte von Besuchern die Flüge der Falken, Adler und Geier. Dabei rauscht das riesige Federvieh oft nur wenige Zentimeter über die Köpfe des Publikums, spaziert mitunter unbekümmert quer durch die Zuschauerreihen. Wie Schauspieler auf der Bühne erscheinen die Greife, und das perfekte Bühnenbild dazu geben das graue Gemäuer der Burg und das sie umgebende Tal mit seinen hohen Bergkulissen ab.

Die trutzige Festung aus dem Hochmittelalter, in Jahrhunderten aus- und umgebaut, die inmitten von schroffen Felswänden über einem engen Talgrund thront, ist heute ein Publikumsmagnet. 140.000 Menschen besuchen jährlich die Burg. Allein die Perspektive auf das Gebirgspanorama oben und das Dorf Werfen unten im Tal ist beeindruckend. Hohenwerfen scheint genau in der Mitte zwischen Himmel und Erde zu sein. „Als ich hier erstmalig anreiste und mit dem Auto um die Kurve kam, wollte ich es kaum glauben, dass ich hier arbeiten darf“, sagt die Falknerin Rebekka.

Fünf Falkner wohnen in einem Torhaus in der Vorburg, auf deren Hof die täglichen Flugvorführungen stattfinden. Mit den Vorführungen wollen sie ein Stück Vogelkunde vermitteln. Unter der mächtigen Mauer der Hochburg sind Remisen aufgestellt, eine Stückpforte dient Greifvögeln als Ein- und Ausflugöffnung. Die tägliche Arbeit ist für die Falken Übung für den Ernstfall, den es auch gibt: Mehrmals im Jahr wird die Beizjagd, ursprünglich ein königliches Privileg, tatsächlich noch praktiziert, aber nur auf Hasen.

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