Die Hauptstadt der dänischen Region Syddanmark verbindet Historie und Zukunft und entwickelt sich zu einem Ziel für Architektur-Interessierte

Leicht sind sie nicht zu finden, der alte Gorm und sein Sohn Harald Blauzahn. Jedenfalls nicht, wenn man sich im Stadt-Labyrinth von Vejle verfranzt hat. Kein Wegweiser nirgendwo. Dabei gehören doch die Runensteine von Jelling, die an die Wikingerkönige erinnern, zum Weltkulturerbe, seit 20 Jahren schon. Und es handelt sich immerhin um die Urväter der dänischen Monarchie, jener Dynastie, die in gerader Linie bis zu Margrethe II. führt.

Rechts, links, nach dem dritten Kreisverkehr zweimal rechts ... oder so ähnlich. Das war die Auskunft, die uns der Tankwart am Ortsausgang von Vejle gegeben hatte. Letztlich brachte sie uns dem Ziel doch näher, auf wildromantischen Umwegen, über kurvenreiche und enge Straßen, durch die verwunschenste Gegend Mitteljütlands. Und der Kalauer des Beifahrers wurde zum Running Gag der Tour: „Gut Ding will Vejle haben ...“

Die Stadt am gleichnamigen Fjord nimmt nicht durch eine kuschelige Altstadt für sich ein wie viele andere dänische Klein- und Mittelstädte. Sie gilt aber als beliebter Seminar-Treff nach Kopenhagen, auch als Wellness-Oase mit entsprechenden Hotels, vor allem als Standort für Ausflüge zu so berühmten Attraktionen wie Legoland (46 Jahre alt, 30 Kilometer entfernt) oder eben das Königliche Jelling (über 1000 Jahre alt, zwölf Kilometer nach Nordwesten). Neuerdings aber ist Vejle auch auf dem besten Wege, durch spektakuläre Architektur weit über Jütlands Grenzen hinaus aufzufallen. Morten Damgaard, verantwortlich für Marketing und Tourismus, schwärmt von der neuen Hafencity, die durch so renommierte Künstler wie Olafur Eliasson, Däne mit isländischen Wurzeln, mit gestaltet wird. Und natürlich von Bølgen, das heißt Welle, einem Komplex, der Reisende auf der E45 gen Norden für einen Moment langsamer fahren lässt. Noch sind nur zwei Apartmenthäuser miteinander verbunden. Mindestens drei weitere Anbauten werden in den nächsten Jahren hohe Wellen schlagen, in jeder Hinsicht.

Morten hat kein Problem damit, dass viele Vejle-Besucher vor allem wegen Sehenswürdigkeiten kommen, die nicht in der Stadt liegen. Außer auf die Superbauten der Moderne möchte er denn doch in aller Bescheidenheit auf die Nikolaikirche und, damit verbunden, einige gruselige Details aufmerksam machen. Klar, Morten, das muss man gesehen haben: 23 Schädelreste an der Außenmauer, die an enthauptete Räuber erinnern, und drinnen den Sarg mit einer weiblichen Moorleiche, von der man früher annahm, es sei Gunhild, die Frau von Harald Blauzahn, gewesen. Schade um die Legende, aber die Tote stammt, so sagen die Fachleute, aus der keltischen Eisenzeit, und die war etwa 1500 Jahre vor Gorms, Haralds und Gunhilds Epoche.

Also raus nach Jelling, zu den weltberühmten Runensteinen aus dem zehnten Jahrhundert. Auf dem kleineren der beiden Granitblöcke feiert Gorm der Alte seine Frau Thyra als „die Zierde Dänemarks“. An dieser Stelle soll das Wort „tanmarka“ zum ersten Mal benutzt worden sein. Daneben, mit dem wesentlich größeren Stein, erinnert der Sohn Harald, der mit dem Blauen Zahn, an seinen Vater Gorm und seine Mutter Thyra.

Viel zu lange waren die Denkmäler Wind und Wetter ausgesetzt. Auch die Berührungen unzähliger Besucher trugen nicht dazu bei, die Inschriften leserlich zu konservieren. Hans Ole Mathiessen ist froh, dass das Weltkulturerbe seit zwei Jahren unter Glas geschützt ist. Er ist der Direktor des Museums Königliches Jelling und verantwortlich für das Gesamtensemble einschließlich der beiden historischen Grabhügel, die Kirche und Runensteine einrahmen.

Erst vor ein paar Monaten hat Matthiessen Königin Margrethe II. begrüßt, die gern nach Jelling kommt, zu den Taufsteinen ihres kleinen Königreichs, die auch für den Beginn des christlichen Dänemarks stehen. Ganz neu markieren nun eine Reihe hoher, weißer Stäbe die Palisaden der einstigen Königsfestung, und weiße Fliesen deuten Schiffssetzungen an, bootsförmige Grabanlagen aus der Wikingerzeit. Eine Installierung, die wissenschaftliche Erkenntnis und künstlerische Gestaltung miteinander verbindet.

Noch immer ist ein Teil des Museums geschlossen. Großzügige Geldmittel eines Fonds machen einen zusätzlichen Trakt sowie aufwendige neue Darstellungen möglich. Die Königin hat versprochen, mit dem nächsten Besuch nicht bis zur Wiedereröffnung im Frühjahr 2015 zu warten. Und der neue Pastor der Jelling-Kirche, ein knappes Jahr im Amt, hat sie natürlich in „sein“ Gotteshaus eingeladen. Es steht inmitten des historischen Ensembles und ist als Hochzeitskirche über die Gemeindegrenzen hinaus beliebt.

Ein kurzes Innehalten im Kirchenschiff, danach ein paar deftig belegte Smørrebrød im Kgl. Privilegierten Wirtshaus nebenan. Dann hören wir amüsiert zu, wie die Ausflugsgruppe, die an der Steinmauer rund ums historische Gelände ihr Picknick genießt, sich ebenfalls auf dem Weg nach Jelling verfahren hat...und genau wie wir den Umweg nicht missen möchte.