In der Gluthitze Sulawesis schauen wir nach dem Marktbesuch gelangweilt auf diese schedderige Bretterbude. Mit verblichenen Hochzeitsfotos aus einer scheinbar längst vergessenen Zeit, gefangen hinter Resten milchiger Fensterscheiben. „Wer da reingeht, hat echt Mut“, sagt unsere Reiseleiterin beiläufig, als wir auf die Letzten unserer Gruppe warten. Und da passiert es: Irgendetwas zieht mich hinein in den schrägen Laden. Drinnen ist es finster. Ein Stuhl und ein Spiegel tauchen schemenhaft auf, als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Alles, was ein Friseur braucht, denke ich, als eine pralle junge Frau hinter einem Vorhang erscheint. Glutrote Lippen und nachtblauer Lidschatten verleihen ihr eine gewisse Strahlkraft. Sie begrüßt mich mit einem Lächeln. „I need my hair cut“, sage ich. Sie drückt mich wortlos in den mächtigen Stuhl, ich sinke unter einem schwer parfümierten Seidenumhang in die Polster. Schnell sende ich ein Stoßgebet gen Himmel, dass alles gut werden möge, als mir die Dame vom anderen Stern mit schwerem Gerät auf die Pelle rückt. In Windeseile rauschen die Locken zu Boden, unter meinen grauen Schläfen wird es ratzfatz kahl. Nackte Kopfhaut, zartrosa. Gesehen, nicht geträumt. Unfassbar! „Stopp!“, rufe ich in den Raum und versuche zu retten, wo nichts mehr zu retten ist. Hilfe suchend schaue ich mich um: kein Mensch weit und breit. Schicksalsergeben sinke ich dahin. Mit geschlossenen Augen sehne ich mich nach Bruno, meinem italienischen Barbiere vom Urlaub am Gardasee. Wenn Bruno, ein feinsinniger Mann, mein Haar in Form bringt, erfahre ich alles, was ich wissen muss. Über das Dorf, die Menschen, den See, Italien, Fußball, wir reden über die ganze Welt. Aber hier? Schnitt, Sendepause! Und dann denke ich an Steffi, meine Hamburger Friseurin. Seit Jahren eng vertraut. Wie soll ich ihr das hier erklären? Jetzt rückt man mir auch noch mit einer Rasierklinge zu Leibe. Diese Wahnsinnige schält mir förmlich den Nacken. Ratzekahl. Rette sich, wer kann! Ich erhebe mich, werfe einen flüchtigen Blick in den Spiegel – gar nicht so schlecht. Eins-a-Herrenhaarschnitt, Asian style. Mit Blitzkante dort, wo meine Kopfhaut bisher ein Schattendasein führte. Ich lächle verlegen, runde den Preis von 2,30 auf drei Euro auf – und verschwinde.

Sechs Wochen später in Hamburg. „Wo warst du denn?“, fragt Steffi erschrocken. „Ach, ich bin fremdgegangen – Sulawesi.“ „Sula was?“, fragt Steffi. „Sulawesi. Am anderen Ende der Welt.“ Ich zeige auf den Boden. „Es ist so passiert.“ Steffi mustert mich. „Mmh. Na, dann komm mal im neuen Jahr vorbei. Dann können wir die Spitzen schneiden.“