Die Dominikanische Republik hat mehr zu bieten als schöne Strände. Doch um das zu entdecken, muss man raus aus dem All-inclusive-Hotel

Das passende Schuhwerk wird überschätzt. Jedenfalls trägt das Paar, beide wohl um die 60, sogenannte Komfortschuhe, die so gar nichts von einem eleganten Tanzschuh haben. Und trotzdem könnte man neidisch werden. Wie der Mann und die Frau in seinen Armen, beide eher rund um die Körpermitte, ihre Hüften schwingen und sich im Takt des Merengue wiegen, das sieht überaus gekonnt aus. Und lustvoll. Dazu braucht es keine Pumps und Lackschuhe. Beim Kulturfest in Santo Domingo, der Hauptstadt der Dominikanischen Republik, spielt an diesem Sonntag im Park an der Calle el Conde ein großes Orchester auf – etwa 50 junge Musiker, alle adrett gekleidet, sitzen auf weißen Plastikstühlen und spielen für ihr wechselndes Publikum auf. Viele Einheimische sind darunter, aber auch einige Touristen. Denn auch wenn das karibische Land vor allem für seine All-inclusive-Hotels an den Stränden bekannt (und ja, auch berüchtigt) ist, wagen sich immer mehr Urlauber aus den geschützten Resorts und machen eine Rundreise über den dominikanischen Teil der Insel Hispaniola, zu der auch Haiti gehört. Über vier Millionen Touristen kommen jedes Jahr, davon etwa 200.000 aus Deutschland.

„Die Dominikanische Republik ist ein Paradies, das mehr zu bieten hat als Traumstrände. Man sollte die unterschiedlichen Gesichter der Landschaft und die Lebensfreude der Dominikaner entdecken“, sagt Jacqueline Bunke, die als Reiseleiterin für den Urlaubsanbieter TUI insgesamt schon seit mehr als sechs Jahren in dem Land arbeitet. Sie ermuntere die Gäste, Ausflüge zu machen, und versuche, ihnen Lust auf Land und Leute zu machen, sagt die 38-Jährige aus Frankfurt.

Abstecher in die Welterbe-Stadt Santo Domingo

Ein perfekter Einstieg ist der Besuch der Weltkulturerbe-Stadt Santo Domingo an der Südküste der Dominikanischen Republik. Mit ihren über drei Millionen Einwohnern zwar eine Großstadt, aber wer sich als Besucher auf die historische Altstadt konzentriert, hat eher das Gefühl, in einer Kleinstadt gelandet zu sein. Viele Gebäude hier stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, etliche sind kunstvoll restauriert. Allerdings sind die Stromleitungen sehr kreativ verlegt – überirdisch ziehen sie sich durch die kleinen Straßen. Etwa 300 historische Monumente gibt es in der Stadt, die als älteste Amerikas gilt. Perfekt wird der Aufenthalt, wenn man auf der Plaza de España zu Abend isst und in einem Hotel wie dem Hostal Nicolas de Ovando absteigt, dessen Gebäude zum Weltkulturerbe zählen. Mit seinen lang gestreckten offenen Fluren und dem idyllischen Innenhof, von dem aus man sogar einen Blick auf den Hafen hat, ist es ein architektonisches Kleinod.

Weniger idyllisch wird es, wenn man tags darauf über den 1936 gebauten Malecón, die breite Uferstraße, stadtauswärts fährt. Einen Stadtstrand gibt es nicht, dafür stauen sich hier die Fahrzeuge. Ampeln gibt es zwar, aber sie werden offenbar eher als Empfehlung gesehen, nichts Verbindliches, etwas, an das man sich halten kann oder eben auch nicht. Jetzt wundert man sich schon etwas weniger, dass Rundreisen pauschal angeboten werden, Autofahren hier will gelernt und geübt sein. Zumal ständig jemand hupt. Das ist kein genervtes Gehupe wie hierzulande, wenn es jemandem nicht schnell genug geht, sondern eher als kleiner Hinweis an die anderen Verkehrsteilnehmer – die Moped-, Lastwagen und Autofahrer und die Fußgänger – zu verstehen: „Hallo, hier komme ich.“

Von Obst über Wasser, Sonnenbrillen bis zu Handy-Wertkarten kann man an den großen Straßen fast alles von fliegenden Händlern kaufen. Vom Auto aus, denn sie laufen an den Kreuzungen und auf den Mittelstreifen zu ihren Kunden in den Autos. „Es gibt keine Arbeitslosenunterstützung, so verdienen diese Leute Geld“, erklärt José Castellanos, unser Reiseleiter. Der 48-Jährige zeigt seit 24 Jahren Urlaubern sein Land. José ist ein hervorragender Botschafter seiner Heimat. Er ist ständig bester Laune, wie die meisten seiner Landsleute, mit denen man zu tun hat, weiß unendlich viel über die Insel zu erzählen. Der Dominikaner ist das beste Beispiel für die Fortschritte seines Landes. Angefangen hat er als Gehilfe eines Schuhputzers, erzählt er, danach habe er T-Shirts an Touristen am Strand verkauft.

