Ein Einkaufsbummel durch Wiens edlen ersten Bezirk. Im Goldenen Quartier gibt es viele Geschäfte, in denen der Kaiser Kunde war. Oder dessen Frau

Sie wusste, dass es ihr Job war, bei Hofe eine gute Figur zu machen. Und deshalb soll sie andauernd irgendeine Diät gemacht haben. Und als sie dann noch ein Fitnessstudio, na ja zumindest eine Sprossenwand, in ihren Gemächern einrichten wollte, soll sie mit dieser Idee manchen Bediensteten zum Schwitzen gebracht haben.

Doch es gab auch einige Momente, in denen gelüstete es selbst die Kaiserin Elisabeth von Österreich nach etwas Süßem. Allerdings nicht nach irgendetwas Süßem, sondern nach dem kalorienarmen Veilcheneis der Konditorei Demel. Umgehend musste dann ein Angestellter des Hofzuckerbäckers mit einer Portion des lilafarbenen Sorbets in die Hofburg oder auch mal ins Burgtheater zur Kaiserin eilen.

Heute eilen die Gäste scharenweise an den Kohlmarkt in die Traditionskonditorei Demel, die mittlerweile auch eine Filiale in New York unterhält, um in den Rokoko-Salons eine Kugel Eis oder auch kandierte Veilchen, eine weitere von Sisis Lieblingsnaschereien, zu kosten. Denn wer nach Wien reist, der hat immer auch ein bisschen Sisi im Kopf und dabei Romy Schneider vor Augen. Und darauf setzen die Hauptstädter in Österreich auch. Oder wie der Kabarettist Karl Farkas einst meinte: „Wir Wiener blicken vertrauensvoll in die Vergangenheit.“ Grund genug also, sich auch beim Einkaufsbummel auf die Spuren jener Stil-Ikone zu machen, die rückblickend als „Lady Di der Habsburger“ gilt: Shopping mit Sisi also. Und die Liste der Läden ist lang, denn im eleganten Goldenen Quartier in Wiens erstem Bezirk gibt es noch heute viele Geschäfte, in denen einst der Kunde Kaiser war. Oder eben Franzls schöne Frau.

Eine reine Männerangelegenheit war allerdings Scheer an der Bräunerstraße, mittlerweile Schuhmacher in siebter Generation. 1873 hatte Rudolf Scheer mit seinen Schuhen die Goldene Medaille der Wiener Weltausstellung gewonnen, bei Hofe wurde man auf den talentierten Mann aufmerksam und ernannte ihn fünf Jahre später zum kaiserlich-königlichen Hoflieferanten – ein Titel, der bis heute Kunden aus aller Welt anzieht. Rudolf Scheer fertigte die hohen Reitstiefel für die Offiziere des K.u.k.-Heeres und auch für Kaiser Franz Josef höchstpersönlich. „Vermutlich war Rudolf der einzige Mensch, der dem Kaiser den Rücken zuwenden durfte“, sagt Mitarbeiter Daniel Stifter ein bisschen stolz, während er die Werkstatt zeigt. „Denn das war ja nun mal notwendig, um den Fuß des Kaisers exakt zu vermessen.“

Der damals für den Kaiser angefertigte Leisten, ein Formstück aus Holz, das in seiner Größe vermutlich einer heutigen 43/44 entspricht, wird wie ein Schatz im Atelier bei Scheer gehütet und nur auf besondere Nachfrage behutsam präsentiert. Bis heute gilt: Das Maßnehmen findet ausschließlich im Stammhaus in Wien statt. In etwa 90Stunden Hand- und Maßarbeit entsteht dann ein individuell gefertigtes Paar Schuhe, das das Konto des künftigen Trägers um etwa 5000 Euro erleichtert. Daniel Stifter führt die Besucher an Regalen voller Leisten vorbei in einen kleinen, aber mit feinen Materialien bestückten Raum: 10.000 verschiedene Leder lagern dort, manche mehr als 100 Jahre alt. „Auf Wunsch fertigen wir auch Schuhe aus Krokodilleder“, sagt Stifter. Aber das beliebteste Leder für gute Schuhe sei nach wie vor das butterweiche Kalbsleder.

Das Sortiment des alteingesessenen Wiener Familienbetriebs hat sich mit der Zeit verändert, auch Handyhüllen und demnächst auch Damenhandtaschen gehören dazu, aber der Leitspruch aus Gründerzeiten, der bleibt. „Wir sagen immer: Hauptsach’, die Schuh passen“, sagt Daniel Stifter mit einem Lächeln.

