In der Bodensee-Region werden mittlerweile edle Tropfen produziert. Damit wollen die dort ansässigen Winzer jetzt auch stärker bei den Touristen punkten

Blaue und grüne Trauben hängen prall an den Rebstöcken, die in schnurgeraden Reihen bergabwärts ziehen. Unten im Bodensee spiegelt sich der blaue Himmel. Oben auf dem Hügel knattert ein Traktor vorbei, den Anhänger beladen mit Kisten voller Trauben. In der südlichsten Weinregion Badens hat die Lese begonnen.

Jahr für Jahr werden am Bodensee rund fünf Millionen Liter Wein produziert. Seit mehr als 1000 Jahren hat der Weinbau hier Tradition, spielt im Tourismus jedoch eine untergeordnete Rolle. Dabei ist er eine Bereicherung jeder Bodenseereise. Außer den zahlreichen Kulturdenkmälern in der Region kann man nämlich auch Winzergüter besuchen, um dort an Verkostungen, Weinwanderungen, Weinseminaren oder kulinarischen Weinabenden teilzunehmen.

Und das lohnt sich. Denn während die Devise der Weinbauer lange „Quantität statt Qualität“ hieß, brachte ein Generationswechsel vor einigen Jahren einen beachtlichen Qualitätsschub mit sich. Heute finden die Weine vom Bodensee – der elegante Müller-Thurgau, der leichte Weißherbst und die rassigen Burgunderweine – überall Anerkennung. Sogar die französischen Nachbarn haben sich schon neidisch nach dem Geheimnis des Erfolgs erkundigt.

Einen wesentlichen Aspekt spielt die geografische Lage der Weinbau-Region. Die seinerzeit vom Rheintalgletscher geformten Hügel mit ihrer oft ziemlich steilen Stirn bieten der Sonne viel Fläche, die Böden aus kalkhaltigem, sandigem Lehm sind leicht und wasserdurchlässig. Darüber hinaus wirken die Wassermassen des Sees wie ein Wärmespeicher, der die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter reguliert. Und weil die 536 Quadratkilometer große Wasseroberfläche die Sonnenenergie in die nahen Weinberge reflektiert, gedeihen hier, zwischen 400 und 500 Meter über dem Meeresspiegel, auch empfindliche und wärmeliebende Weinreben.

Um die Weinregion auch touristisch zu vermarkten, haben sich vor Kurzem Winzer aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein zum Netzwerk „Weinregion Bodensee“ zusammengeschlossen. Grenzübergreifend werden Angebote rund um den Wein geplant und umgesetzt – das aktuellste Projekt ist ein Geocaching, eine Art Wein-Schatzsuche per GPS, die gerade begonnen hat. Auf der Homepage www.weinregion-bodensee.com stellen sich rund 160 Winzer vor, die auf ihren Weingütern Touristen empfangen.

Manche vermieten auch Ferienwohnungen, etwa Joseph Gierer. „Die Verbindung von Wein und Gast ist etwas besonders Schönes“, sagt er. Sein Winzerhof liegt in Nonnenhorn, am bayerischen Ufer des Bodensees. Im Garten und auf den Balkonen blüht es üppig, dahinter erheben sich die Weinberge der Familie, die hier seit 300 Jahren ansässig ist. Neben fünf Ferienwohnungen gibt es auf dem Weingut auch eine Vinothek, in der man die Erzeugnisse des Winzers kosten und erwerben kann:, darunter der Jo Secco, ein Sekt aus der Johanniter-Traube und seinem preisgekrönten Müller-Thurgau. Die moderne Vinothek wurde 2010 mit dem Architekturpreis Wein ausgezeichnet. Der erst im Juni bezogene Erweiterungsbau des Weinguts Schmidt hätte ebenfalls eine Auszeichnung verdient.

Auch Bernhard Prinz von Baden bietet auf seinem Weingut Führungen an

Der fast futuristisch anmutende Bau aus heimischem Holz thront auf dem höchsten Hügel der Gegend und ist umgeben von den Weinbergen der Familie. Eugen Schmidt führt den 15 Hektar großen Betrieb (davon acht Hektar Wein) zusammen mit seiner Frau Margret und den Söhnen Maximilian und Sebastian. Ihre Spitzenreiter sind Müller-Thurgau sowie Weiß-, Grau- und Spätburgunder. Oben auf dem Berg haben die Gäste von Biergarten und Gasträumen einen spektakulären Ausblick auf den See. Als „Besenwirtschaft“ dürfen die Schmidts hier von Mai bis September ihre selbst produzierten Speisen und Weine anbieten. Danach öffnet ihre Wirtschaft im nahen Wasserburg, wo der Stammsitz sowie drei Ferienhäuser liegen.

