Märkte, Designerläden, Kaffeehäuser und Thermalquellen – das sind nur vier der guten Gründe, ein Adventswochenende an der Donau zu verbringen

Es ist ihm egal, ob es neblig ist oder die Sonne scheint. Er muss sie überprüfen. Zweimal pro Tag. Er macht es bereits in der dritten Generation. Janos Fazekas ist Kontrolleur von Budapests bekanntester Brücke – der Kettenbrücke.

Davon bekommen die Touristen in der Straßenbahnlinie 2, die am Donauufer entlangrattert, nichts mit. Heute sowieso nicht. Es ist zwar schon Dezember, aber es herrscht November-Wetter in der ungarischen Hauptstadt. Eine blaue Donau erwartet niemand, aber nicht mal eine graue ist zu sehen. Das andere Ufer, also Buda mit Burgpalast, Matthiaskirche und Fischerbastei, hüllt sich in einen dicken Nebelmantel. Aber die Touristen sind auch nicht zum Sightseeing gekommen. So etwas machen sie, wenn grüne Blätter an den Bäumen sprießen. Wer jetzt nach Budapest reist, der stöbert durch Boutiquen, gönnt sich in einem der Kaffeehäuser eine Dobos- oder Esterházy-Torte und schlendert über den Weihnachtsmarkt am Vörösmarty-Platz oder vor der Sankt-Stephans-Basilika.

Haltestelle an der Freiheitsbrücke. Die Touristen steigen aus, ziehen den Schal etwas enger um den Hals, die Mütze etwas tiefer ins Gesicht und strömen in Budapests zentrale Markthalle. „Es ist die größte von fünf Markthallen, die es in Budapest noch gibt“, berichtet Stadtführerin Eva Kleyer: „Alle sind mit einem unterirdischen Tunnel bis hinunter zur Donau verbunden. So konnten früher schnell die Waren von den Schiffen transportiert werden.“ Das mit Mosaiken und Keramik verzierte Jugendstilgebäude beherbergt über drei Etagen eine Mischung aus Markt und Einkaufszentrum. Die Besucher interessieren sich hauptsächlich für die typisch ungarischen Produkte: Paprika, Salami und Gewürze. Euro und Forint wechseln die Besitzer.

Im leichten Schneegrieseln bummeln die Touristen weiter durch die Fußgängerzone Váci utca. Vorbei an Designerläden, Boutiquen und üblichen Ladenketten. Gut „behütet“ gegen die Kälte werden sie bei V50 Hat & Fashion. Um die Ecke in der Nyáry Pál utca bieten zwölf Textil- und Schmuckdesignerinnen in der Eventuell-Galerie ihre Waren an. Szilvia Szigeti zeigt Ikat-Stoffe, Vorhänge, handgewebte Schals, Mützen, ausgefallene Ringe aus Papier oder Katzenhaaren. Seit rund 20 Jahren lebe man von Touristen und einer gewissen Stammkundschaft, meint Szilvia: „Es gab gute und schlechte Jahre. Leider überwiegen derzeit Letztere.“ Gleich nebenan im Kamchatka Showroom stellt Márta Schulteisz Damenbekleidung aus Wolle und Seide her und aus. Wie wäre es mit einem Paar Maßschuhe für den Herrn? In der Haris köz vertreibt László Vass die typischen Budapester Schuhe mit Lochmuster.

Inzwischen hat es angefangen zu regnen. Den Touristen ist nach einer Verschnaufpause in einem der Kaffeehäuser. Am Vörösmarty-Platz befindet sich das meist überfüllte Café Gerbaud von 1858, das als eines der wenigen die kommunistische Zeit überlebt hat. „Aber bitte mit Sahne“, heißt es auch im ruhigeren Central Kávéház. Ursprünglich eröffnet 1887, wurde es 1999 neu hergerichtet. Typisch ungarisch: die Dobos-Torte. Eine Art „kalter Hund“. Sie besteht aus mehreren abwechselnden Schichten Biskuit und Schokoladencreme mit Karamell-Glasur. „Benannt ist sie nach ihrem Erfinder Konditormeister József Dobos“, erzählt Eva Kleyer, „im Jahr 1885 entwickelte er das Rezept mit der Absicht, eine Torte zu schaffen, die bei damaliger Kühltechnik mehrere Tage ihre Form bewahren und genießbar sein sollte.“ Nicht ganz so alt, aber nicht weniger kalorienreich ist die mit hellgelber Buttercreme gefüllte Esterházy-Torte. Doch es gibt nicht nur traditionellen Kuchen in Budapest. In der Nähe der Großen Synagoge hat sich Konditorin Ráchel Flódnija im Café Noé Cukrászda mit ihrem „Flodni Cake“ aus Mohn, Walnüssen und Pflaumenmus einen Namen gemacht.

