Obwohl ich nun schon häufiger in Brasilien gewesen bin, wurde natürlich auch ich vor meinem Trip an den Zuckerhut gewarnt: Vorsichtig solle ich sein, keine Wertsachen mit mir herumtragen, keine Kamera, keinen Schmuck, kein Portemonnaie, natürlich auch keine Markenklamotten. Am besten sollte ich also buchstäblich nackt durch Rios Straßen laufen, dabei aber bloß nicht auffallen. Auch die Taxifahrer („alles Gauner“) seien zu meiden und das Busfahren („viel zu gefährlich!“) sowieso.

Wie man dann von A nach B kommen soll, konnte mir zwar niemand sagen. Doch obwohl mir in Brasilien noch nie etwas passiert ist („da hattest du doch nur Glück“), stimme ich zumindest in einem Punkt mit den beunruhigten Bedenkenträgern überein. Busfahren ist gefährlich! Und wie!!

Dabei muss man sich aus meiner Sicht weniger vor böswilligen Banditen als viel mehr vor böswilligen Busfahrern in Acht nehmen. So ist das Anhalten eines heranrauschenden ônibus in Rio de Janeiro eine ähnlich schweißtreibende und intensiv betriebene Sportart wie Fußball oder Beachvolleyball. Denn die nicht mehr ganz taufrischen Busse stoppen an den Haltestellen nur, wenn man ihnen sehr energisch zuwinkt.

Das Problem: Da es nur ein sehr kleines Metro-Netz in Rio gibt, fährt die ganze Stadt mit Bussen. Und die rauschen im Sekundentakt an einem vorbei. Wer aber traut sich schon, auf die vielbefahrene zwei- oder sogar dreispurige Copacabana zulaufen, um einen Bus auf der anderen Seite der Straße zum sofortigen Spurwechsel und Halten zu animieren? Dabei kommt es nicht nur auf einigen Mut – oder Leichtsinn – an, sondern vor allem auf echte Adleraugen.

Auf den Anzeigen an den Bussen ist das Fahrtziel nämlich aus der Ferne kaum zu erkennen, und ist das Vehikel nahe genug, rast es auch schon wieder vorbei. Nein, auf den Straßen Rios werden wirklich keine Gefangenen gemacht. Doch hat man den Dreh raus, kommt man eben doch von A nach B – wenn man nicht gerade ein paar Meter weiter im Dauerstau hängen bleibt.

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