Von der kleinen Elbinsel Krautsand in die weite Welt: Kapitän Ulf Wolter ist Chef auf Hapag-Lloyds neuem Flaggschiff „Europa 2“ – und ein ganz unprätentiöser Buchautor

Krautsand, knapp 50 Kilometer flussabwärts von Hamburg gelegen, seit 1620 besiedelt, heute Teil der Gemeinde Drochtersen im Kehdinger Land. Reges Vereinsleben und eine Gemeinschaft, die jährlich den Hafenball ausrichtet, mit Krautsander Kusswalzer als Höhepunkt. Viele Insulaner stammen aus Seefahrer-Dynastien. So wie Ulf Wolter, der seit Kurzem das Kommando auf der „Europa 2“, dem jüngsten Flaggschiff von Hapag-Lloyd, innehat.

Wolter ist ein Kapitän unserer Zeit, kein Raubein mit Vollbart, eher Typ großer blonder Junge. Segler und Seemann aus Passion, stolz auf seine Krautsander Herkunft, stolz auf sein neues Schiff, zu Hause in Övelgönne, dem Strom möglichst nahe. Längst ist sein Feld die große Welt – im doppelten Sinn. Er folgt damit dem Motto Albert Ballins, des legendären Hapag-Direktors und Erfinders der Kreuzfahrt. Und er begrüßt eine Klientel an Bord, die zu den anspruchsvollsten Seereisenden einer neuen Generation gehört.

Der Sympathie der Passagiere und des Respekts der Kollegen an Bord kann Ulf Wolter schon deshalb sicher sein, weil er gänzlich unprätentiös auftritt. Weder stolziert er übers Deck, noch lässt er den „Master next God“ raushängen, der ein Kapitän gleichwohl auch heute ist, besonders auf einem Schiff, das in den Häfen zwischen Hamburg und Hongkong Bewunderung auslöst.

Bei aller Weltläufigkeit und aller Neugier auf fremde Küsten, vielfach ausgelebt in seinen Jahren als Chef auf dem Expeditionsschiff „Hanseatic“, bleibt der 47-jährige Ulf Wolter doch bodenständig, geprägt von einer Kindheit an der Elbe, wo er schon früh auf der eigenen Jolle drei Fuß Wasser unterm Kiel hatte. Als Jugendlicher schrubbte er das Deck des familieneigenen Kümos, nach dem Studium in der alten Seefahrtschule ließ er sich als 3. Offizier auf Hamburg-Süd-Schiffen die ersten Stürme um die Nase wehen.

Ulf Wolter würde wohl auch heute noch die Navigation mit dem Sextanten „hinkriegen“, wie er schmunzelnd sagt. Der Mann aus Krautsand kann zwar herzlich lachen, ist aber eher einer, der zurückhaltend lächelt, der „einen im Sinn hat“, wie man sagt. Wer ihn aber jemals beim Zodiac-Fahren auf dem Amazonas oder vor Neuguinea gesehen hat, weiß, wie ausgelassen er sein kann.

Museumshafen Neumühlen, Restaurantschiff „Bergedorf“. Der Kapitän trägt heute Troyer und Jeans. Er freut sich, dass er noch ein paar Wochen mit Sohn Vincent und seiner neuen Lebensgefährtin genießen kann. Ende Mai steigt Wolter im spanischen Cartagena auf seinen Luxusdampfer, um gleich wieder Kurs auf Hamburg zu nehmen. Danach einige Schnuppertörns, Kiel– Hamburg oder Kiel–Kiel. Dann ab ins Mittelmeer, Spanien, Italien, Griechenland. Vermisst er nicht die Indianerdörfer am Oberlauf des Amazonas, die fernen Küsten von Kamtschatka oder die Herausforderung Nordost-Passage, „Traum eines jeden Navigators“?

Ulf Wolter ist eine ehrliche Haut, aber er ist auch Diplomat in Diensten von Deutschlands renommiertester Reederei: „Es war eine großartige Zeit, ich habe gesehen, was heutzutage nur noch wenigen Seeleuten vergönnt ist. Aber jetzt habe ich ein anderes Traumschiff“, eines mit dieselelektronischem Antrieb und Technik, die sein Herz höher schlagen lässt. Die neue Lässigkeit auf der „Europa 2“, der legere Dresscode, das alles passt sowieso zum ihm.

Wenn Ulf Wolter nach drei Monaten Fahrenszeit wieder für drei Monate an Land ist, wird er sich, wie schon seit Jahren, dem Schicksal von Wracks auf der Südhalbkugel widmen – im Internet, aber auch vor Ort und in Korrespondenz mit Gleichgesinnten. Sogar ein Buch hat er über die „Wracks am Ende der Welt“ geschrieben, zusammen mit einem Berliner Fotografen.