In Luxemburg sind die Wege von sterneprämierter Küche zu eindrucksvollem Weltkulturerbe nicht weit. Ein Gourmetgang durch die besten Restaurants.

Es klingt ein bisschen nach Kindersprache, wenn der Ober den Gästen Huesenziwwi, Bouneschlupp oder Rieslingpaschtéit anbietet. Und hinterher vielleicht noch ein Stück Quetschetaart mit Sahne. Aber Luxemburg ist ja tatsächlich klein, auch wenn es sich Großherzogtum nennt. Und für die halbe Million Einwohner heißt ein Butterbrot eben „Schmier“ und ein Aperitif vor dem Essen „Kippchen“. So beginnt der Besuch in dem winzigen Staat gleich mit einem Schmunzeln. Nicht der schlechteste Auftakt.

Für einen Grenzübertritt gibt es lohnenswerte Gründe, gut zu essen ist einer davon. Also bitte Platz nehmen im Restaurant Caves Gourmandes in der Altstadt. Fenster sind in den beiden höhlenartigen Räumen zwar nicht vorhanden, dafür erhellen romantische Kristallleuchter die Karte, die leichte regionale Küche anbietet. Das Kippchen vorweg ist natürlich ein Crémant Brut du Luxemburg, es folgen Ziegenkäse auf Röstbrot, Gemüseomelette und Crêpe mit Vanilleeis.

Luxemburgs Küche war traditionell eher von deftiger Kost geprägt. Doch mit dem Schwinden der Schwerindustrie in den 70er-Jahren, als Eisen und Stahl in die Krise gerieten, widmete man sich erfolgreich leichteren Objekten: Geldscheinen. Mag sein, dass mit der Entwicklung des Bankensektors seit damals auch die Küche etwas an Kalorienballast verlor.

Wem nun nach Bewegung ist, beginnt vom Restaurant am Fischmarkt, dem Mittelpunkt der Altstadt, einen kleinen Spaziergang. Gleich nebenan sitzen vor dem El Companero einige Gäste in der Sonne. „Die beste Tapas-Bar der Stadt und am Wochenende immer voll“, sagt Cathy Giogetti, die in Luxemburg zu Hause ist.

Auf dem Place Guillaume II, im Volksmund „Knuedler“ genannt, ist Wochenmarkt. Vor dem Rathaus in neoklassizistischem Stil lächeln einige Japaner schüchtern in die Kamera. Was sie wohl nicht wissen: Auch unter den Altstadt-Straßen liegen historische Kostbarkeiten. Experten stießen bei Erdarbeiten in der Rue du Fossé kürzlich auf drei Skelette, die vom Friedhof eines alten Franziskanerklosters stammen. 1797 wurde es von den Franzosen geschlossen und stückweise verkauft. Geblieben ist der Name, der „lëtzebuergesch“ als „de Knued“ noch an den Knoten der Mönchsgürtel erinnert.

Die weltlichen Herrscher sind, gut bewacht, in der Stadtresidenz der großherzoglichen Familie gleich um die Ecke zu Hause. Wesentlich einfacher ist der Zutritt zum gegenüberliegenden Chocolate House, wo nicht nur Torten zur unwiderstehlich süßen Verführung geadelt werden. Für einen Kaffee zwischendurch bietet sich auch der Place d’Armes an. Man sitzt, schaut und stöbert anschließend auf dem Flohmarkt zwischen Büchern, die noch von Radio Luxemburg erzählen, wo schon in den 60er-Jahren die neueste Popmusik gespielt wurde. Sofort klingen die Hits aus dem knisternden Kofferradio im Ohr.

Nun aber auf zum oft gelobten „schönsten Balkon Europas“. Die Corniche führt als Promenade direkt am Rande des Felsens entlang, auf dem Luxemburgs Altstadt thront. Strategisch ein guter Punkt, um die urbanen Dimensionen auszuloten. Linker Hand liegt das Kirchberg-Plateau, wo aus einem ehemals verträumten Dorf ein ganz neuer Stadtteil entsteht. Hier ragen nicht nur EU-Neubauten in den Himmel, hier steht auch das Mudam, das sehenswerte Musée d’Art Moderne.

