Es gibt Leute, die sie lieben und verehren und streng darauf schauen, dass ihr kein Schaden zukommt. Andere wiederum finden sie unansehnlich und geschmacklos. Die Weißwurst ist eine Art bayerisches Nationalheiligtum und in ihrer polarisierenden Wirkung wohl in etwa mit Franz Josef Strauß vergleichbar. Mit dem göttlich verehrten und teuflisch gefürchteten Oberbayern hat sie auch gemeinsam, dass sie vielerorts als Politikum gehandhabt wird. Was drin ist, wann man sie essen darf und wie, mit welchem Senf und welcher Backware als Beilage – der Ostdeutsche würde hier wohl von der Sättigungsbeilage sprechen –, da versteht der puristische Bajuware wenig Spaß.

Dabei ist die Weißwurst doch ein Verlegenheitsprodukt, weil damals, Mitte des 19. Jahrhunderts, einem Münchner Metzger der Schafsdarm für die Bratwurst ausgegangen war, er dann die Wurst notgedrungen mit Schweinedarm aufbereitete und sie vorsichtshalber nur brühte. Das war dann die Weißwurst. Ähnlich kam übrigens auch die bayerische Radlermaß auf die Welt, weil bei einem Wirt eines Ausflugslokals das Bier knapp wurde und er es kurzerhand mit Limonade streckte. Aber davon redet heute keiner mehr. Die Weißwurst zu verhunzen, das wäre ungefähr so, als wenn man aus dem Hofbräuhaus ein Hard Rock Café oder eine Sushibar machen würde.

Vor diesem Hintergrund ist es dann nicht schwer zu verstehen, was gerade in der bayerischen Provinz geschieht. Da hat es doch glatt ein Metzger gewagt, eine fernöstliche Variante der Wurst zu kreieren und sie mit pulverisiertem grünen Tee zu bereichern, was sie nicht nur geschmacklich verändert, sondern ihr vor allem einen satten Grünton verleiht, der eher an Senf als an eine Wurst erinnert. Der japanische Matcha wird dabei mit einem Bambusbesen schaumig geschlagen und dann in das Fleischbrät eingerührt. Dass das auch noch unweit von Altötting, dem Epizentrum bayerischer Brauchtumspflege, geschehen ist, verschärft den Frevel noch. Die grüne Weißwurst sorgt nun für weltweites Aufsehen, meldet die Lokalzeitung. Die Einheimischen gehen auf die Barrikaden. „Pfui Deifi“, schreibt einer. „Das Ende der Menschheit“, ein anderer. „Nach der Conchita Wurst eine Kawasaki Wurst“, meint ein Altöttinger etwas gelassener. „Blaue Brezen würden dazu gut passen“, fordert eine Frau.

Der Urheber freut sich dagegen über Anfragen aus Japan und hat seine Kreation schon mal beim Europäischen Patentamt angemeldet. Sogar TV-Teams haben sich schon angekündigt. Das zeigt, dass man in Zeiten von Facebook und WhatsApp mit schrägen Einfällen schnell berühmt werden kann, auch wenn es häufig lediglich für ein paar Tage reicht.

Nur zwei Fragen bleiben da dem wurstaffinen Menschen offen. Erstens fragt er sich, warum der Schuhbeck Alfons noch nicht auf die Idee gekommen ist. Und zweitens macht er sich Gedanken, welche Kreationen da noch die Wirtshäuser im Bayernland heimsuchen mögen. Tofu-Schweinshaxn mit Sesamsoße vielleicht? Die bayerische Küche mag manchmal schwer und fett sein, aber sie hat es ehrlich verdient, verteidigt zu werden.

Es wird tatsächlich Zeit, zurückzuschlagen – mit Sushi mit Leberkäsfüllung und Shabu Shabu mit Radi und Blutwurst. Da wird er aber schauen, der Japaner.