Sisi hatte also bei Scheer wenig zu suchen, weil es für die Dame von Welt dort nichts zu finden gab. Ganz anders sah es beim Juwelier Köchert am Neuen Markt aus. Denn zu dessen funkelnden Auslagen gehört eine Weisheit, die damals wie heute ungefähr so perfekt passt wie ein Paar Schuhe von Scheer: „Diamonds Are A Girl’s Best Friend.“

Über den einflussreichen Fürsten Metternich waren der aus Riga stammende Jakob Heinrich Köchert und dessen Geschäftspartner, der Goldschmied Emanuel Pioté, einst an einen ersten kaiserlichen Auftrag gelangt: Eine Golddose für den türkischen Botschafter sollten sie fertigen. Die Arbeit muss gelungen sein, denn kurz darauf wurde die Firma zum kaiserlichen Hofjuwelier ernannt. „Das war schon großartig, aber Lieferanten gab es viele. 1868 wurde mein Urururgroßvater dann kaiserlicher Kammerjuwelier und war ganz allein für die Schatzkammer des Kaisers verantwortlich – eine viel beneidete Aufgabe“, sagt Christoph Köchert, der das im Originalinterieur erhaltene Geschäft mit seinem Cousin Wolfgang führt. Bruder Florian verkauft Preziosen in der Dependance in Salzburg, wo gerade im Sommer zu den Festspielen internationale Kundschaft anreist.

Mit einem Vorfahren der drei Herren, mit Alexander Emmanuel Köchert, hatte Kaiser Franz offenbar so eine Art Deal von Mann zu Mann. Denn Sisi suchte sich gern bei dem, was man heute Shoppingtouren mit Freundinnen nennt, das eine oder andere Schmuckstück aus. Und um zu garantieren, dass Kaiser Franz auch genau den Geschmack seiner Gattin trifft, platzierte der Juwelier Sisis Favoriten stets rechts unten auf dem Samttablett, wenn er dem Kaiser eine neue Auswahl funkelnder Ketten, Ohrringe und Armreifen präsentierte.

Alexander Köchert war es auch, der eine Serie von Brillantsternen entwarf, die die junge Sisi kunstvoll in ihr langes Haar flocht. Franz Xaver Winterhalter hielt dies in seinen Ölgemälden fest – und die „Sisi-Sterne“ wurden in ganz Europa en vogue und avancierten zu den bis heute berühmtesten österreichischen Schmuckstücken.

„Viele Kunden, die heute zu uns in den Laden kommen, fragen natürlich nach den Sisi-Sternen“, sagt Christoph Köchert. Getreu nach den Originalentwürfen würden sie noch heute gefertigt. Preis? Je nach Größe. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. „Ein Einsteigermodell bekommen Sie aber schon für 300 Euro“, sagt Christoph Köchert, als spräche er über einen Kleinwagen ohne die ganzen Extras. Überhaupt ist der Juwelier, der jetzt im Oktober eine Ausstellung anlässlich des 200-jährigen. Firmenbestehens zeigt, sehr sympathisch und unprätentiös. Wie selbstverständlich zeigt er historische Broschen, wertvolle Ketten und glitzernde Diademe. Man dürfe sie auch vorsichtig anfassen, sagt er. „Oder sie sich für die eigene Hochzeit leihen.“ 700 Euro kostet es, sich für ein paar Stunden wie eine echte Prinzessin zu fühlen.

Das gelingt auch bei Lobmeyr, dem weltbekannten Wiener Handelshaus für Glaswaren an der Kärntner Straße. Selbstverständlich ist der Familienbetrieb, der in sechster Generation geführt wird, auch ein früherer Hoflieferant des habsburgischen Kaiserhauses.

1883 entwickelte Lobmeyr unter Mitarbeit von Thomas Alva Edison die ersten elektrischen Kristallluster – weltweit eine Sensation – für die Wiener Hofburg. Heute zieren die teils extravaganten Luster aus dem Hause Lobmeyr die Wiener Staatsoper, aber auch die Met in New York – und neuerdings auch die 143 edlen Zimmer des Luxushotels Park Hyatt Vienna, das Anfang Juni Am Hof, in einem denkmalgeschützten, ehemaligen Bankhaus, eröffnet wurde. In den umliegenden Einkaufsstraßen des ersten Bezirks liegen zwischen Hofburg und dem imposanten Stephansdom nicht nur die Geschäfte der einstigen Hoflieferanten, sondern auch jene, die heute den europäischen Adel und wohl auch den Geldadel ausstatten: Prada, Louis Vuitton, Armani.

Wer sich nach einem anstrengenden Einkauf erholen will, könnte im Badeschiff „Holy Moly“ auf der Donau einkehren. Oder man schwimmt gleicht eine Runde, und zwar wie Dagobert Duck im Geld. Oder jedenfalls in einem Pool, dessen Fliesen aussehen wie Goldbarren. Denn der Spa-Bereich des Park Hyatt ist in dem ehemaligen Tresorraum der Bank untergebracht, die original erhaltene Stahltür wiegt drei Tonnen. „Wir zeigen den Gästen das alte Wien in neuem Glanz“, sagt die aus den Niederlanden stammende Hoteldirektorin Monique Dekker. Ein paar Meter weiter, im Flur vor den Konferenzräumen, grüßt Kaiser Franz Joseph als Marmorstatue. „Er ist hier früher auch ein und aus gegangen“, heißt es. Und die Sisi bestimmt auch.