Wir statten aber erst einmal Luxemburgs Unterwelt einen Besuch ab. Keine Angst, aus den sogenannten Bockkasematten, diesem unterirdischen Labyrinth aus Gängen, Räumen und Treppen, das die Österreicher Karl VI. und Maria Theresia in die Sandsteinfelsen bohren ließen, fand bislang jeder wieder hinaus. Aber es geht noch tiefer. Wahrlich auf den Grund der Stadt fährt ein Fahrstuhl vom Place du St.Esprit. Unten angekommen, führt eine kleine Brücke über das Flüsschen Alzette, in dessen dunkelblauem Wasser sich die alten Häuser spiegeln, wo einst Müller, Gerber und Färber wohnten. Später sei diese Gegend mal etwas in Verruf geraten, meint Cathy. Inzwischen wäre es aber wieder schick, die zahlreichen Szenekneipen im Grund zu besuchen – und auch hier zu wohnen.

Hinter Burgmauern verbirgt sich eine Fotoausstellung der besonderen Art

Zeit fürs Abendessen. Wer sich etwas Besonderes gönnen will, sollte die zehn Kilometer Fahrt nach Frisange in Kauf nehmen und bei einer Legende der kulinarischen Welt einen Tisch bestellen. Léa Linster mischt inzwischen zwar auch als Coach in der Fernsehserie „The Taste“ mit, bewundert wird die Sterneköchin aber vor allem, weil sie bislang als einzige Frau den Bocuse d’Or gewonnen hat. Die Auszeichnung ist vergleichbar mit dem Oscar in der Filmwelt. Inmitten idyllischer Wiesen und Felder eröffnete Linster 1982 ihr Restaurant, in der ehemals väterlichen Tankstelle. Natürlich wird das Menü „Bocuse d’Or“ bestellt, auch wenn es 115 Euro kostet. Dafür gibt es eine kleine Suppe der Saison, gefolgt von lauwarmem Hummer in Estragonsoße. Dann wird Lachsfilet mit Pastinaken-Püree und Brunnenkresse-Mousse serviert, bevor der Hauptgang, Lamm Bocuse d’Or in Kartoffelkruste mit Rosmarinjus, erreicht ist. Als Dessert kommen Crème brûlée, Madeleines und Petits Fours, jene süßen kleinen Pralinen, die der Luxemburger zärtlich „Knippchen“ nennt. Könnten wir, wir würden den Preis glatt noch einmal vergeben.

Mit etwa 90 Kilometer Länge und knapp 60 Kilometer Breite ist Luxemburg überschaubar. Da bietet sich die Wahl: lieber zum Wein an die Mosel oder zur Kunst in die Ardennen. Warum nicht beides? Isabelle Gales ist Haustochter der Caves St. Martin in Remich. Gerade mal zwölf Grad herrschen in diesen „Weinhöhlen“, in denen das Wasser an den Wänden herabtropft und Pinot Noir und Chardonnay in Eiche kühlen. Der König der Mosel sei der Riesling, sagt Isabelle, wobei der luxemburgische mehr Frische habe als der deutsche. Doch leuchtende Augen bekommt sie, als sie von den Geheimnissen ihres Crémant erzählt. Eine halbe Million Flaschen würden produziert, 24 Monate gelagert, immer wieder gedreht und zuletzt auf den Kopf gestellt. Dann wird der Hefepfropf entfernt und die Dosage, ein Gemisch aus Wein und Zuckersirup, zugefügt. Die Rezeptur dafür sei jedoch geheim. Und der heilige Name? Im 19. Jahrhundert hätten viele Weinberge der Kirche gehört, die sie gern nach Heiligen benannte.

Ein Hauch von Heiligkeit liegt auch über Clerveaux, hoch im Norden Luxemburgs. Gemeint sind nicht die Türme des Benediktinerklosters, die sich über dem Ort erheben. Es sind die dicken Burgmauern im Tal, hinter denen sich eine Ausstellung verbirgt, die nicht nur Fotografen andächtig werden lässt. 1955 stellte der Luxemburger Edward Steichen die Fotoausstellung „Family of Man“ für das Museum of Modern Art in New York zusammen. Die Bilder, die in 150 Museen auf der ganzen Welt gezeigt wurden, gehören seit 2003 zum Unesco-Weltkulturerbe. In Clerveaux fanden sie ihre endgültige Bühne. Arrangiert wurden die Fotos genauso wie in der Originalausstellung, heutige Besucher können so die damalige Stimmung nachempfinden. Am Ende ist man von der Wirkung überwältigt und ganz geschafft. Jetzt vielleicht doch erst mal eine Kleinigkeit essen?