Einfach mal Shakespeares Worte zu Herzen nehmen und für ein Wochenende nach London und Stratford-upon-Avon reisen, in den Geburts- und Wohnort des Dichters

Die Entscheidung, wohin man reisen soll, fällt im Juni besonders schwer, denn es ist fast überall schön. Wie praktisch, dass wir gerade ein Shakespeare-Jubiläumsjahr feiern – William Shakespeare wurde vor 450 Jahren geboren. Man sollte das zum Anlass nehmen und schnell entschlossen nach England fahren. Dort gibt es jetzt nicht nur die Schönheiten der Natur zu entdecken, die wundervoll in Blüte stehenden Gärten oder die Liebenswürdigkeit und sprichwörtliche Höflichkeit der Bevölkerung. Neben all den berühmten Sehenswürdigkeiten in London kann man sich beispielsweise auch auf einer Tour zu Fuß durch „Shakespeare’s London“ führen lassen und die Stadt plötzlich in einem völlig neuen Zusammenhang sehen.

Denn die City of London, der kleinste innere Stadtkern Londons, Shakespeares ehemalige Wirkungsstätte und heute die Quadratmeile, in der hauptsächlich Bürohäuser stehen, aber eben auch St. Paul’s Cathedral oder Guildhall, ist am Wochenende zwar ziemlich entvölkert, zeugt aber von der langen Stadtgeschichte. Wochentags jagen hier Banker und Anlageberater ihren Geschäften hinterher, man kann sich kaum einen weniger kulturellen Platz vorstellen. Erst am Wochenende nimmt man eines der letzten Bauprojekte der Römer in Londinium vor deren Rückzug aus Britannien im Jahr 410 wahr, die Stadtmauer, deren Reste noch vorhanden sind. Gegenüber der Silver Street hat Shakespeare als Mieter gewohnt und „Othello“ sowie „König Lear“ geschrieben.

Entlang der Themse wandert man durch verwinkelte Gassen mitten in den Rotlicht- und Unterhaltungsbezirk des 16. Jahrhunderts, dorthin, wo das alte Globe Theatre stand. 1613, 14 Jahre nach dem Bau, wurde es völlig zerstört, da während einer Aufführung des Stücks Heinrich VIII. eine Kanone abgefeuert worden war und das strohgedeckte Dach in Brand gesetzt hatte. Sehr realistische Aufführungen waren damals die Regel. Hier, wo heute noch ein Markt ist, wurden in unmittelbarer Nähe Menschen hingerichtet.

Ins Globe passten 2000 Zuschauer, die Vorstellungen fanden alle nachmittags statt und selbstverständlich unter freiem Himmel, abends herrschte Ausgehverbot. London boomte zu der Zeit, das Theater ebenso, es war bei allen Schichten beliebt. 3000 Stücke sollen in dieser Zeit entstanden sein. Seit 1997 gibt es ein neues Globe – das vierte –, das Besucher aus aller Welt anzieht und eine originalgetreue Nachbildung des Globe von Shakespeare ist. Wie es im elisabethanischen London zugegangen sein muss, spürt man hier sehr deutlich. Gerade spielt man dort „Titus Andronicus“, Shakespeares blutigstes Drama, und auch „Antonius und Cleopatra“.

Natürlich kann man das Globe auch ohne Vorstellung täglich ab 9.30 Uhr besichtigen und sich die Bühne, die Ränge, ja sogar die Hinterbühne zeigen lassen. Direkt daneben und dazugehörig hat im Januar das Sam Wannamaker Playhouse (benannt nach einem amerikanischen Schauspieler, Regisseur und Mäzen) eröffnet. Es ist ein Theater im Renaissance-Stil, genau der Shakespeare-Zeit nachempfunden, man kann dort bei Kerzenschein Aufführungen aus dieser Epoche in historischem Ambiente sehen. Das Haus ist ein Publikumsmagnet in London. Wer nicht ins Theater will, wandert weiter auf des Dichters Spuren zur ältesten gotischen Kirche Londons, zum kleinen Bürogebäude, in das der Dichter über Kopfsteinpflaster ging, um sich die Genehmigung für seine Stücke zu holen.

Natürlich ist der weitaus wichtigere Ort für Shakespeare Stratford-upon-Avon. Die kleine, schnuckelige Stadt nahe Birmingham ist in knapp zwei Stunden aus von London zu erreichen (oder per Flugzeug von Hamburg aus) und lebt von und für Shakespeare. Hier wurde William Shakespeare am 26. April 1564 geboren. Sein stilgerecht restauriertes Geburtshaus an der Henley Street, die Holy Trinity Church, in der die Einträge über seine Taufe und seine Beerdigung stehen, das herrliche Cottage mitsamt dem wunderbaren Garten seiner Frau Anne Hathaway im Dorf Shottery oder Nash’s House, Shakespeares letzter Wohnort, bieten hinter ihren Fachwerkfassaden wunderbare Einsichten. Beispielsweise die, dass ein Bett damals etwas unfassbar Wertvolles war. Wer eines besaß, stellte es ins Erdgeschoss, damit Besucher es bewundern konnten. Geschlafen wurde darin oft zu acht – und nur im Sitzen. Falls der Teufel käme, sollte er nicht denken, man sei schon tot. Um das Bett herum hatte man Vorhänge, oben einen Baldachin. Damit schützte man sich vor herumlaufenden Ratten oder Ungeziefer, das von der Decke fiel.

In Anne Hathaways Haus steht ein langer Holztisch, der gern auch als Tür genutzt wurde. Wenn die Männer zusammenkamen, um einen Beschluss zu fassen, versammelte man sich um den Tisch. Nur der Älteste bekam einen Stuhl, er war der „Chairman oft the Board“, den man bis heute kennt.

Shakespeares Geburtshaus diente der Familie nicht nur als Wohnhaus. Es war auch das Geschäftshaus des Vaters, der Handschuhmacher war. Es waren Ziegen-, Lamm-, Hunde- und Hirschhäute untergebracht, die mit Kalk, Eiern, Hundekot oder Urin gegerbt wurden. Der Geruch im Haus muss damals atemberaubend gewesen sein. Aber auch in den öffentlichen Theaters roch es kaum besser. Die Menschen aßen Zwiebeln, Knoblauch, hatten schlechte Zähne. Wir sind sehr verwöhnt heute, auch das lernt man bei Einblicken in Shakespeares Zeit.

Vier bis fünf Millionen Besucher zählt Stratford jährlich. Die Stadt sieht aus wie riesengroßes Spielzeug. 60 Millionen Pfund pumpt die Royal Shakespeare Company jährlich in die Ökonomie von Stratford. Denn das Theater, die Royal Shakespeare Company, ist hier das Ein und Alles. 1000 Plätze bietet das neue, 2010 eröffnete Gebäude am Avon-Fluss, 450 das angegliederte Swan Theatre, in dem die Bühne weit in den Zuschauerraum hineinreicht, sodass man den Schauspielern sehr nahe kommen kann. Kostüme, Kunst und Klasse bekommt man hier auch „backstage“ zu sehen. Im Theater wird immer eines von Shakespeares 37 Dramen aufgeführt, aber auch Stücke seiner Zeitgenossen. Momentan gibt es zusätzlich noch das Fringe Festival, Freiluftkonzerte oder das River Festival.

Spannend, unterhaltsam und lehrreich ist ein Ausflug in Shakespeares Welt. Nichts wie hin!

Mehr Infos unter: London für Anfänger-Guide