Veranstalter und Touristen unterstützen immer häufiger Schulen, Kinderdörfer, Waisenhäuser und andere Projekte in ärmeren Urlaubsländern. Unter anderem auch in Myanmar.

Es war ihr fünfter Tag in Myanmar, und er war so heiß und überwältigend wie die Tage zuvor auf ihrer großen Studienreise durch dieses ferne, faszinierende Land, das früher Burma hieß. Birgit Drixler, pensionierte Lehrerin aus der Nähe von Heidelberg, und ihr Mann hatten sich vorbereitet, viel gelesen über soziale Verhältnisse, über die Religion, über diverse Volksgruppen.

Der Besuch einer buddhistischen Klosterschule in der Millionenstadt Mandalay stand an diesem Tag auf ihrem Programm. Der Abt U Nayaka führte die Gruppe durch Klassenräume, Küchen und einige „Internats“-Zimmer. Er ist ein Mann, der auf Anhieb begeistert, ein Geistlicher mit großer Ausstrahlung, ein Pädagoge, der viel lacht und offensichtlich beliebt ist bei den Schülern. Es sind an die 7000 Straßenkinder und Waisen, die hier unterrichtet werden, viele von ihnen wohnen auf dem Gelände, die meisten erleben zum ersten Mal einen geregelten Tagesablauf mit zwei Mahlzeiten und einer liebevollen Betreuung.

Birgit Drixler war über Jahrzehnte Lehrerin für Mathe und Kunst, und sie war es gern. In Mandalay sah sie die bescheidenen Verhältnisse in den Klassen- und Wohnräumen. Sie erlebte, wie improvisiert werden musste, sie sah aber auch den Eifer und die Fröhlichkeit der Kinder, die aus ärmsten Verhältnissen kommen. Noch am selben Abend beschloss sie, wiederzukommen, sich „einzubringen“.

Ein knappes Jahr später, Ende November 2013, bezog sie mit ihrem Mann im Kloster Phaung Daw Oo für drei Monate ein kleines Zimmer. Schnell fand sie Kontakt zu einheimischen Lehrkräften, stiftete Kinder, die nie zuvor gemalt hatten, zum Umgang mit Farbe und Pinsel an. Als ihr das Material ausging, überwies Ruth Hopfer-Kubsch, Geschäftsführerin des Vereins Studiosus Foundation, eine Summe, die die Fortsetzung des Unterrichts garantierte.

Studiosus in München gehört seit Jahren zu den besonders aktiven Reiseunternehmen bei der Verbesserung der Lebensbedingungen in vielen Zielgebieten. Auch den Erhalt des kulturellen Erbes und den Schutz der Natur haben sich das Unternehmen und der ihm angeschlossene Verein zur Aufgabe gemacht. Nachhaltigkeit heißt das Motto, das immer mehr Unternehmen, aber auch Individualtouristen zu einer geradezu unglaublichen Vielfalt von Projekten führt, oft angestoßen von Reiseleitern, Agenten oder Urlaubern vor Ort.

Sie unterstützen, wie der Berliner Zugreise-Veranstalter Lernidee, ein Waisenhaus in der Mongolei oder den Bau von Brunnen in afrikanischen Dörfern, sie ermöglichen, wie die Georg-Kraus-Stiftung des Wanderveranstalters Wikinger-Reisen, Indianerkindern in Guatemala den Schulunterricht. Sie übernehmen, wie Thomas Cook, die Patenschaft für die Restaurierung des Weltwunders Angkor Wat in Kambodscha, sie finanzieren, wie der Indien-Spezialist Comtour in Essen, Frauenprojekte in der Provinz Tamil Nadu. Oder sie helfen, wie die Hamburger Kreuzfahrtreederei Hapag-Lloyd zusammen mit der Organisation Stiftunglife, den „Swimming Doctors“ bei der Betreuung von Flutopfern.

Jedes Jahr reisen etwa acht Millionen Deutsche nach Afrika, Asien oder Lateinamerika, in Regionen, die zu den ärmsten der Welt gehören. Besonders Studienreisende interessieren sich zunehmend für „Land und Leute“, für den häufig sehr schweren Alltag. Bei Besuchen in Schulen, Kinderdörfern und anderen Einrichtungen, die Veranstalter unterstützen, kann dieses Interesse befriedigt werden – zum Nutzen aller.

