23 Hotels der Provinz in Nordfrankreich wollen deutsche Touristen anziehen und überwinden sogar die Sprachbarrieren

Kühe, Obstbäume, grüne Weiden und Felder, so weit das Auge reicht. Wer nicht weiß, dass er sich in der Normandie im Norden Frankreichs befindet, könnte denken, er sei in der norddeutschen Tiefebene gelandet. Doch beim genauen Hinschauen werden die Unterschiede klar: zum Beispiel die schwarzen Flecken um die Augen der normannischen Rinder, von denen es in der Provinz um die zwei Millionen geben soll, sodass auf jeden Einwohner eine Kuh kommt. Oder die sauren Cidre-Äpfel an den Bäumen, die von ihrer Größe her eher an Aprikosen erinnern und zum unbehandelten Verzehr ungeeignet sind. Doch die Straßen entlang der weitläufigen landwirtschaftlichen Nutzflächen sind nur die Wege zu den wahren Attraktionen der Normandie: den vielen romantischen Dörfern und kleinen Ortschaften mit mittelalterlichem Flair, alten Fachwerkhäusern, Kirchen und Abteien. Eingebettet in eine urtypische Landschaft, die reich ist an Destillerien, Landsitzen, Gestüten, Käsereien, Schlössern und Museen.

Das Gebiet gliedert sich in das der untere Seine (die heutige Region Haute-Normandie) nördlich von Paris und das Land in Richtung Westen (die Region Basse-Normandie). Bisher haben die Reiseweltmeister aus Deutschland den Charme dieses Fleckchens Erde nicht so intensiv erforscht wie andere Regionen Frankreichs. Die Normandie wird oft nur auf der Durchreise angeschaut, bevor es weitergeht in Richtung Bretagne oder südliche Atlantikküste. Woran zum einen das Klima schuld sein könnte: Selbst im August liegt die Durchschnittstemperatur nur bei 16,8 Grad. In der Region gilt jedoch das Sprichwort: „In der Normandie gibt es mehrmals täglich gutes Wetter.“ Grund hierfür ist der Wind von der See, der Regenwolken auch schnell wieder wegpustet. Grundsätzlich ist das Klima mild und feucht. Im Winter gibt es somit für gewöhnlich nur wenige Frosttage und nur sehr selten Schnee.

Der 8000-Einwohner-Ort Honfleur ist das drittmeistbesuchte Ziel Frankreichs

Zudem befürchten einer Studie zufolge viele Deutsche gerade in ländlichen Regionen Sprachbarrieren. Doch das soll sich nun ändern. Insgesamt 23 Hotels haben in diesem Jahr die Initiative „Willkommen in der Normandie“ ins Leben gerufen. Sie verpflichten sich, Korrespondenz auf Deutsch per E-Mail, Telefon und vor Ort sicherzustellen sowie deutschsprachiges Informationsmaterial vor Ort anzubieten. „Es gibt eine Reihe von Kriterien, die erfüllt werden müssen. Sie umfassen eine Affinität zum deutschen Kunden und dessen Sprache sowie das Wissen um seine Gewohnheiten“, sagt Anja Friedrichs vom Tourismusverband der Normandie.

Eines dieser Hotels ist das Le Bellevue im Departement Calvados in Villerville an der 600 Kilometer langen Nordküste, die von Betonexzessen wie anderswo fast gänzlich verschont wurde. Direktor der 100 Jahre alten normannischen Villa ist Roland Domen, ein gebürtiger Niederländer. Er spricht nahezu perfekt Deutsch und erklärt erst einmal, was es mit dem „Normannischen Loch“ auf sich hat. „Der in der Region beheimatete Cidre-Schnaps Calvados wird bei uns so bezeichnet, da er nach dem Essen genossen in vollen Mägen ein Loch schafft, sodass Platz für das Dessert geschaffen wird.“ Domens Hotel gehört zu den „Charmanten Hotels der Normandie“, einer Vereinigung, die vom Tourismusverband im Jahr 1991 gegründet wurde und heute 63 Mitgliedsbetriebe zählt. Alle diese Unterkünfte haben sich auf die Fahnen geschrieben, ihren Gästen durch die Harmonie des Gebäudes, die Dekoration, das Mobiliar sowie die Qualität und Herzlichkeit des Empfangs einen gewissen Charme zu garantieren. Über die Zulassung der Hotels entscheidet eine fachkundige Jury bestehend aus Journalisten sowie Experten aus dem Tourismus- und Einrichtungsbereich.

