In Mae Klong in Thailand werden Obst und Gemüse direkt auf dem Gleis verkauft. Kommt eine Bahn, werden die Stände kurz zurückgezogen

Es wird gerufen und gehandelt, gewogen und eingepackt, gedrängelt und gegackert, denn auch lebende Hühner und sonstiges Geflügel sind im Angebot auf dem Markt in Mae Klong, 70 Kilometer südwestlich von Bangkok. Gemüse und Obst stapeln sich in der Auslage, von grünen Papayas und krummen Bananen über knallrote Tomaten und duftendes Thai-Basilikum bis hin zu exotischen Pilzen. Außerdem zu haben sind Fisch und Fleisch, Suppen und Säfte, Flipflops und Orchideen sowie allerlei Gegartes, das ruckzuck in einer der vielen mobilen Garküchen zubereitet wird.

Rechts hat eine Frau saftige Mangos zu Pyramiden aufgeschichtet. Daneben bieten zwei junge Mädchen Pitaya an, die lilafarbenen Drachenfrüchte mit weißem Fruchtfleisch. Die nächste Frau hat frische Riesengarnelen wie eine Spirale auf ein Blechtablett drapiert. Überall wird begutachtet, befühlt, gefeilscht und abgewogen.

Dutzende Touristen knipsen täglich das Spektakel an den Gleisen

Das übliche Chaos also auf einem ganz normalen Markt in Thailand? Nicht ganz. Denn auf diesem Markt findet achtmal am Tag ein einzigartiges Spektakel statt: Die Marktständler müssen in Windeseile ihre Auslagen einpacken, weil mitten durch das Marktgelände ein Bahngleis führt. Oder besser gesagt: Die Schienen gibt es hier schon länger – entlang der Zugstrecke von Ban Laem nach Mae Klong hat sich nahe der Station in Mae Klong im Laufe der Zeit dieser belebte Markt etabliert.

Das Schauspiel ist stets dasselbe: Wenn der Dieseltriebwagen sich mit ohrenbetäubendem Gehupe ankündigt, ziehen die Händler binnen weniger Sekunden routiniert ihre Waren vom Gleis, viele Stände haben Rollen. Die Planen, die vor Sonne und Tropenregen schützen sollen, werden flugs zurückgeklappt. Wenig später gleitet der Zug im Abstand von wenigen Zentimetern an Fisch und Gemüse, an Hühnern und Schaulustigen vorbei. „Talad Rom Hoop“ – auf Deutsch etwa „Schirm-klapp-weg“-Markt – heißt dieses Spektakel, das inzwischen zu einer Touristenattraktion avanciert ist. An manchen Tagen stehen Dutzende Urlauber am Gleis, um den vorbeiratternden Zug und die flinken Händler zu knipsen oder zu filmen. Andere sitzen im Zug, um von innen das Markttheater durch das Zugfenster hindurch zu bewundern.

Der Mae-Klong-Markt ist lang und schmal. Die Stände drängeln sich auf beiden Seiten an Häuserwänden entlang, dazwischen verlaufen die Schienen in einer Gasse. Sobald die Sirene einen nahenden Zug ankündigt, springen die Standbesitzer auf. „Zurück!“ schreit ein Aufseher, der in die Trillerpfeife bläst. Mit geübten Griffen schieben die jungen Mädchen ihre eigens auf Rollen gebaute Auslage zurück, die Marktfrau schnappt sich das Garnelentablett, und ihr Vater wuchtet an den Seilen, um die Markise zurückzuziehen.

Derweil suchen die fotografierwütigen Touristen die günstigste Position, um den Zug abzulichten. Warnend dröhnt die Zughupe, dreimal hintereinander, dann schiebt der Koloss sich durch die schmale Gasse zum nahen Bahnhof, der unmittelbar an den Markt grenzt. Auch wenn sie nicht schnell fährt: Die vier Meter hohe Lok ist auch in Kriechgeschwindigkeit furchteinflößend. Die dröhnende Hupe, die in einer weiten Landschaft vielleicht heimeliges Reisefieber weckt, dringt hier, im Zentimeterabstand zum Trommelfell, durch Mark und Bein.

Kaum ist der Zug durch, schließt sich die Gasse wieder: Markisen runter, Sonnenschirme auf, Auslagen nach vorne – schon nach ein paar Sekunden geht das Geschäft weiter, als sei nichts gewesen. Warum findet der Markt ausgerechnet hier statt? „Warum nicht? Meine Großeltern haben hier schon verkauft“, übersetzt ein Thailänder die Antwort der Fischverkäuferin. Die Bahnstrecke gibt es seit mehr als 100 Jahren, den Markt vermutlich auch schon viele Jahrzehnte; ein genaues Datum weiß niemand.

Jemand sagt, die Verkäufer bräuchten hier auf dem Bahngelände keine Standgebühr zu bezahlen – das erklärt natürlich seine Attraktivität. Bahn und Bauern haben sich arrangiert: Niemand regt sich über den „Schirm-klapp-weg“-Markt auf. Und niemand hat je etwas von einem Unfall gehört. Also machen die Händler weiter, pragmatisch-asiatisch, die Kunden strömen weiter hierher, und mittlerweile wundert sich vor Ort niemand mehr über die vielen Touristen, die nicht wegen Mangos und Frischfisch nach Mae Klong kommen, sondern wegen einer weltweit einmaligen Schmalspurbahn.