Entertainment an Bord ist ein großes Geschäft. Auf dem dritten TUI-Kreuzfahrer setzt das weltweit erste Klanghaus ganz neue Maßstäbe

Die Luft brennt in Berlin-Mitte. In dem Gebäude um die Ecke vom Gendarmenmarkt, in dem TUI Entertainment residiert, wird ein erotisch aufgeladenes Musical geprobt. Tänzer werden auf den TUI-Kreuzern „Mein Schiff 1“, „Mein Schiff 2“ und ab Juni auf „Mein Schiff 3“ eine heiße Show auf der Bühne hinlegen. Diese wird optimale Bedingungen haben, wie es sie in der globalen Kreuzfahrt bisher nicht gab.

Schöne junge Menschen bewegen sich in einer blasigen, dampfenden Atmosphäre übers Parkett. Es hat exakt die Größe der Theaterbühne auf dem Schiff, das im November 2013 auf einer finnischen Werft vom Stapel lief und ab Juni auf Kreuzfahrten geht. Sie tanzen in legerer Kleidung für das Musical „Luna“, in dem es um das Geschlechterverhältnis geht. Die Frauen winden sich lasziv über den Boden, die Männer steigen ihnen in Machopose hinterher. Es geht um Verführung, ewiges Spiel zwischen Frau und Mann. Immer neu werden Abläufe verändert, Sprunghöhen erweitert, Gesten verstärkt. Auf Anziehung folgt Abstoßung, das Spiel hört nie auf. „Summer of 69“ von Brian Adams dröhnt aus den Lautsprechern. Und zwischendurch ruft die chilenische Choreografin Daniela Meneses, die jahrelang Tänzerin an der Deutschen Oper Berlin war: „The girls change position“ oder „Hey, boy, look at this girl!“ Die Stimmung ist atemraubend.

Jedes größere Kreuzfahrtschiff hat eine Bühne. Oft ist sie klein, hat keine besonders gute Akustik und ist technisch unzuverlässig ausgerüstet. Das stört nicht nur die Künstler, sondern auch Zuhörer, die etwas geboten haben wollen. „Mit dem Boom der Kreuzfahrtschiffe hat sich das künstlerische Niveau radikal gewandelt“, sagt Thomas Schmidt-Ott, Geschäftsführer von TUI Entertainment und zuständig für Produktionen wie Musicals, aber auch Klassik an Bord. „Wir sind beim hochwertigen Entertainment angelangt. Ohne ein technisch versiertes und bühnenerfahrenes Team aus Regisseuren, Choreografen, Ton-, Bühnen- und Lichttechnikern und so etwas wie einen kundigen Hausmeister, der alles im Griff hat, geht es in der ambitionierten Kreuzschifffahrt nicht mehr. Da braucht es innovative Konzepte.“

Schmidt-Ott und der Künstlerische Leiter Wolfram Korr, beide Musiker, Ersterer Cellist, Letzterer Geiger, die in renommierten Orchestern spielten, haben sich bei „Mein Schiff 3“ starkgemacht. Schließlich ließ man die Schöngeister an den Entwürfen der Innenausstattung des Bordtheaters mitreden. Der Theatersaal im neuen Flaggschiff des hannoverschen Konzerns hat mehr als 1000 Plätze und erstreckt sich über drei Decks. Die Ausstattung ist dazu angetan, Intendanten von Theatern an Land blass werden zu lassen. Höhenverstellbare Doppelring-Drehbühne, acht fahrbare LED-Wände, Top-Soundanlage, vier 80-Zoll-Boxen, Lichteffekte. Über zwei Flugwerke können Schauspieler über die Köpfe der Gäste hinweg auf die Bühne „eingeschwebt“ werden. Im Hintergrund werden elf Techniker agieren. Auf „Mein Schiff 3“ wird möglich sein, was bisher unmöglich war.

