Vom Haubarg Knutzenswarft in Westerhever ist der Nordseedeich mit dem Fahrrad in fünf Minuten zu erreichen. Das Bauernhaus steht unter Denkmalschut und bietet seinen Gästen sieben Apartments an.

Das Haus sitzt auf der Warft wie eine alte, wachsame Schildkröte unter einem Panzer aus Reet. Vor der Ostseite stehen vier knorrige Linden. Die Eichen, Obstbäume und Ebereschen im Garten haben alle einen Drall nach Nordwest. „Das liegt am Wind, der auf den Marschwiesen alles biegt“, sagt Beate Hild. „Hier wachsen nur robuste Sträucher und Bäume.“ Vorführeffekt? Heute ist es fast windstill, in der Sonne summen Bienen, von der Weide nebenan hört man die Kühe beim Wiederkäuen. Sonst nichts: Westerhever in schönster Sommerstimmung. In diesem stillen, weiten Koog, nur zwölf Kilometer vom trubeligen St.Peter-Ording entfernt, kommt man zwangsläufig zur Ruhe. Kein Wunder, Westerhever liegt so weit draußen wie das benachbarte Pellworm, das Meer fließt quasi um den Koog herum. Die Luft ist hier so salzhaltig, „dass man nach jedem Regen die Fenster putzen kann, weil sich ein leichter Salzfilm auf die Scheiben legt“, haben Martin und Beate Hild festgestellt.

Solche Häuser in Wassernähe kann man an einer Hand abzählen

Das Ehepaar hat den denkmalgeschützten Haubarg 2011 gekauft, saniert und zum Refugium mit Ferienwohnungen umgebaut. „Wir hatten gar nicht speziell in Westerhever gesucht“, sagt Martin Hild, der in Ostfriesland aufwuchs, „aber die Lage und das Haus gaben den Ausschlag. Es ist schon etwas Besonderes. Solche Häuser in Wassernähe kann man an einer Hand abzählen.“ Der Deich ist mit dem Fahrrad in fünf Minuten zu erreichen. Dahinter liegen nur noch die Salzwiesen, mittendrin Norddeutschlands schönster Postkarten-Leuchtturm und die weite Sandbank, auf der man im Sommer ungestört baden kann.

Diesen Bauernhaustyp kam im 16. Jahrhundert nach Eiderstedt

Die Hilds wohnen in Großhansdorf, er ist im Hauptberuf Einkaufsleiter einer Technologiefirma in Buchholz, seine Frau Ingenieurin für Verfahrenstechnik. In Westerhever stellten sie ganz schnell fest, dass ihr Haubarg aus dem Jahr 1635 sie mit zahlreichen (bau)technischen Fragen konfrontierte. Heute weiß Hild alles über diesen Bauernhaustyp, der im 16. Jahrhundert mit westfriesischen Einwanderern nach Eiderstedt kam. Haubarge ähneln mit Reetdächern, großen Toren und den Dachgauben zwar den holsteinischen Bauernhäusern, sie sind aber anders als diese Ständerbauten: Die pyramidenförmigen Dächer ruhen nicht auf den Außenwänden, sondern in der Mitte auf einem „Vierkant“ aus vier, sechs oder acht Ständern aus Eichenholz, die mit Längs- und Querbalken verbunden sind. Diese Bauweise bietet Stabilität gegen Sturm und Flut: „Selbst wenn die Außenwände eingedrückt werden, halten die Ständer noch das Dach, und die Außenmauern lassen sich wieder aufbauen“, sagt Martin Hild.

In Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt sind sieben Apartments entstanden

Rund um den Vierkant waren Ställe und Wohnbereich angeordnet, unter dem Dach der Kornspeicher. Früher gab es auf Eiderstedt rund 450 Haubarge, heute sind es noch etwa 45. Von Nahem betrachtet, sind sie wahre Klötze, die viel Platz bieten. Aber Umbau und Sanierung wurden für die Hilds zum „Abenteuer“, wie der Hausherr zugibt. In Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt schufen die Hilds sieben Apartments, die meisten zweistöckig, mit Wohn- und Schlafbereich, Bad, Galerie und einer komfortablen Holztreppe statt der alten steilen Steigen. Die frühere Loo – eine Diele, in der das Korn gedroschen wurde – richteten sie als Gruppenraum mit Kamin ein. Draußen bietet eine Spiel- und Liegewiese mit Gartenmöbeln und zwei Strandkörben Platz zum Entspannen.

Die Apartments für zwei, vier und sechs Personen sind modern, aber wo es ging, wurden die alten Ständer und dunklen Eichenbalken freigelegt. Winkel und Schrägen machen jeden Raum individuell. Ein zusätzlicher Fluchtweg kostete Platz, „aber wir wollten, dass wir guten Gewissens an Gäste vermieten können, auch wenn wir nicht immer hier sind“, sagt Beate Hild. Im Garten gucken wir von einer der Holzterrassen bei einem Glas Wein zu, wie die Sonne untergeht. Hinterm Deich blinkt das Leuchtfeuer des Leuchtturms.

In den beiden Häusern neben dem Turm lebten früher die Leuchtturmwärter

Am nächsten Morgen wandere ich im Frühdunst zwischen Schafen über den Deich zum Turm. Klaus Bohns gehört zu den Einheimischen, die Führungen anbieten. In den beiden Häusern neben dem Turm, die in den 1930er-Jahren entstanden, lebten früher die Leuchtturmwärter. Begehrt war der Job nicht, sagt Bohns, denn es gab die Fahrstraße vom Deich noch nicht. Zum Einkaufen und zur Schule im Dorf führte nur der 30 Zentimeter schmale Stockenstieg, ein Backsteinweg durch die Salzwiesen. Auf halber Höhe des Turms liegt ein früheres Gästezimmer, liebevoll mit alten Nachthemden und Kerzen ausgestattet. Aber ganz oben öffnet sich die Tür zum Rundgang, und der Koog liegt zu Füßen – eine endlose grünblaue Landschaft mit vorgelagerter Sandbank und einem einsamen Seezeichen. Schon allein wegen dieses Blicks lohnt sich der Weg nach Westerhever und zu seinen Haubargen.