Evelyn Noval, in Hamburg geboren, lebt und arbeitet heute auf Bornholm – als angesehene Objektgestalterin

Das kleine Paradies, in dem wir uns treffen, passt zu Bornholm, dieser dänischen Ostseeinsel, die oft als Märcheninsel bezeichnet wird: Birnen, Stockrosen und Bauernblumen ranken sich ums Fachwerk, Pflaumen- und Feigenbäume überdachen Holzbänke, Hortensien umrahmen die Idylle. Die Künstlerin Evelyn Noval liebt den Garten, der zu ihrer Galerie am Marktplatz des Hafenstädtchens Svaneke gehört. Sie liebt sowieso alles Grüne, vor allem mag sie Natur, wenn sie ungebändigt wuchert, wenn sie vergeht, wie es dem Ablauf der Jahreszeiten entspricht.

Aber ihr Künstlerherz geht auf, wenn sie am Strand oder am Straßenrand findet, was andere für nutzlos halten, für Schrott. Aus Plastikmüll, Treibholz, verrostetem Metall, alten Schlüsseln, kaputtem Spielzeug bastelt sie sich Kunst zusammen, für die sie Preise bekommen hat, Kunst, mit der sie sich auf der mit Handwerkern und Lebenskünstlern dicht besiedelten Insel eine einzigartige Stellung erworben hat.

Ihre Objekte schmücken Villen und Wohnungen vieler deutscher Bornholmurlauber, sie sind bereits in Kopenhagen und anderswo in Skandinavien ausgestellt worden. Evelyn Noval, Dänin mit Hamburger Wurzeln, besorgt sich ihr Material auf Flohmärkten, aus dem Abfalleimer und besonders gern bei ihren Wanderungen an der steinigen Bornholmer Ostküste, wo ihr das Meer nach stürmischen Nächten reichlich Rohstoff liefert.

Als sie 1945 in Altona geboren wurde, war am Dammtor gerade mit dem Wiederaufbau der Staatsoper begonnen worden. Dort hatte ihr dänischer Vater Thorkild Noval, ein seinerzeit in ganz Europa bekannter Tenor, von 1936 bis 1943 Triumphe gefeiert. Der Kammersänger und seine deutsche Frau Ännchen Bruckmann, eine Geigerin, zogen 1949 nach Kopenhagen. Dort besuchte Evelyn nach dem Gymnasium die Designer- und Kunsthandwerkerschule, später ließ sie sich als Keramikerin ausbilden. Davon aber gab es schon viele auf Bornholm, als sie 1975 auf die Insel kam. Auch die Malerei, die Evelyn eine Zeit lang ausprobierte, war gut vertreten. Sie gründete mit Gleichgesinnten eine Künstlerkommune. Es war die Ära der Alternativkultur. Man nistete sich auf einem Vierkanthof im Hinterland ein. Dort war Vielfalt gefragt, Kühe melken, Butter und Käse selber machen, Garten anlegen, den Sinn des Lebens hinterfragen, die Lust am Dasein austesten. Das hatte ein paar Jahre seinen Reiz, dann ging, nach Scheidung und neuer Perspektive, jeder seine Wege.

Evelyn begann wieder zu malen, versuchte sich auch als Schmuckkünstlerin, bis sie merkte: „Es wurde Zeit, mein eigenes, unverwechselbares Ding zu machen.“ Weil sie schon immer ein Auge für die Seltsamkeiten am Rande des Alltags hatte, fand sie es passend, aus Wertlosem Wertvolles zu formen.

Heue ist sie weit über die Insel und das kleine Königreich hinaus bekannt, sie gehört einem Netzwerk der mehr als 60 namhaften Bornholmer Künstler an, der Arts & Crafts Association. Im Schauraum dieser Vereinigung, untergebracht in einem ehemaligen Lagerhaus in Hasle an der Westküste, bekommen Interessierte den aktuellen Überblick zur Kunsthandwerker-Szene.

Evelyn Noval, deren Deutsch nach ihrer Einschätzung „so rostig geworden ist wie viele meiner Materialien“, reist in größeren Abständen in ihre Geburtsstadt Hamburg, „eine wunderschöne Stadt, viel Wasser, viel Multikulti, viel Toleranz, ein bisschen wie Kopenhagen“. Glücklich aber ist sie auf Bornholm geworden, weit weg vom Großstadttrubel. Heute wohnt sie wieder auf einem Bauernhof „in der Mitte von Nirgendwo“. Ihr Lebenspartner, der Holzkünstler Hans Henning Pedersen, ist auch einer, der an der Natur und an seinem Rohstoff das Unperfekte liebt.