Wer nach Hawaii reist, sollte nicht den Abstecher zu brodelnder Lava und heißen Feuerbergen verpassen. Der stete Wechsel von Faszination und Respekt ist ein unvergessliches Erlebnis

Die Inseln Hawaiis sind aus Lava geboren. Ein Hotspot in der pazifischen Platte sorgt dafür, dass die Region zu den vulkanisch aktivsten auf unserem Erdball gehört. Hier gibt es einen der höchsten Vulkane und ein Hotel direkt am Kraterrand – ideal für einen Urlaub im faszinierenden Ambiente ständigen Entstehens und Vergehens.

Glühend heiße Lava ergießt sich unter gewaltigem Zischen und Brodeln ins Meer. Big Island – die größte und einzige noch vulkanisch aktive Insel des Archipels – ist noch immer im Wachstum begriffen. Riesige, mit grau-schwarzer Kruste überzogene Lavafelder bedecken die gesamte Region zwischen der Eruptionszone des Pu'u 'O'o und der Küste. Die dunkle Masse, die nur dann und wann aufbricht, um ihr rotbrennendes Innere zu offenbaren, frisst sich ungebändigt und zerstörerisch weiter durch Wald- und Buschbestände. Seit 1983 hat dieser Seitenvulkan des Kilauea etwa 3,3 Millionen Tonnen Lavamasse über den Nordosten der Insel verbreitet und dabei große Waldbestände vernichtet.

Ethan ist Hubschrauberpilot und beobachtet nahezu täglich dieses ständige Geben und Nehmen des Feuerberges, wenn er Touristen für eine knappe Stunde über die nahe der Stadt Hilo gelegene Landschaft und über den Krater des Pu'u 'O'o fliegt. „Dort unten haben Fischer ihre ersten Häuser wieder aufgebaut, nachdem die Siedlung beim letzten großen Ausbruch nahezu völlig vernichtet wurde“, lässt er seine Gäste wissen. „Die Fischbestände in den tief abfallenden Küstengewässern sind reich und die Fischer können es sich nicht leisten, ihre Existenzgrundlage aufzugeben.“ Es ist ein Leben in ständiger Gefahr. Jederzeit kann der Lavastrom seine Richtung ändern, und der Abstand vom 1200 Gad heißen Gesteinsbrei bis zu den ersten Häusern beträgt gerade einmal einen Kilometer.

Das Hotel am Rand eines Kraters bietet einen Blick auf den Kilauea

Eine knappe Autostunde weiter, gleich neben dem Eingang zum Volcanoes National Park und dem Besucherzentrum, genießen Touristen in der Lounge des Volcano House Hotels bei einem Caipirinha-Sundowner im Schaukelstuhl den atemberaubenden Blick auf den goldroten Rauch des Halema`uma`u-Kraters des Kilauea, der gerade friedlich vor sich hindampft, so als wolle er sich eine Zigarettenpause gönnen. Man kann sich kaum vorstellen, dass er 1924 bis zu acht Tonnen schwere Felsbrocken durch die Gegend schleuderte. Das Hotel steht direkt auf dem Kraterrand, und auch Hotelmanager David Macilwraith kann sich noch immer nicht der Faszination dieses Ausblicks entziehen. „Ich habe schon in vielen Nationalparks gearbeitet“, meint er andächtig, „doch diese Lage ist wohl kaum zu überbieten.“ Wenn das Tageslicht langsam am Horizont verschwindet, zieht das Szenario des fackelnden Feuerschweifes Hunderte Schaulustige aus der ganzen Umgebung an. Man fühlt sich in Sicherheit und ist dennoch den gewaltigen Kräften, die aus der wenige Kilometer tiefer gelegenen Magmakammer entweichen wollen, so nah.

Pele, die Vulkangöttin, ist für die Hawaiianer die mystische Verkörperung dieser Dialektik von Schaffen und Vergehen, von Geben und Nehmen. Mal erscheint Pele in Gestalt eines speienden Vulkans, mal als landverschlingende Feuerwalze und mal als Schöpferin neuer Lebensräume. Viele Einheimische glauben fest an Pele, sehen ihr Gesicht vor einer Eruption, opfern Hühnchen, Fisch, Poi (ein Brei aus Tarotwurzeln), Salz und Süßigkeiten, um sie milde zu stimmen.

Die rauchenden Kegel erinnern an schreckliche Katastrophen

Maile´s Gesichtsausdruck wird ernst, wenn sie von Pele spricht. Für sie war es eine Nacht des Schreckens, als 1984 der benachbarte Mauna Loa, der mit 17 Kilometern über dem Meeeresboden höchste Vulkan unserer Erde, ausbrach. „Ich war damals sieben Jahre alt und dachte, wir würden alle sterben“, erinnert sich die gebürtige Hawaiianerin. „Häuser brannten ab und die 1200 Grad heiße Lavamasse floss unaufhaltsam auf unsere dicht besiedelte Stadt Hilo zu.“ Szenen aus apokalyptischen Filmen spulten sich damals plötzlich im Kopf des Kindes ab.