Das sieht auch Astrid Kösterke vom Studienkreis für Tourismus und Entwicklung so: „Wenn Projektbesuche gut vorbereitet werden, haben alle etwas davon: die Menschen vor Ort, weil sie Beachtung und Anerkennung finden, der Reiseveranstalter, weil er bei den Gästen sein soziales Engagement belegen kann, und die Reisenden, weil sie einen Einblick in den Alltag bekommen haben und sich im besten Falle künftig selbst für solche Projekte engagieren.“

Auch Birgit Drixler in Myanmar hat, wie die meisten Helfer, die tiefer in ihr Gastland eingetaucht sind, Erfahrungen gemacht, „die mir viel gegeben haben“. Sie wird sich im Herbst erneut für ein Vierteljahr auf den Weg nach Mandalay machen, mit neuen Ideen für den Unterricht, mit anhaltender Unterstützung der Studiosus Foundation. Schon bei ihrem ersten Besuch in der Klosterschule hat sie gespürt, dass „unsere Reise auf einmal einen tieferen Sinn bekommen hatte“.

Der Deutsch-Brite Roy Heron, Mitarbeiter in der Verkehrsleitung bei Condor, machte vor acht Jahren im Nordosten Brasiliens eine ähnliche Erfahrung, als er zum ersten Mal das Kinderdorf Guarabira kennenlernte. Seit Mai 2013 sichert nun ConTribute, eine Initiative seines Arbeitgebers zusammen mit HelpAlliance, mehr als 300 Klein- und Schulkindern aus den Armenvierteln Ausbildung, Unterkunft, Geborgenheit. Roy Heron fliegt Jahr für Jahr nach Recife, um sich von dort auf den Weg in „sein“ Dorf zu machen, „jedes Mal eine Bereicherung meines Lebens“.

Auch Kreuzfahrer helfen in vielen Winkeln der Erde. Mal sammeln sie, wie die Passagiere der „Hanseatic“, für einen Außenbordmotor, der Fischern an der Küste von Neuguinea die Arbeit erleichtert, mal schickt die Reederei kistenweise Medikamente, die der Bordarzt einheimischen Krankenschwestern übergibt. Wie viele andere namhafte Unternehmen, zum Beispiel TUI, Aida, airtours und Gebeco, hat sich auch die Condor-Mutter Cook der wohl größten Initiative der Branche angeschlossen: Futouris heißt sie, engagiert sich mit ihren Mitgliedern im Umwelt- und Klimaschutz und stellt sich auf vielfältige Weise der soziale Verantwortung der Veranstalter und ihrer Gäste.

Urlauber, die sich einem Land verbunden fühlen, entwickeln häufig Projekte oder Patenschaften. Das gilt verstärkt, wenn Katastrophen wie der Tsunami im Indischen Ozean unsägliches Leid über Länder bringen, die eben noch Traumziele waren. So haben sich nach der Jahrhundertflut von 2004 neben großen Organisationen zahlreiche ehemalige Thailand- oder Sri-Lanka-Urlauber zur Soforthilfe entschlossen, Geld gesammelt, beim Wiederaufbau angepackt.

Der Hamburger Versicherungsfachmann Jan Hennings sammelte damals mit Gleichgesinnten Geld für sein Lieblingsziel Sri Lanka. Daraus entstand der Sri-Lanka-Verein. Seine Mitglieder unterstützen Projekte auf der Tropeninsel, sie finanzieren Lehrer in Dorfschulen oder helfen beim Unterhalt eines Altenheims. Vor allem vergeben sie Kleinstkredite an Frauen, damit diese sich eine Existenz aufbauen können: eine Hühnerzucht, einen Dorfladen, Mini-Manufakturen für Kleider, insgesamt mehr als 80 kleine „Unternehmen“. Mehrmals im Jahr reisen Mitglieder des Hamburger Vereins auf „ihre“ Insel, um zu sehen, wie sich die Projekte entwickeln. Und jedes Mal bringen sie Anstöße für neue Notwendigkeiten mit, die dann, einmal im Monat, im Altonaer Café Breitengrad diskutiert werden. So wurde vor einem Jahr im Süden der Insel ein Klöppelkurs eingerichtet und damit an eine verloren geglaubte Tradition der Holländer angeknüpft, die das Handwerk vor Jahrhunderten auf die Insel brachten. Mit ihren „Spitzen“-Produkten können heute ein gutes Dutzend Frauen zum Unterhalt ihrer Familien beitragen.