Es gibt Jobs in der Reisebranche, die erfordern viel Geduld. Stewardess zum Beispiel. „Möchten Sie Huhn oder Pasta?“ oder „Bitte bleiben Sie noch so lange angeschnallt sitzen“ usw. Und dann gibt es Jobs, die muss man leben und atmen. Cruise Director auf einem Kreuzfahrtschiff gehört definitiv in diese Kategorie. Fast ununterbrochen im Einsatz, sieben Tage, manchmal länger gefangen mit den Kunden auf einem Kahn. Alle hören auf sein Kommando, und das lautet: „Fun, Fun, Fun! Komme, was wolle, wir haben Spaß.“ Ein Cruise Director ist eine Mischung aus Animateur, Psychiater und Sadist. Er verführt die Leute zu dämlichen Spielen, die man zu Hause in Pinneberg oder Texas nie machen würde, aber auf einem Kreuzfahrtschiff, tja, kann man ja mal probieren.

Ein Meister seines Faches ist Dr. E aus Atlanta. Wer ihn kennenlernen will, muss eine Tour von Miami durch die östliche Karibik buchen. Geht man an Bord, hört man als Erstes seine Stimme. Unvergesslich, unüberhörbar, ohrenstöpselresistent: „I say good Morning, good Morning. Gooooood, gooood, I say goood, gooood ...“ Dr. E singt seine Ansagen durch die Lautsprecher, weil er das Gefühl hat, dass ein gesprochenes „Guten Morgen“ zu langweilig sein könnte. Manche Passagiere finden diese Begrüßung toll und möchten sie als Klingelton downloaden. Andere begreifen panisch, in was für eine Fun-Cruise sie geraten sind.

Dr. E hat auch einen Gesang für die simple Information, dass noch Plätze im Steakhouse frei sind. Das Wort Steakhouse lässt er dabei wie Mariah Carey zu ihren besten Zeiten quer über alle Tonleitern wandern. Vielleicht war Dr. E früher mal Rapper, das würde seinen Namen erklären. „Nein“, sagt er, „meine Mama arbeitet als Krankenschwester.“ So sei er, der eigentlich Everson Bevelle heiße, auf die Idee gekommen, sich einen Doktortitel zu verpassen. Keine so schlechte Begründung. Ohnehin hat der 28-Jährige eine Spontaneität auf Lager wie der junge Thomas Gottschalk. Und da wir gerade beim Promi-Vergleich sind: Dr. E sieht aus wie Eddie Murphy, allerdings besser gekleidet, stets Hemd, Weste, Fliege, möglichst bunt. Und er ist wie Hape Kerkeling gesegnet mit einer „Keiner ist mir böse“-Garantie. Egal welchen dämlichen Scherz er sich erlaubt, die Leute schütteln sich vor Lachen wie Christbaumkugeln. Lässt er stocksteife Herren über den Catwalk laufen, haut er ihnen als Motivation auf den Po. Eine Dame namens Barbara spricht er konsequent mit „Barbie-Buh“ an. Bei der Morningshow ruft er Menschen in ihren Kabinen an und fragt, ob er ein Steak in ihrem Zimmer braten dürfe.

Es sind Witze zum Davonschwimmen, dafür aber viele, und mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Nach drei Tagen Abscheu findet man Dr. E super. Man verzeiht ihm Spiele wie „Wer hat die schönste behaarte Brust?“ oder „Wie viele Orangen passen in eine Badehose?“, denn die Leute applaudieren. Da sie sich dabei am Pool befinden und (zu) wenig Kleidung tragen, kommt viel Winkfleisch zum Vorschein. Cruise Directors müssen mehr davon in ihrem Leben sehen als andere Menschen. Mit Winkfleisch bezeichnen böse Zungen die hängenden Oberarme älterer Frauen. Dr. E hat eine böse Zunge. Ohne Pardon berichtet er von einer betrunkenen Dame, die bei einer „Elegant Night“ im Abendkleid über Deck wankte, kurz anhielt, die Beine breit machte, auf den Boden pinkelte und in ihrem nassen Kleid weitertorkelte. „Jesus!“, empört sich Dr. E, dessen Lieblingswörter außerdem „Easypeasy“, „Ringdingedingdong“ und „Bummchakalacka“ sind. Gern ohne konkret erkennbaren Zusammenhang zum Kontext.

Ein Charme wie ein Tsunami, aber im Grunde hat Dr. E seinen Arzttitel verdient. Lachen ist die beste Medizin.