Mit dem Glossar in einem Reiseführer, den ein Urlauber hinterließ, fing er an, Englisch zu lernen. Später schickten ihm Gäste weitere Bücher. „Auf diese Weise habe ich auch Deutsch, Französisch und Holländisch gelernt“, sagt José. Schließlich begann der ehrgeizige Insulaner ein Jura-Fernstudium, das er 2003 abschloss. Inzwischen ist José Castellanos auch noch Notar und hat sich auf Immobilienrecht spezialisiert. Reiseleitung mache er noch, weil es ihm sehr viel Spaß bringe, sagt der Jurist. Und weil er gern von der Entwicklung in seinem Land erzählt. Der Vater von vier Kindern ist ein großer Fan des neuen Schulsystems, das Präsident Danilo Medina radikal umbaut. Die Kinder kommen jetzt um halb acht zur Schule, essen Frühstück und bleiben bis 16 Uhr. Davor kamen sie entweder zur ersten Schicht am Vormittag oder zur zweiten am Nachmittag. „Derzeit profitieren 33 Prozent der Schüler vom neuen System, aber der Präsident will die Ganztagsschule für alle“, sagt José. Schulpflicht gibt es für Kinder von sechs bis zwölf Jahren.

Auch in die Infrastruktur wird kräftig investiert. Es gibt eine neue Autobahn von Punta Cana im Osten in die Hauptstadt, und auch die Straßen in Richtung Norden sind gut ausgebaut. Langsam nähern wir uns den Bergen. Links und rechts am Fahrbahnrand gibt es allerhand zu kaufen: Teppiche, gegrillte Süßkartoffeln, Spanferkel.

Während wir gen Norden fahren, schwärmt José von der Fruchtbarkeit des Landes. Auf der Insel wachsen Zuckerrohr, diverse Bananensorten, Kaffee, Tabak, Reis und Kakao. Im touristisch kaum erschlossenen Westen nahe der haitianischen Grenze leben Krokodile in einem See.

Kaum weniger exotisch muten die Schornsteine der Häuser an, als wir nach Jarabacoa östlich der Zentralkordilleren kommen, wo viele wohlhabende Dominikaner Wochenendhäuser besitzen. Die Temperaturen fallen nachts im Dezember und Januar in der Stadt in den sogenannten dominikanischen Alpen auf etwa zehn Grad. Das kann sehr angenehm sein, sind es doch tagsüber auf Hispaniola im Mittel 30 Grad.

Jeep-Abenteuer bei 30 Grad

Hinter der Stadt steigen wir auf einen Jeep mit offener Ladefläche, um über einen abenteuerlichen Weg, den unser Kleinbus nicht bewältigen könnte, zum Wasserfall Salto de Baiguate zu fahren. Über einen Pfad geht es zu Fuß weiter – vorbei an wilden Mango-, Passionsfrucht-, Guaven- und Avocadobäumen. Die Passionsfrüchte hängen grasgrün und prall am Baum. Mit mehrmaligem Hochspringen gelingt es, eine zu pflücken. Sie schmeckt säuerlich, aber unvergleichlich fruchtig. So muss es im Garten Eden sein. Einfach ernten, was einem vor der Nase baumelt.

Nach einem Mittagessen auf der Rancho Baiguate machen wir noch einen Abstecher nach Santo Cerro. In dem Wallfahrtsort steht eine Kirche, die Iglesia de las Mercedes. Christoph Kolumbus, der als erster Europäer die Insel betrat, soll hier am 25. März 1495 gegen die Tainos, die Ureinwohner, gekämpft haben. Die Legende sagt, er habe ein Kreuz aufgestellt, und als die Tainos es in Brand stecken wollte, ging es nicht in Feuer auf, stattdessen erschien ihnen die Jungfrau Maria. Am 21. Januar pilgern ihr zu Ehren unzählige der mehrheitlich katholischen Dominikaner hoch auf diesen Berg. In der Wallfahrtskirche ist ein vergittertes Loch zu sehen – an jenem Platz soll das Kreuz, das kein Feuer fing, gestanden haben.