„Wir gehen davon aus, dass die Shows 100 Prozent Auslastung haben werden“, sagt Schmidt-Ott. „Die Ansprüche der Gäste sind hoch, das Publikum ist gebildet und sehr entertainment- und theateraffin. Das wissen wir aus den Befragungen zur Gästezufriedenheit.“ Deshalb wird nicht nur technisch, sondern auch personell aufgerüstet. Das aufwendige Ausbildungsprogramm von TUI Entertainment dürfte einmalig sein. Zurzeit sind 40 Bühnenkünstler und Musiker unter Vertrag. Schmidt-Ott, der lange für Fernsehshows gearbeitet hat, ließ neun Shows einstudieren, sie werden auf den drei TUI-Dampfern wechseln, jede Show läuft drei bis vier Jahre. Insgesamt sind es 20 Formate, denn neben dem Theater gibt es Auftritte in der Schau-Bar und in der TUI-Bar. Um das bewältigen zu können, hat der Technik-Fan als Knüller eine Black Box Band eingeführt. Das sind virtuelle Musiker, die so auftreten, als seien sie leibhaftig anwesend. 30 Stunden Inhalt, Rock und Pop vom Besten, über iPad gesteuert. „Das alles geschieht dreidimensional, erscheint wie ein Live-Konzert und ist doch komplette Illusion“, sagt Schmidt-Ott.

Dem Künstlerischen Leiter Wolfram Korr ist das Klanghaus, wie der Bühnensaal auf „Mein Schiff 3“ heißt, besonders wichtig. „Ganze Orchester können dort aufspielen“, begeistert sich der gebürtige Franke, der sechs Jahre Konzertmeister am Staatstheater Cottbus war, Regisseur, Dramaturg und Manager. Korr hat mehrere Musicals verfasst, auch „Luna“, das im Juni startet. „Wir erleben einen Paradigmenwechsel“, sagt er. „Unser Publikum ist nicht prätentiös, will aber begeistert werden. Der Unterschied zum lauten US-Entertainment ist krass: Amerikaner kaufen Gastkünstler aus Las Vegas ein und übernehmen Broadway-Shows, Hauptsache, es glitzert und kracht! Wir produzieren im kompletten Eigenbetrieb.“ Wolfram Korr kennt seine Pappenheimer. „Deutsche sind am Stadttheater orientiert, aber auf dem Schiff wollen sie amüsiert statt belehrt werden. Schiller geht nicht, aber revuemäßiger, inhaltsloser Glamour auch nicht. Es muss intelligente Unterhaltung sein. Da kommt die ironisierende Persiflage einer Schlagershow besser an als Themen wie Einsamkeit oder Liebeskummer.“

Mit dem 270 Quadratmeter großen Klanghaus wird TUI auf seinem dritten Ozean-Kreuzer den ersten natürlich klingenden Raum auf einem Schiff haben, die Akustik gleicht der eines Konzerthauses für Philharmoniker. „Im Theater wird nicht die Schiffsschraube zu hören sein wie sonst überall, es gibt keine störenden Geräusche wie das Rauschen der Motoren. Der Raum liegt in der Mitte des Schiffes und ist total schallisoliert“, sagt Schmidt-Ott. In der Decke nisten zwölf Ganzflächenmikrofone, 150 Lautsprecher sind in den Seitenwänden versteckt. „Die erste kammermusikalische Philharmonie auf hoher See“, sagt Schmidt-Ott. „Wenn wir die Wände öffnen, ergießt sich das Meer mit seinen Wellen durch die Panoramafenster in den schwimmenden Saal.“ Das hat tatsächlich kein Konzerthaus zu bieten.

Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin wird als erster berühmter Klangkörper an Bord auftreten. Seine Musiker, sagt Orchesterdirektor Alexander Steinbeis, seien „sehr gespannt auf das Erlebnis im Klanghaus. Die Atmosphäre eines Kreuzfahrtschiffs in Verbindung mit einem Konzertsaal wird eine einzigartige Erfahrung sein.“ Auch mit den Wiener Philharmonikern ist TUI im Gespräch, sie sind bereits auf „Mein Schiff 2“ aufgetreten. Auf dem neuen Schiff wird es von Oper bis zu Kammermusik alles geben, was bisher nur sehr begrenzt möglich war. Hochkarätige Gastkünstler sind engagiert. Unter anderem wird das Schlosspark Theater Berlin unter Leitung von Dieter Hallervorden für Stimmung sorgen. „Aus den Brettern, die die Welt bedeuten, werden diesmal Planken“, hat er schon als Vorab-Gag preisgegeben.

Aber auch hier kommt moderne Technik zum Zuge. Die besten Konzertsaalexperten wurden zurate gezogen. Die niederländischen Klangexperten von Acoustic Control Systems installierten ein innovatives Soundsystem. Mit ihm können Klangvarianten aller Konzerthäuser simuliert werden. „Das hat was von Magie“, sagt Wolfram Korr.