Eine Typologie – nicht ganz ernst gemeint, doch im Kern wahr

Fotograf I: Der Vor-Sehenswürdigkeiten-Rumsteher kommt meist aus China – mit einer Spiegelreflexkamera, einer Digitalkamera, zwei Stativen und zwei Dutzend Speicherkarten. Er tritt in Gruppen auf. Wurde eine Statue oder ein Tempel zum Fotomotiv auserkoren, wird dieses für fünf Stunden belagert. Zuerst das Gruppenfoto. Das Motiv muss mit jeder Kamera festgehalten werden. Bei 30 Fotografen sind das 60 Kameras plus 20 Handyfotos mal etwa zwei Minuten, die es jeweils zum Ausrichten der Kameras braucht. Das sind 160 Minuten. Dann stellt sich jedes Gruppenmitglied für drei Minuten zum Einzelbild auf. Macht 250 Minuten. Die restlichen 50 Minuten gehen für Aufnahmen ohne Menschen drauf, aber aus allen erdenklichen Perspektiven.

Fotograf II: Der Poser tritt im Pärchen-Doppelpack auf. Das Männchen übernimmt das Fotografieren, das Weibchen posiert. Besonders beliebt sind Sonnenuntergänge am Strand. Das Weibchen – im knappen neonfarbenen Bikini – wälzt sich in playboytauglicher Manier zwischen Sand und Schaumkronen am Strand von El Arenal. Der Fotograf nuschelt „Yeah, Baby...“ und streicht sich über die Bierplauze. Strandgänger verwechseln das Spektakel gerne mit einer neuen Animationstechnik und sehen gespannt zu.

Der Sparfuchs: Oft als Backpacker unterwegs ist er – mit wenig Geld und großem Bierdurst. Der Sparfuchs wählt sein Reiseziel nicht danach aus, wo es schön, sondern, wo es günstig ist. Selbst in einem Land, wo das Abendessen umgerechnet zwei und die Übernachtung 15 Euro kostet, handelt der Sparfuchs. „Zehn Euro“, bietet er mit gewinnendem Lächeln dem Bungalowbesitzer. Dass sein Gegenüber 18 Stunden am Tag arbeitet, um seine zehnköpfige Familie durchzubringen, ist dem Sparfuchs egal. Für fünf Euro weniger bekommt er schließlich fünf Bier.

Der Erste: Wie es der Name sagt, war der Erste überall schon vor allen anderen – und das muss er auch jedem erzählen. Und natürlich war früher alles besser. „Damals gab es hier noch keine Bettenburgen. 1995 war es noch ursprünglich. Ich war einer der Ersten, nachdem sie die Grenzen aufgemacht haben.“ Dabei wirft der Erste jenen Reisenden, die jetzt erst – natürlich viel zu spät – vor Ort sind, einen abwertenden Blick zu. Der Erste ist so besessen davon, Erster zu sein, dass er manche Länder ausschließlich deshalb bereist, weil sie noch unpopulär sind. Manchmal ist er traurig, dass er keine Flagge mit seinem Konterfei in den Boden stoßen kann, wenn er wieder mal irgendwo zuerst ist.

Der Informierte: Nur mit drei Reiseführern, Notfallmedikamenten gegen alle möglichen und unmöglichen Krankheiten und einer Liste sämtlicher deutscher Vertretungen im Land geht der Informierte auf Reisen. Dieser Reisetyp ist häufig Lehrer mit Schwerpunkt Geschichte. Dementsprechend gut kennt er sich mit Vergangenheit und aktuellen Problemen des jeweiligen Landes aus. Wissen, das er auch in unpassenden Momenten weitergibt: „Was für ein schöner Tempel bei Sonnenaufgang. Kaum vorstellbar, dass hier 5000 Einheimische elendig verblutet sind.“ Zudem macht sich der Informierte mit Dauerfragen bei jedem Guide unbeliebt. „Wann genau wurde der Zaun gebaut? Wer hat ihn aufgestellt? Und was hat der am liebsten gegessen?“

Der Unzufriedene: Dem Unzufriedenen ist es in Australien zu heiß und in Schweden zu kalt. Er versteht nicht, warum es in Indien kein Wiener Schnitzel gibt. Im Hotel in Peru vermisst er die Spitzengardine am Fenster. Und überhaupt: wie teuer und unzivilisiert und dreckig das hier alles ist. Der Unzufriedene kann seinen Unmut nicht für sich behalten, und so wird er zum ständigen Stimmungsdrücker auf jeder noch so perfekten Reise.

Der Ignorante: Dem Ignoranten ist egal, dass er in einem fremden Land zu Gast ist. Er ist das Gegenteil des Informierten, will nichts über Kultur und Gepflogenheiten seines Reiseziels wissen. Er trampelt mit dreckigen Turnschuhen durch die Blaue Moschee in Istanbul, weigert sich, in Italien fürs Gedeck zu zahlen, macht Witze über die Monarchie in Thailand. Anstandsregeln, die er zu Hause in Deutschland beherrscht, vergisst der Ignorant auf Reisen. Er sitzt um drei nachmittags betrunken in einer Strandbar und starrt der einheimischen Bedienung auf den Hintern. Über seine anzüglichen Witzchen muss sie natürlich lachen, denn er ist Tourist.