Vorbei an Tabakfeldern führt unsere Tour nach Puerto Plata, einer der ältesten Inselstädte. Touristisch ist der Ort inzwischen etwas abgelegen, doch das solle sich ändern, sagt Julio Almonte, Vize-Tourismusminister für Puerto Plata und die Nordküste. „Wir wollen 7000 Zimmer zusätzlich in den kommenden zwei Jahren. Wir investieren in den Straßenbau, das neue Kreuzfahrtterminal wird 2015 fertig, und wir beginnen mit der Klassifizierung aller Hotels.“ Zudem werde ein Restaurant auf dem Pico Isabel de Torres gebaut. Auf den Hausberg der Stadt, wo eine kleine Kopie der Christus-Statue von Rio steht, führt eine Seilbahn – von oben hat man einen herrlichen Blick auf Meer und Tal, wenn nicht gerade ein Wolkenbruch jegliche Sicht nimmt. Aber glücklicherweise sind die Regenschauer hier meist von kurzer Dauer.

Urlaub abseits großer Hotelanlagen möglich

Almontes Ziel für 2015 sind auch mehr Flüge zum Flughafen Puerto Plata. Derzeit kommen pro Jahr vier Millionen Gäste in die Republik, „der Präsident möchte, dass es zehn Millionen werden“, sagt der Vizeminister.

Für Individualreisende dürfte diese Vision abschreckend wirken. Wer abseits der großen Hotelanlagen Urlaub machen will, findet bislang noch immer seine Nische. Claudia Schwarz hat im Windsurfzentrum Cabarete an der Nordküste vor 26 Jahren eine Surfschule eröffnet, vor 18 Jahren schließlich das Hotel Villa Taina am Strand übernommen. Aus anfangs zwölf Zimmern ist inzwischen eine Anlage mit 57 Zimmern geworden, „aber wir sind immer noch auf Individualtourismus spezialisiert“, sagt die gebürtige Deutsche. „Für All-inclusive sind die Hotels hier viel zu klein.“ Und weil im Hotelpreis nur das Frühstück inklusive ist, hat man als Gast die Auswahl, in welchem der mehr als 30 Restaurants in der Umgebung man essen geht – häufig mit den Füßen im Sand, denn Tische und Stühle stehen am Strand, gleich bei den Surfbrettern.

An der Nordküste entlang geht es weiter Richtung Samaná. Auf der Halbinsel mit etwa 8000 Einwohnern gibt es sie auch noch – die individuellen kleinen Hotels, kleine Restaurants direkt am Strand und kilometerlang Palmenstrände ohne Liegen. All-inclusive ist woanders. Unterwegs bittet José den Fahrer anzuhalten. Er hat einen Obststand entdeckt und möchte, dass wir mal „richtige“ Bananen probieren. Die Früchte sind außen goldgelb, und das Innere schmeckt süß und samtig – ohne den pelzigen Beigeschmack, den wir zu Hause kennen. Frische Früchte gehören hier genauso dazu wie Reis. Mehr als 7700 Hektar werden laut José damit bepflanzt. „Wir essen jeden Tag Reis. Wenn es zu Mittag keinen gibt, haben wir das Gefühl, dass etwas fehlt“, sagt er.

Im Tourismuskomplex Casa de Campo nahe La Romana an der Südküste ist die Natur üppig, aber künstlich angelegt. Die Ferienhausanlage wurde vor 40 Jahren von einer Familie aus Miami entwickelt. Wer hier Urlaub machen will, sollte über mehr als nur Kleingeld verfügen, wenn er eine der mehr als 1500 Villen mieten oder Golf spielen möchte. Bis zu 10.000 Dollar kostet die Miete für die Häuser, sagt Managerin Maria Perez – pro Tag! Wer eins kaufen will, sollte mehr als 20 Millionen Dollar lockermachen. Stars wie John Travolta, Shakira und Julio Iglesias besitzen hier Anwesen. Wenn Letztere gelegentlich Konzerte im Amphitheater mit 4000 Plätzen geben, haben sie es nicht weit. Für ein Essen im feinen Strandrestaurant reicht unser Geld aber, ehe es nach Punta Cana geht. An den Stränden im Nordosten gibt es mehr als 50 Hotels mit 30.000 Hotelbetten aller Kategorien. Ein paar Tage faules Strandleben sind jetzt perfekt.

An die Füße kommen jetzt nur noch Flip-Flops. Ja, auch mit denen kann man Merengue tanzen. Versprochen!