In der Provinz La Rioja können Besucher im Herbst von Bodega zu Bodega pilgern, viele Köstlichkeiten probieren und an der Weinstraße alte Klöster und zauberhafte Dörfer entdecken

Felix Barbero streichelt das Ziegenleder, aus dem er Botos schneidert, derbe Weinschläuche, wie sie in der alten Zeit nicht nur zur Ausrüstung der Ziegenhirten gehörten. Seit 1850 leben die Barberos von diesem Handwerk. Heute sind sie die Letzten ihres Fachs im Norden Spaniens. Immerhin wird Sohn Ivan, fünfte Generation, demnächst die Tradition in der kleinen Werkstatt im Städtchen Logroño fortsetzen. Kunden aber sind schon lange nicht mehr die Hirten der Umgebung, sondern die Touristen aus aller Welt.

Lola Moreño bemalt und brennt Karaffen und Krüge, wie sie früher in allen Haushalten der Rioja auf den Regalen standen, kleine für den Mittagstisch, große für die Vorratskammer. Die klassischen Motive, florale Muster oder Trauben, wie sie in der Familie schon im 18. Jahrhundert üblich waren, sind heute für Besucher aus Madrid oder Tokio Grund genug, den Weg ins Dorf Navarrete zu suchen.

Noch viel tiefer, und das gleich im doppelten Sinne, tauchen wir ein in die Geschichte der berühmtesten Weinregion des Landes. Der Keller der Bodega Marqués de Arviza in Fuenmayor bei Logroño liegt 15 Meter unter einem noblen Herrenhaus; die ersten Fässer wurden dort im Jahr 1492 gelagert, als sich Kolumbus auf den Seeweg nach Indien machte und dabei versehentlich Amerika entdeckte. Heute zeigt Antonio Ruiz Clavijo, ein Herr, der gut in die Mitte des 19. Jahrhunderts gepasst hätte, als dieser Betrieb gegründet wurde, seine Schätze. Zum Beispiel einen Reserva, wie ihn Ex-König Juan Carlos seit Jahren schätzt.

Die Brüder Ignacio und Carlos Echapresto, der eine Koch, der andere Kellner, begeistern zwar erst seit 1997 anspruchsvolle Gäste im Restaurant Venta Moncalvillo. Aber ihr Lokal, über dem neuerdings ein Michelin-Stern leuchtet, war einst eine Postkutschenstation, vor 500 Jahren schon. So lange wohnt der Echapresto-Clan in diesem Steinhaus im Dörfchen Daroca, das 23Einwohner zählt, aber täglich essen dreimal so viele Gäste im schlicht- coolen Gourmettempel.

Katharina Gachnang aus der Schweiz betreibt ihren Reitstall gerade erst seit 27 Jahren in den Weinbergen bei Navarrete – mit Blick auf diesen hoch gelegenen Ort, der wie auf alten Stichen wirkt. Manchmal entschließen sich Pilger, die hier auf einer Etappe des Jakobsweges wandern, spontan zu einem Ritt durch die Weinberge. Bei einem guten Tropfen wird anschließend auf der Terrasse von Katharinas Finca über Pferde und Wein, über Gott und die Welt geredet.

Sie alle, der Botero, die Keramikerin, die Granden der Bodegas, die Sterne-Wirte und die Reiterin, prägen diese Region, deren Name allein schon den Gaumen kitzelt. La Rioja ist inzwischen fast ein Synonym für spanischen Wein. Zwar ist etwa La Mancha mit 190.000 Hektar Anbaufläche gut dreimal so groß, aber die Winzer aus dem Norden, dem grünen Spanien, haben es mit innovativen Ideen geschafft, ihre Region den Weinliebhabern in aller Welt schmackhaft zu machen. Mehr als 500 Güter, Bodegas, wie man sie in Spanien nennt, pflegen sehr unterschiedliche Stile in Auftritt und Vermarktung: einige schick und stylish wie Ontañon oder Juan Alcorta, die meisten eher klassisch-konservativ, zumeist Familienbetriebe wie Marquéz de Arviza. Viele stehen für Besichtigungen und Verkostungen offen, bei denen Grundbegriffe über Tempranillo, die klassische Rioja-Rebe, über Crianza, Reserva und Barrique-Ausbau vermittelt werden. Aber alle, ob Anfänger oder alte Weinnasen, finden in der Rioja auch abseits der Rebstöcke Erstaunliches.

Denn in der kleinen Provinz mit dem bekannten Namen, zwischen Baskenland, Aragon und Kastilien-León gelegen, lassen sich noch ganz andere Schätze heben. Zum Beispiel Klöster aus dem Mittelalter wie in San Millán de la Cogolla, Welterbestätte, eingebettet in schöne Berglandschaft, Städte wie Logroño, in deren autofreien Gassen Einwohner und Gäste jeden Abend zum Pinchos-Bummel aufbrechen, einer Tapas-Tour von einer Theke zur nächsten: hier Carpaccio von Schweinsohren probieren, dort Lammkoteletts, auf Weinranken gebraten. Zu einer so bodenständigen Fiesta für alle Sinne passen junger Wein oder frisches Bier.

Auch ein paar kuriose Blüten treibt der Weinkult neuerdings in Logroño. So lassen sich am Morgen nach der Tapas-Sause vor allem Touristen im Saline Spa in der Neustadt gern mit Traubenschalen und Mandelöl massieren. Macht erst wohlig müde, weckt dann aber, nach einem Glas Traubensaft mit Zimt, rasch wieder die Lebensgeister.

Typischer für die Rioja aber sind die vielen stillen Orte an der Ruta del Vino und ihren Seitensträngen, zum Beispiel San Vicente de la Sonsierra, ein mittelalterliches Dorf aus dem zwölften Jahrhundert, hoch über einem Fluss und der lieblichen Rebenlandschaft gelegen. Morgens zuschauen, wie das Dorf sich für den Tag rüstet. Wie die Plaza vor dem sehr kleinen Rathaus mit Hingabe gefegt wird, wie sich eine Señora, die die Schilder vor ihre Weinladen aufstellt („Vino se vende“), über ein Kompliment zu ihrem üppigen Blumenschmuck an der Hausfassade freut.

Den Tag in diesem Ort lassen Genießer bei Toni ausklingen, in seinem Restaurant neben dem angenehmen Boutique-Hotel Villa Sonsierra. Wem die Brüder Echapresto und ihr Sterne-Lokal zu abgehoben sind, der wird sich in der Casa Toni wohler fühlen. Auch hier ist das Ambiente modern und das Angebot, neben spanischen Klassikern, durchaus ambitioniert, aber die Menüs und die Weine aus der Nachbarschaft deutlich moderater kalkuliert. Und das Bett wartet, wie in vielen Orten an der Weinstraße, nur ein paar Schritte entfernt.