260 Kilometer mecklenburgische Ostseeküste sind ein perfektes Revier für „Wasserratten“, alle Annehmlichkeiten und vielfältiger Service inklusive

Bitte anschnallen! So könnte das Kommando auf dem Segelboot heißen. Denn die Yacht, die bei Sonne und mäßigem Wind vor Warnemünde Lage schiebt, ist nicht irgendeine: Hier segelt die „Illbruck“ – Siegerin des Volvo Ocean Race 2002 einmal um die Welt in neun Monaten und damit die berühmteste deutsche Hochseeyacht. An Bord ist aber keine Crew von Spezialisten, sondern ein bunt gewürfelter Haufen von Laien, die einmal einen Geschwindigkeitsrausch auf dem Wasser erleben möchten und sich entsprechend gut festhalten müssen. „Dieses Boot ist der Formel-1-Wagen unter den Segelyachten“, sagt Skipper Martin Kringel und steuert die frühere „Illbruck“ Richtung Nordosten.

Heute heißt das mittlerweile blau lackierte Boot „Glashäger“ und gehört wie zwei andere 18 Meter lange Volvo Ocean Racer der Firma Speedsailing in Rostock. Bis zu zwölf Gäste können mitsegeln, die drei- bis fünfköpfige Crew freut sich über jede helfende Hand. Je nach Windstärke und Einfallswinkel müssen ständig Segel getrimmt, gerefft und gewechselt, Schoten gefiert und dicht geholt, Leinen aufgeschossen werden. Für Nicht-Segler schnell ein unübersichtliches Wuling. Aber Kringel, der eigentlich Ingenieur ist und sein Hobby zum Beruf machte, erklärt geduldig die verschiedenen Leinen, Taue und Manöver.

Klare Ansage: „Kaffeesegeln ist nicht, hier geht es um Tempo“

Und schnell sind bei drei bis vier Windstärken zwölf Knoten Geschwindigkeit erreicht. Speed – das ist der Zweck des Bootes mit dem 200 Quadratmeter messenden Großsegel am 27Meter hohen Mast. „Die ,Illbruck‘ hat kein Gramm Fett zu viel“, sagt der44-jährige Skipper. Alles ist funktional: unter Deck kein gemütlicher Salon, eher Hängematten statt Kojen, nur eine Behelfs-Toilette. „Kaffeesegeln ist nicht, hier geht es um Tempo.“

Das Boot pflügt durch die Wellen, am Steuerrad muss der Rudergänger ständig nachjustieren, damit der Einfallswinkel des Windes für einen optimalen Stand der Segel sorgt. Die Silhouette von Warnemünde fliegt regelrecht an uns vorbei, vom Strand wehen Juchzen und Lachen herüber. Bei Sonne und blauem Himmel ist das die beste Werbung für den Segelsport.

Die 260 Kilometer mecklenburgische Ostseeküste zwischen Klützer Winkel und Graal-Müritz sind ohnehin ein perfektes Revier zum Erkunden auch auf eigenem Kiel oder als Passagier auf Segel- und Motorbooten sowie zahlreichen Fahrgastschiffen. Die Häfen und Marinas in Boltenhagen, Wismar, Timmendorfer Strand, Kirchdorf und Niendorf auf der Insel Poel, in Kühlungsborn, Warnemünde und Rostock bieten Wassersportlern alle Annehmlichkeiten und vielfältigen Service rund ums Boot. Wer lieber Quartier an Land nimmt, kann wählen zwischen Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen in allen Preis- und Komfortklassen.Jan Grunwald setzt täglich Segel zu einem gemächlichen Törn auf der Ostsee vor Kühlungsborn. Dem 35 Jahre alten Skipper gehört der Katamaran „Viamar“. „Meine Gäste sollen sich wohlfühlen und den Blick genießen“, sagt Grunwald. Das klappt perfekt auf dem Netz zwischen den Kufen des 13 Meter langen und sieben Meter breiten Bootes. Dazu Lounge-Musik, Sonnenschein und Badestopps für Entspannung pur. Bei dem richtigen Wind ab vier Beaufort kommt der Katamaran langsam in Fahrt, bei Flaute sorgen zwei Maschinen mit je 40 PS für den Antrieb.