Und direkt um die Ecke liegt mit Honfleur ein mittelalterliches 8000-Einwohner-Städtchen, das auf den ersten Blick an eine Mischung aus Kopenhagen und Amsterdam erinnert. In Deutschland nur wenig bekannt, ist das Örtchen dennoch das drittmeistbesuchte Ziel in ganz Frankreich: Bis zu drei Millionen Touristen kommen jedes Jahr hierher, wo die Seine in den Ärmelkanal mündet. Die Fachwerk- und Schindelhäuser, die verwinkelten Gassen des alten Viertels Enclos, der alte Hafen mit den von schmalen, hohen Häusern gesäumten Kais und das steil ansteigende Viertel Ste-Cathérine sind bestaunenswert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich eine regelrechte Künstlerkolonie in Honfleur gebildet, auch heute noch stehen die Maler am Kai des Hafenbeckens, zahlreiche Galerien und Ateliers säumen die Wege.

Auch die wuseligen Städte Rouen und Caen haben malerische Züge

Beim sonnabendlichen Markt wird auf den Straßen gekocht, dass einem das Wasser im Munde zusammenläuft. Die Austern, die auf den Teller kommen, werden direkt vor der Tür im Meer geerntet und könnten frischer nicht sein. Die Grillhähnchen sind doppelt so groß wie die in deutschen Imbissen, und um sicherzustellen, dass es sich wirklich mal um ein Tier gehandelt hat, wird der Kopf seitlich angenäht und mitgeröstet. Und wer auf Käse steht, kann sich einer riesigen Auswahl glücklich schätzen.

Ein Meisterwerk der Ingenieurbaukunst ist die 1995 eingeweihte Pont de Normandie, die Honfleur und die Stadt Le Havre verbindet, eine der längsten Brücken Europas. Doch Honfleur hat sich auch etwas äußerst Mittelalterliches bewahrt, weiß Oleksanrd Ysoyev, der deutschsprachige Guide des Tourismusbüros: „In einigen Hinterhöfen leiten Anwohner noch heute ihr Abwasser in die Kanäle, Schilder weisen dann auf die Ungenießbarkeit des Wassers hin.“

So manches Mal kommt es einem wirklich vor, als sei die Zeit in der Normandie stehen geblieben. Würden nicht ab und an ein paar Autos durch die 129-Seelen-Gemeinde Saint-Céneri-le-Gérei rollen, fühlte es sich hier an wie im 19. Jahrhundert. Dieses Dorf liegt im Sarthe-Tal im äußersten Süden der Region im Departement Orne, knapp 200 Kilometer westlich von Paris, und gehört offiziell zu den schönsten Dörfern Frankreichs. Steinhäuser, eine Steinbrücke, die den Fluss überquert, eine romanische Kirche und eine Kapelle aus dem Jahr 1360. Hier hätten immer nur arme Leute gelebt, es gäbe keinen fruchtbaren Boden, so hätte sich das Dorf nicht weiterentwickelt, erzählt Bernard Le Royer, der in Saint-Céneri seit Jahrzehnten sein Zuhause hat. Eigentlich sehe es hier noch exakt so aus wie im Jahr 1850.

Wer es trubeliger mag, kann sich auch zu den touristischen Hotspots der Normandie begeben: zur Abtei Mont-Saint-Michel auf einer Felseninsel, zu den Landungsstränden der Alliierten im Zweiten Weltkrieg oder den steilen Felsklippen von Etretat. Auch die wuseligen Städte Rouen und Caen haben malerische Züge. Doch die Geheimtipps sind die kleinen Örtchen wie das Blumendorf Lyons-la-Foret, Le Bec-Hellouin mit der fast 1000 Jahre alten Benediktinerabtei oder Beuvron-en Auge mit seinen Fachwerkhäusern, die sich oft unscheinbar im Landesinneren verstecken und eines gemeinsam haben: einen Charme, der verzaubern kann.