Kleine Fluchten: Das Hotel Bootshaus bei Emden ist umgeben von vielen Gewässern. Sie laden zu Kahntouren durch die Ebenen Ostfrieslands ein

Gleich hinter der Emder Stadtgrenze taucht linker Hand der schiefe Kirchturm von Suurhusen auf. Rechts und links der Straße scheint der Himmel mit den scheinbar endlosen Wiesen zu verschmelzen. Nun ist man so richtig in Ostfriesland angekommen.

Doch Achtung: Wer ohne Navi fährt, muss aufpassen und nach einigen Kilometern hinter dem schiefen Turm rechts in die Bedekaspeler Marsch abbiegen, ein kleines Schild weist aber auch auf das Bootshaus hin. Dann sind es noch rund zwei Kilometer auf einer sich durch das platte Land schlängelnden Straße, es geht über einen Kanal, und vor uns liegt das im skandinavischen Rot leuchtende Hotel Bootshaus.

„Tiefs“ heißen die kleinen Kanäle, die in der Gegend das Land entwässern

Ruhig ist es hier in der Marsch. Ab und zu wird die Stille durch ein eindringliches „Muh“ der Schwarzbunten, wie die Kühe in Ostfriesland genannt werden, unterbrochen. Oder es legt gerade tuckernd einer der Ausflugskähne am Steg des Bootshauses an.

Frau Opitz, die Hotel- und Restaurantleiterin, führt uns auf die Terrasse, die sich mit ihren Holzplanken gut dem Bootshaus-Ambiente anpasst und wie eine kleine Anlegestelle neben dem Kanal wirkt. Allerdings ist es kein Kanal, wie wir erfahren, sondern ein „Tief“, so heißen in Ostfriesland die kleinen Flüsschen, die das Binnenland entwässern und dann in die Nordsee münden.

Das Haus beherbergte schon immer Gäste, so Frau Opitz. Anfang der 70er-Jahre war hier ein Restaurant mit Fremdenzimmern, wie es damals noch hieß. Danach machte es eine Zwischenstation als Schullandheim, ab 2000 diente es als Unterkunftsquartier für auswärtige Mitarbeiter der Meyer Werft in Papenburg. 2011 entdeckte ein Emder Hotelier die Immobilie, erwarb das Haus und baute es vollkommen um. Die gelbe Backsteinfassade wurde im Stile eines Bootshauses mit roten Holzplanken verkleidet, innen wurde die Immobilie entkernt. Der Eigentümer erwarb alte Holzbestände aus dem Allgäu und vertäfelte damit das Restaurant und das gemütliche Kaminzimmer. Die Fußbodendielen passen sich dem Stil an, sind rustikal und bestehen aus massivem Eichenholz.

Wir gehen ein Stockwerk höher. Hier liegen die elf Doppelzimmer des Haupthauses. Sie sind funktional und schnörkellos eingerichtet und farblich in angenehmen Erdtönen gestaltet. Fotografien aus Ostfriesland schmücken die Wände, da darf natürlich die „Schwarzbunte“ in Schwarz-Weiß auch nicht fehlen. Es gibt auch noch ein Nebenhaus, das acht kleine Zimmer beherbergt. Einige Zimmer, etwas abseits gelegen, sind speziell für Gäste mit Hunden ausgelegt. Tagsüber besteht die Möglichkeit, die Vierbeiner in einer nahe gelegenen Hundepension in Obhut zu geben.

Als Kernstück des Hotels haben wir das Restaurant empfunden, das auf uns wie ein großer lebendiger Treffpunkt wirkte. Gesellig und unverkrampft geht es hier zu. Hotelgäste, Touristen und Einheimische sitzen hier Tisch an Tisch, die Lounge und die Bar sind räumlich miteinander verbunden. „Ja, hier kehren auch viele Einheimische ein“, berichtet die Restaurantleiterin. „Für große Gesellschaften wie Hochzeiten werden wir gerne gebucht, das ist sicher auch mit ein Verdienst der Küche.“ Das können wir bestätigen. „Unsere Spezialität ist die Bootshauspfanne“, verrät der Küchenchef Kai Seemann. Es gibt sie in mehren Varianten. Sein persönlicher Tipp jedoch ist die Pfanne mit Spanferkel in Schwarzbier-Kümmelsoße, aber im Sommerhalbjahr empfiehlt er auch sehr den zarten und milden Emder Matjes.

Natürlich dürfen in Ostfriesland die Nordseekrabben auf keiner Speisekarte fehlen, doch manchmal sind sie weit gereist. Uns wurde versichert, dass diese Krabben nicht in einer Schleife über Nordafrika, wo sie meist für Gastronomen verarbeitet werden, transportiert wurden, sondern sie stammen vom Krabbenkutterhafen Greetsiel. Gepult werden sollen sie eigenhändig vom Seniorchef, auf alle Fälle waren sie frisch und sehr lecker – ganz klassisch auf ostfriesischem Schwarzbrot.

Sofern das Abendessen dann doch etwas mächtiger ausgefallen ist, lassen sich die überzähligen Kalorien ganz vortrefflich in der ostfriesischen Marsch wieder abarbeiten. Vom Bootshaus aus kann man mit dem Kanu gen Emden paddeln, wer es weiter möchte, bis zur Knock. Hier mündet das Knockster Tief an der Emsmündung in die Nordsee, allerdings abgetrennt durch ein Sperrwerk. Überhaupt ist das Gebiet um das Bootshaus mit einer Vielzahl von Tiefs und Kanälen durchzogen, von daher ein ideales Revier für Paddler und Wassersportler. Auf Anfrage lassen sich Kanus beim Bootshaus mieten.

Das Große Meer, flächenmäßig zwar groß, aber mit rund 1,5 Metern Tiefe sehr flach, liegt nur zwei Kilometer östlich vom Bootshaus. Ein kleines touristisches Zentrum und auch ein Revier für Wassersportler, denn hier kann man surfen, segeln, schwimmen oder bequem Tretboot fahren.

Wer eher Landratte ist, der kann hier auch Räder mieten und eine Radtour, zum Beispiel auf dem Drei-Meere Weg unternehmen. In drei Stunden lassen sich das Große Meer und die Nebengewässer gemütlich umrunden und die Schönheit und Urwüchsigkeit der Natur dabei entdecken. Viele Gewässer beherbergen auch Fische, dem passionierten Anglers sei es von daher empfohlen, die Angel im Gepäck zu verstauen.

Ganz gemütlich geht es dagegen auf den beiden Kähnen „Jantje Viss“ und „Peterle“ zu, die vom Bootshaus für Gruppen starten und entlang der Tiefs und Kanäle gen Emden oder durch die Marsch schippern. Dazu unsere Empfehlung: Einfach nur nach oben schauen, die Wiesen und die Kühe an sich vorbeiziehen lassen und den Himmel über Ostfriesland genießen ...