Vom Volcano House Hotel gelangt man über einen Pfad zu einem sechs Kilometer langen Wanderweg, der durch die Caldera des Kilauea Iki (kleiner Kilauea) führt. Vom 112 Meter über dem Kratergrund gelegenen Aussichtspunkt öffnet sich ein Panoramablick über eine schüsselförmige Landschaft, in der im Jahr 1959 etwa 90 Millionen Tonnen Lavamasse brodelten. Bis zu 580 Meter hoch schoss das geschmolzene Gestein damals aus Erdspalten in den Himmel und füllte den bereits 500 Jahre bestehenden Krater mit einem bis zu 244 Meter tiefen Lavasee.

Im Hintergrund ist der Pu‘u Pua‘i zusehen, ein Kegel, aus dem damals der Hauptteil der Lava heraussprudelte. Unter dem Kegel wechselt die Farbe der erstarrten Lava von Rot zu Braun und Violett, ein Zeichen dafür, dass tief aus der Erde kommende, eisenhaltige Gesteinsbestandteile an der Luft oxidierten. Schräg stehende Gesteinsplatten an den Ufern des heute nur noch 135 Meter tiefen einstigen Sees deuten darauf hin, dass sich die Oberfläche unter gewaltigem Getöse senkte und die gerade erst erstarrte Kruste krachend zerbarst, als die darunter befindliche Lava teilweise in die Erdspalten zurückfloss. Auf der gesamten Teilstrecke über den erstarrten See läuft man über solche Gesteinsschollen, trifft ständig auf Spalten und dampfende Ventilöffnungen, die auf einen noch immer heißen Untergrund schließen lassen. Und doch trifft man in dieser scheinbar lebensfeindlichen Umgebung auf Keime neuen Lebens: Ohi´a-Sträucher mit ihren knallroten Blüten schlängeln aus den Lavaspalten heraus und kündigen die Rückeroberung einst verloren gegangenen Terrains durch die lokale Flora an.

Einen Kilometer vom Kilauea Iki Aussichtspunkt entfernt wartet eine weitere Attraktion: Die Thurston Lava Tube – ein Tunnel, durch den sich einst glühendheiße Lava ihren Weg bahnte. Der äußere Mantel dieses Stromes erkaltete vor Hunderten von Jahren und bildet heute eine etwa 200 Meter lange und bis zu sechs Meter hohe Höhle, deren leicht zugänglichen Eingang riesige Hapu'u-Farne umrahmen.

Die volle Umrundung des Kilauea Kraters auf dem Crater Rim Drive ist seit einigen Jahren nicht mehr möglich, seit der Halema`uma`u giftige Schwefeloxide in Mengen ausbläst, die stark gesundheitsgefährdend sind. Aber David hat sofort weitere Tourentipps parat. „Nördlich von Hilo haben vulkanische Abbruchkanten und die stets reichlichen Niederschläge wunderbare Wasserfälle entstehen lassen, die sich malerisch in das dichte Grün der Region einbetten. An Wochenenden bin ich dort gern mit meiner Familie unterwegs“, schwärmt er. Es ist eine kurze Fahrt von Hilo bis zum Wailuku River State Park, wo sich gleich neben dem Parkplatz die Rainbow Falls 23 Meter in die Tiefe ergießen. Im unteren Teil des Wasserfalls vereinen sich winzige Wasserspritzer zu einem prächtigen Regenbogen. Wenige Kilometer weiter trifft man auf die 120 Meter hohen Akaka Falls inmitten eines tropischen Regenwaldes mit Banyan-Bäumen, Bambuswäldchen, hochwachsenden Farnen und Orchideen – eine verschwenderische Pflanzenwelt auf vulkanischem Boden.

Davids Rat, auf der Rückfahrt nach Kona einen Zwischenstopp am Strand von Punalu'u einzuplanen, erweist sich als Volltreffer. Erodierte Lava hat hier einen der schönsten Schwarzsandstrände Hawaiis entstehen lassen. Von Palmen umsäumt, lockt das feinsandige und flach abfallende Ufer Einheimische und Touristen gleichermaßen hierher. In einfachen Holzhütten bieten Hawaiianerinnen regionale Gerichte und Kunsthandwerk an, grüne Schildkröten nehmen allmorgendlich ein erfrischendes Bad und überlassen anschließend den zweibeinigen Sonnenanbetern das Terrain.

Auf der Suche nach einem Restaurant trifft man auf die Kona Beer Brewery mit ihren zuweilen exotisch klingenden, aber durchaus trinkbaren Biersorten. Damit sollte – entgegen allen Behauptungen eines längst überholten Liedtextes – auch das letzte Hindernis für einen Besuch der Inselgruppe aus dem Wege geräumt sein.