Der Stadtverkehr in Indonesien wird zum Erlebnis, wenn man sich mit einem knallroten VW Typ 181 chauffieren lässt

„The Thing“ kommt, und alle gucken. Siwi kennt das, sein Auto ist ein Hingucker: ein knallrotes Cabrio, gänzlich ohne runde Form, satter Sound vom Boxermotor, rassiger Retrolook, ein Existenzminimum auf vier Rädern. Fahrer Siwi vom VW-Safari-Club steuert den alten Kurierwagen der Bundeswehr durch den Stadtverkehr und wird bestaunt – in Yogyakarta, Indonesien.

Das Lenkrad ist mit rot-weißem Frottee umwickelt, und Siwi hält es locker in der Hand, als er in die schattige Allee der alten Sultanstadt einbiegt. Der Schwarm der Mopedfahrer teilt sich, weiße Wölkchen treiben über den blauen Himmel Javas. Der VW Typ 181 schnurrt – nein, röhrt – im Linksverkehr über die Magistrale hinein in die Stadt. An der Kreuzung reicht ein Zeitungsverkäufer die „Tribun Jogja“ rein, und Ray, Tourguide auf dem Beifahrersitz, erklärt die Route und strahlt mit der Sonne um die Wette. Die Mädels auf dem Motorrad schauen herüber – ob amüsiert oder anerkennend, ist hinter ihren Sonnenbrillen nicht zu erkennen. Cool, der Kübel, oder?

Stylish ist das Ding allemal, obwohl es aussieht wie selbst gebastelt. VW hat den Typ 181 zwar „Kurierwagen“ genannt, um den Vergleich zum Wehrmachtskübelwagen zu vermeiden, aber stilistisch ist „The Thing“ (so nannten ihn Hippies und Surfer in Amerika) unverkennbar ein Kübelwagen. Wenngleich moderner und schwerer als das Ur-Modell sowie mit richtigen Sitzen statt Schalen und Türen statt Plane. Es wird grün. Der 1,5-Liter-Boxermotor röhrt auf, und wir fahren laut und lässig zum alten Markt. Der Wagen heißt in Indonesien „VW Safari“ oder „Camat“ – er wurde auch hier gebaut –, und ganz gewiss kann man damit auch kreuz und quer durch den Dschungel fahren.

Siwi steuert den 181er einstweilen durch ein Meer aus Mopedfahrern und Motor-Rikschas, über die Schnellstraßen der 600.000-Einwohner-Stadt. Gerade wegen des totalen automobilen Understatements machen wir eine gute Figur. Hier sind schicke und luxuriöse Einheitskarossen unterwegs, und die Leute vom Club kutschieren Gäste gern im Cabrio durch die Stadt; für ein Gefühl von Nostalgie. Woanders nimmt man dafür die Kutsche, hier das Bundeswehr-Cabrio.

Obwohl der Kurierwagen danach aussieht, ist er so alt gar nicht mal: 1969 präsentierte Volkswagen das Fahrzeug als Nachfolger des DKW Munga. Ein bedingt geländetaugliches Mehrzweckfahrzeug musste her, und die Ingenieure bedienten sich einmal quer durch den Konzern-Baukasten. Bei der Konstruktion orientierten sie sich am Country Buggy, der sich schon damals in Australien bewährte, die Karosserie kam vom Karmann Ghia, der Motor aus dem Käfer und das Getriebe vom Transporter – unkaputtbar also das Ding. Der hier, erklärt Siwi, lief irgendwann zwischen 1971 und 1973 vom Band.

Wir rutschen übers weiße Kunstleder, als Siwi von der Schnellstraße abbiegt. Die Straßen werden enger, mehr und mehr Fahrräder sind unterwegs. Beladen mit zwei Kindern vorn und Kartons auf dem Gepäckträger. Die Tour mit dem VW Safari soll abseits des Üblichen verlaufen – ein Wagen für Wagemutige. Das ist tatsächlich eine gelungene Form der Stadtrundfahrt – die goldene Mitte zwischen Rikscha und klimatisiertem Mini-Bus. Näher dran, was Besonderes, Flirtfaktor gewiss. Die Leute gucken hin. Ray steigt aus und verabredet sich mit Siwi, uns später wieder aufzunehmen. Mit dem VW Safari unterwegs abseits der ausgetretenen Wege – dafür wurde er gebaut.

Vor dem Markt verlieren sich die Straßen in einem Gewirr aus verwinkelten Wegen, durch das auch unser Auto vermutlich nicht hindurchkommt. Sogar hier schauen die Leute dem Auto mit dem skurrilen Charme hinterher. In den Hallen bricht Sonnenlicht durch das Dach und taucht hier alles in eine diffuse Stimmung. Wie ein Spot setzt es da Bananenstauden in Szene und dort das Gemüse, dahinten beleuchtet es die Auslagen der Fischhändlerinnen. In der schwülen Luft liegt das Aroma von reifem Obst, Knoblauch und Fisch. Die Menge an Menschen hat uns schnell verschluckt, und wir treiben durch diese exotische wie faszinierende Welt.

Ray geht zum Stand von Frau Atun. Sie sitzt in einer Batterie aus Fässern und Eimern, vor ihr stehen Flaschen und Schalen. In den bunten Plastikschüsseln mischt sie Wurzeln und Tinkturen, in den Medizinalfläschchen sind Extrakte irgendwelcher Pflanzen. Es riecht nach allerlei Gewürzen, und das gar nicht mal schlecht. Aber soll Ray erst mal probieren, er hat sich was bestellt. Frau Atun nimmt die Bestellung auf und knetet, die Hände gelb vom Kurkuma, undefinierbare Pasten. Löst sie in einer Flüssigkeit auf, rührt das Ganze um und schöpft grünlich-gelbe Suppe in ein Trinkschälchen. Schlägt ein Ei hinein, und Ray trinkt sein Tonikum. „Stärkend“ soll das wirken.

Über verschwiegene Tempelanlagen, einen Friedhof und durch Hinterhöfe erkunden wir das alte Yogyakarta. Vom Trubel und dem Gewusel auf den Straßen ist nichts mehr zu spüren. Obwohl die Sonne längst hoch am Himmel steht, ist es in den Gassen und Gärten noch angenehm warm. Niedrige, von Ziegeln gedeckte Häuser, ein knallbunter Sonnenschirm. Ab und zu ein Radfahrer, mal ein Moped. Aber kein Siwi.

Dann: Der Sound ist unverkennbar, man hört ihn, bevor man ihn sieht. „The Thing“ ist unterwegs, noch irgendwo. Biegt lässig in die Straße, sammelt uns ein. Zum Sultanspalast geht es diesmal, zum Haus des Herrschers. Marktbuden säumen die Zufahrt, Hemden und Tücher, feilgeboten unter bunten Schirmen. Siwi fährt im Schritttempo, sucht einen Parkplatz. Das erscheint aussichtslos, alles ist vollgeparkt auch mit Luxusschlitten. Die haben getönte Scheiben. Wir haben Fahrtwind. Dann winkt ein Parkplatzwächter, klopft anerkennend auf das Blech. Siwi parkt ein. Und ich hab’s genau gesehen – die beiden Mädels gerade haben geguckt!