Aufgewärmt und gestärkt begeben sich die Touristen auf den Weihnachtsmarkt am Vörösmarty-Platz, und der Verzehr der Torten stellt sich sogleich als Fehler heraus. Es duftet nicht nur aus alten, urigen Töpfen nach Glühwein, sondern in der Mitte des Platzes reiht sich ein Essstand mit ungarischen Spezialitäten an den anderen. Hier gibt es Lángos, einen Brotfladen aus Kartoffelteig, der in Öl ausgebacken und mit Sauerrahm und Käse belegt ist. Dort köcheln Paprika-Gulasch und Krautwickel mit Schweinebraten. Ein Erbe aus der Türkenzeit sind Strudel gefüllt mit Kirschen, Quark, Mohn oder Süßkraut. Das typische Weihnachtsgebäck sind Kürtöskalács: Hefespindeln, die über glühenden Kohlen kross gebacken werden. Anschließend wird der Baum- oder Schornsteinkuchen mit Butter bestrichen und in einer Zimt-Zucker-Mischung gewälzt.

Bereits zum 16. Mal seit der Wende findet der Budapester Weihnachtsmarkt, der Karácsonyi Vásár, am Vörösmarty-Platz statt. Nicht wegen seiner Größe, aber wegen seines Kunsthandwerks wurde er als einer der schönsten Europas ausgezeichnet. Kitsch und Industriewaren sind verpönt. In den 100 Holzpavillons sind nur handwerklich gefertigte Artikel im Angebot.

Simon Kriszta bastelt Teddybären. „Sie sind aus synthetischen Fasern, da sie waschbar sein sollen“, sagt Simon: „Die Herstellung eines Petzes dauert je nach Größe circa acht Stunden.“ Reißenden Absatz findet natürlicher Dekoschmuck bei Peter Sziffer: „Ab August trocknen wir Paprika, Orangenscheiben und Lorbeerblätter und formen daraus zusammen mit Zimtstangen Tischverzierung und Wandbehänge.“ Schon über zehn Jahre hat Maria Kovács während der Adventswochen ihren Blaufärber-Stand geöffnet. „Ungardeutsche brachten diese Technik ins Land“, sagt die Unternehmerin, die flussabwärts im Künstlerort Szentendre eine Firma besitzt: „Seit 1878 stellt unser Familienbetrieb mit Indigo gefärbte Stoffe her. Frauen aus dem Ort nähen daraus Tischdecken, Topflappen, Schürzen und Kleider.“

Langsam wird es dunkel. Was wäre ein Tag in Budapest ohne einen musikalischen Ausklang? In der im Neorenaissance-Stil erbauten Staatsoper finden allabendlich Konzert-, Ballett- oder Opernaufführungen statt. Weihnachtliche Musikdarbietungen gibt es in der Matthias-Kirche im Burgviertel in Buda oder in der größten Kirche der Stadt, der Sankt-Stephans-Basilika in Pest.

Doch was machen die Touristen, sollte es am nächsten Tag wieder regnen? Kein Problem: Die ungarische Hauptstadt ist die Stadt der Thermalbäder. Vielleicht etwas antiquiert, aber interessant sind die altehrwürdigen öffentlichen Bäder. Das bekannteste ist das Gellért-Bad, das sich seit 1918 in der Nähe der Freiheitsbrücke befindet. 1913 eröffnete das riesige Széchenyi-Bad im Stadtwäldchen. Auch ohne Berührung mit dem warmen Nass nur über das Gelände zu flanieren und den Einheimischen bei Schachspiel und Picknick im Wasser zuzusehen lohnt den Eintritt.

Brückenmeister Janos Fazekas ist das Wetter ziemlich gleichgültig. Er kontrolliert auch morgen die Kettenbrücke. Wie jeden Tag.