Einmal im Monat, immer bei Vollmond, treffen sich Hunderte Kapstädter, um gemeinsam in die Pedale zu treten. Die größte Radtour Afrikas startet um 21 Uhr vor dem schicken, aber leider selten genutzten WM-Stadion am Platz bei McDonald’s. Viele Biker stärken sich vor der knapp zweistündigen Rundfahrt. Niemand will aus dem Sattel kippen. Ihre Helme weiterhin auf dem Kopf, das Bike links, der Burger rechts – so bekommt der Begriff „Drive through“ eine ganz neue, abgasfreie Bedeutung.

Warum es bei Vollmond sein muss, kann keiner der Teilnehmer genau erklären. Vielleicht, weil die Form des Mondes dann mit der des Rades harmoniert. Vielleicht, weil die Straßen dann von alleine gut beleuchtet sind. Vielleicht, weil man sich den Termin so gut merken kann. Auf jeden Fall ist diese Mischung aus Sport und Karneval ein großes Vergnügen. Manche tragen Affenkostüme, Engelsflügel oder Cowboyhüte, andere rosa Perücken zu rosa Radlerhosen (und sonst gar nichts, was auch aufgrund der abendlichen Kälte als mutig bezeichnet werden darf). Paillettenwesten glitzern genauso im Mondschein wie kunstvoll um den Körper geschlungene Lichterketten. Es wird gehupt, geklingelt, gesungen zu Musik aus dem Radio, das auf dem Gepäckträger festgeschnallt ist.

Das Startsignal hat niemand gehört, auf einmal fahren alle los, erst langsam, dann immer schneller über die abgesperrten Straßen. „Thank you!“, rufen die Radfahrer den Polizisten zu. Danke für die freie Fahrt durch eine Stadt, die bislang alles andere als fahrradfreundlich genannt werden darf. Die wenigen Radwege werden von den Einheimischen mit Ständen zugestellt, jede freie Fläche will schließlich genutzt sein. Und was soll das überhaupt sein, ein Radweg? Fährt doch kaum jemand mit dem Fahrrad. Stimmt, weil es viel zu gefährlich ist. Außer bei Vollmond.

Die Aktion gehört zu den mehr als 400 Projekten, die sich die südafrikanische Metropole in ihrer Funktion als „Designhauptstadt 2014“ ausgedacht hat. Sie soll darauf aufmerksam machen, dass die Straße nicht nur Autos und Bussen gehören sollte, um Staus und Smog zu reduzieren.

Die Radtour gleicht einer Fahrt in die Zukunft. Bald schon wird diese Art der Fortbewegung aus der Dunkelheit herausradeln und sich auch bei Tageslicht zeigen. Als Deutscher kann man die Freude und das Vergnügen über die Möglichkeit, mit seinen Freunden gemeinsam eine Radtour unternehmen zu können, kaum nachvollziehen. Doch dann fährt man über die Longstreet, Kapstadts Ausgehmeile, und sieht, wie die feiernden Menschen plötzlich innehalten, als der Tross vorbeifährt. Sie stellen ihre Biergläser ab, klatschen und applaudieren. „Los! Schneller! Schneller!“, rufen sie. Ja, manche Entwicklungen müssten schneller gehen.