Wer mit Uwe Dunkelmann unterwegs sein möchte, muss früh aufstehen. Gegen 6 Uhr macht der 54-Jährige die Leinen seines Fischkutters „Uschi“ im Hafen von Boltenhagen los. „Ich habe schon zu DDR-Zeiten gefischt“, sagt Dunkelmann, „das ist meine Berufung.“ Zehn Jahre will er noch aktiv sein und dann den Kutter, der nach der Mutter des Fischers benannt ist, seinem jetzigen Azubi übergeben. Er bringt auf seinem 26 Jahre alten Boot nur so viele Schollen, Heringe, Makrelen und Dorsche nach Hause, wie im eigenen Restaurant am Hafen zubereitet werden.

Entlang der Küste oder in der Wismarbucht pendeln diverse Fahrgastschiffe zu verschiedenen Zeiten. Bei Sonnenuntergang mit einem Drink in der Hand auf dem Wasser sein – das hat schon Kreuzfahrt-Feeling. Apropos: Wer große Pötte sehen möchte, ist in dieser Gegend auch richtig. Warnemünde verzeichnet in dieser Saison 178 Anläufe von 34 verschiedenen Kreuzfahrtschiffen, in Wismar machen sechs verschiedene Schiffe 15-mal fest.

Die mecklenburgische Küste ist das ideale Revier, um Wassersport und Landausflüge miteinander zu verbinden. In Rostock und Wismar locken mächtige Kirchen der Backsteingotik in die Altstädte. Am Alten Strom in Warnemünde haben sich die Kapitänshäuschen herausgeputzt. Boltenhagen und Kühlungsborn punkten mit Bummel-Promenaden und sanierter Bäder-Architektur. Und überall lädt der feine und meist breite Sandstrand zum Baden und Bräunen ein.

Ein großes Angebot auch für reine „Seh-Leute“ und Rad-Touristen

Wer den Trubel und das Schaulaufen in den aufgehübschten Ostseebädern nicht will, der sollte die Insel Poel besuchen, die nur vom Wasser oder über einen Straßendamm über den Breitling zu erreichen ist. „In den Fischerhäfen ist Platz für Yachten und Zeit für einen Schnack, an unseren Stränden geht es familiär zu“, sagt Kurdirektor Markus Frick, der vor 20 Jahren aus Eutin auf die viertgrößte deutsche Ostseeinsel kam. Und eine Radtour über das 37 Quadratkilometer große Eiland, wo Landwirtschaft und Tourismus die Haupterwerbsquellen sind, lohnt allemal. Strecken durch wogende Felder und kühle Buchenwälder, dabei zumeist der Blick aufs Wasser – das ist Norddeutschland pur.

Außerdem wartet Poel mit zwei Besonderheiten auf: Aus dem Kunstautomaten in Kirchdorf kommen keine Zigaretten, sondern Aquarelle und andere künstlerische Kleinigkeiten. Diese sind in zigarettenschachtelgroßen Boxen verpackt und kosten zwei Euro. Und in Gollwitz im Norden der Insel landet jeden Dienstag die Barkasse „Salzhaff“ aus Rerik an. Einen Anleger gibt es nicht, das Boot fährt auf den Strand. Dann heißt es für die Radler an Bord: Drahtesel schultern und ab ins Wasser.

Dort ist auch die Poeler Kogge „Wissemara“ in ihrem Element, ein Nachbau einer Kogge aus dem 14. Jahrhundert. Ein entsprechendes Wrack wurde 1997 in der Wismarbucht gefunden und diente als Vorlage für das 31,5 Meter lange und 8,5 Meter breite Schiff. Ein Förderverein mit 300 Mitgliedern betreibt die Kogge, hauptamtlicher Kapitän ist Peter Samulewitz. Zehn Mann Besatzung braucht Samulewitz, um die Kogge zu segeln und zu manövrieren.

Wer auf einem Sportboot vor Warnemünde unterwegs ist, muss auf die ein- und auslaufenden Fähren achten, die Rostock mit Dänemark, Schweden und Finnland verbinden. Martin Kringel mag besonders die Schiffe, die ins dänische Gedser unterwegs sind. „Mit denen liefern wir uns gerne Wettrennen“, sagt der Skipper der Volvo Ocean Racer. „Die Kapitäne gucken nicht schlecht, wenn wir mit 24 Knoten an ihnen vorbeizischen.“ Also bitte anschnallen beim Segeln!