Besonders schöne Seesicht haben die Besucher des im 18. Jahrhundert hoch über dem Bodensee errichteten Staatsweingutes Meersburg. Das zu seinen Füßen gelegene mittelalterliche Meersburg mit seiner markanten Burg und den ansehnlichen Gassen gehört zum Pflichtprogramm eines jeden Bodenseeurlaubers. Doch auch ein Besuch des Staatsweinguts lohnt sich: Der mächtige Weinkeller wurde von Fürstbischof von Stauffenberg im früheren Stadtgraben errichtet; er ist wohl der einzige Weinkeller mit Seeblick. Wem nach der Verkostung von Müller-Thurgau, Weißherbst, Blanc de Noir und Pinot Brut Rosé der Sinn nach fester Nahrung steht, sollte unbedingt in der Gutsschänke nebenan einkehren und sich, wenn möglich, auf der Terrasse einen Platz mit Aussicht sichern.

Danach bietet sich an, die „Schönste Weinsicht Badens“ zu erwandern. Mit diesem Prädikat hat das Deutsche Weininstitut 2012 einen Höhenweg nahe Meersburg ausgezeichnet. Der etwa dreistündige Spaziergang führt durch Weinberge zum Ehrenmal Lerchenberg, von dem aus man einen imposanten Panoramablick auf das Städtchen Meersburg, einen kleinen Yachthafen, den Überlinger See (so nennt sich der nordwestliche „Finger“ des Bodensees) und die Berge am anderen Ufer hat.

Das Weingut Markgraf von Baden bietet statt Ausblick überwältigende Einblicke – nämlich in das historische Ambiente von Schloss Salem, in dem die Weine ausgebaut und gelagert werden. Das ehemalige Zisterzienserkloster ist eines der eindrucksvollsten Kulturdenkmäler am Bodensee und Sitz von Maximilian Andreas Markgraf von Baden und seiner Frau Valerie Isabella. Wegen der hohen Unterhaltungskosten (drei Millionen Euro im Jahr) haben sie den größten Teil der Schlossanlage 2009 an das Land Baden-Württemberg verkauft. Die Geschäfte leiten die Söhne Bernhard und Michael . „Wir bieten seit April täglich Führungen durch Schloss und Weinkeller an, um die Themen Wein und Kultur zu verknüpfen“, sagt Bernhard Prinz von Baden. Damit wolle man zuverlässig buchbare Angebote schaffen, die – anders als bei vielen kleineren Winzern – nicht abhängig sind vom Wetter und dem Rhythmus eines landwirtschaftlichen Betriebes.

Zum Schloss am Bodensee gehören 110 Hektar Rebfläche. Pro Jahr werden etwa 800.000 Liter Wein produziert, die in den mächtigen Tanks und Fässern im Schlosskeller lagern. Ein Teil des Weines stammt von den Hängen unterhalb der Basilika Birnau, die auf jeden Fall einen Abstecher wert ist. Die barocke Wallfahrtskirche nahe Uhldingen-Mühlhofen wurde von 1746 bis 1749 von Baumeister Peter Thumb und den Künstlern Gottfried Bernhard Göz und Joseph Anton Feuchtmayer errichtet und ausgestattet. Die wegen ihrer prächtigen Fresken, Stuckaturen, Altäre und Skulpturen oft als „Ballsaal Gottes“ bezeichnete Kirche wird jährlich von 500.000 Menschen besucht.

Ein Ausflug auf die Insel Reichenau führt zu den Anfängen des Bodensee-Weinbaus. Im hiesigen Kloster wurde 818 unter Abt Hatto I. der erste Rebstock gepflanzt. Heute werden im Klosterkeller jährlich etwa 150.000 Liter Wein gekeltert, ausgebaut und verkauft – auch hier können die Besucher die verschiedenen Sorten bei einer zünftigen Weinprobe verkosten.