Konditor Heinrich Stubbe wanderte vor 25 Jahren von Meppen nach Ottawa aus, backt heute raffinierte Torten im Fernsehen und beliefert sogar den kanadischen Premierminister

Man muss schon von dem süßen Geheimnis wissen, das in dem schmalen Laden wartet, sonst geht man vorbei am schmucklosen Schaufenster und den drei Tischen mit Häkeldecken dahinter. „Stubbe Chocolates“ steht auf der blauen Markise, die irgendwie nicht so recht passen will zur gesichtslosen Fassade des Bürogebäudes in der Dalhousie Street 375. Einmal drin, ist der Empfang um so herzlicher. Heinrich Stubbe weht heraus aus seiner Backstube, in blauer Konditorenjacke mit aufgesticktem Namen. Strahlendes Lächeln, zupackender Handwerker-Händedruck – er ist einer dieser Menschen, die noch nichts gesagt haben, aber allein mit ihrem Auftritt Lebensfreude und Unternehmergeist verströmen. Plus eine gehörige Portion Selbstbewusstsein.

Die gibt’s nun zur flugs servierten Zitronen-Marzipan-Torte. Warum er vor 25 Jahren ausgewandert ist? „Weil ich nie mehr früh aufstehen wollte“, beginnt er seine Goodbye-Deutschland-Story. „Und raus musste aus Meppen!“ Zu provinziell sei es dort Ende der 80er-Jahre gewesen, sagt Stubbe. Keine Frage, Ottawa ist größer, aber wahrlich keine Weltmetropole. Wieso nicht New York oder Toronto? „Hat mir mein Astrologe geraten“, antwortet Stubbe kurz und guckt schelmisch-herausfordernd. Witzbold! Auch er ist offenbar infiziert vom hier weit verbreiteten britischen Humor. Stubbe sieht die Zweifel, knipst sein Schalk-Gesicht aus und das ernste an. „In wichtigen Lebensentscheidungen folge ich meinem Astrologen Winfried Noé in München. Wenn ich Personal einstelle, das Geschäft umbaue, ja – kürzlich auch bei meiner dritten Hochzeit mit Pilar aus Kolumbien“, sagt er und schiebt beschwörend in Emsland-Englisch hinterher: „Sät’s tru!“

Damals hätten die Sterne eben gegen Australien und USA, aber für Ottawa entschieden. War wohl richtig, denn heute backt Stubbe nicht mehr ab 3 Uhr morgens kleine Brötchen, sondern verkauft Hochzeitstorten für 600 Dollar bis nach Manhattan und 150.000 selbst kreierte Trüffel pro Jahr, von Himbeer-Champagner bis Bier. Schon springt er auf, greift ein Blech mit Zartbitter-Damen-Pumps, die er mit Zuckerguss-Blümchen und Bordüren verziert. „Auch Kanadas Premierminister bestellt bei mir“, sagt er stolz. „Herr Schokolade“ wird Heinrich Stubbe genannt, in Zeitungen und bei TV-Auftritten.

Unvergessen sein erster: Kurz vor Weihnachten 1989, ein halbes Jahr nach Ladeneröffnung, formte er vor 300.000 Zuschauern einen lächelnden Schoko-Nikolaus. Viele Kunden wollten tags drauf in Stubbes Laden genau diesen Vollmilch-Ruprecht. Doch Herr Schokolade hatte nur eine Form, um ihn zu gießen, weitere Formen waren nicht zu bekommen. „Ich habe Hunderte Bestellungen aufgenommen, die Leute vertröstet und dann nächtelang durchproduziert“, erinnert sich der Konditor.

Die Geduld der Kunden und ihr Vertrauen in Mister Konditor aus Germany beeindrucken Stubbe bis heute. „Innerhalb von drei Monaten hatte ich meine Papiere von den kanadischen Behörden, weil ich die Marktlücke Konditorei mit Schwerpunkt Trüffel entdeckt hatte“, sagt er. Auf einen Businessplan sei es den Beamten angekommen, nicht auf gute Sprachkenntnisse. Die fehlten Heinrich Stubbe: „Etwas Schul-Englisch, mehr war nicht. Aber das hab ich schnell nachgeholt, jeden Tag Zeitung gelesen und Kinderfernsehen geguckt“, sagt er grinsend. Drei Jahre später war er eingebürgert. Zurück nach Deutschland? „Nee, hab keine Sehnsucht“, antwortet der 64-Jährige. Ans Aufhören verschwendet er keinen Gedanken, findet Wörter wie „Renteneintrittsalter“ einengend und unsinnig. „Jeder soll so lange arbeiten, wie er will!“

Doch obwohl sich Heinrich Stubbe am liebsten auf sich selbst, die Sterne und seinen Astrologen verlässt, so hat er doch vorgesorgt für die Zukunft. Sein Sohn Daniel leitet bereits seit ein paar Jahren die Filiale in Toronto, Tochter Anne wird irgendwann wohl das kanadische Stubbe-Stammhaus in Ottawa übernehmen. Beide Kinder helfen ihrem Vater, jedes Jahr wieder neue Pralinen- und Trüffel-Kreationen zu erfinden. „Das erwarten die Leute hier in Kanada – vor allem zu Ostern und zu Weihnachten“, sagt Stubbe, „und wer diese Erwartung nicht erfüllt, der ist schnell weg vom Markt.“

Anne Stubbe hat sich auf raffinierte Hochzeitstorten spezialisiert und auf Schoko-Spezialitäten für besondere Ereignisse. Für die Einweihung eines neuen Pianos wird dies schon mal in kleinerem Maßstab originalgetreu nachmodelliert. Zu Weihnachten gibt’s nicht mehr nur lächelnde Nikoläuse, sondern Schoko-Christbaumkugeln. Wer sie probiert, beißt auf eine – ebenfalls schokoladene – Schneeflocke, von Stubbes liebevoll in die Kugel eingearbeitet.