Reisen bildet, Reisen verbindet. Nicht selten unverhofft, zum Beispiel auf einer Bahnfahrt nach Frankfurt. Im Abteil schweigen drei Passagiere vor sich hin: außer mir ein junger Mann, der gleichgültig aus dem Fenster schaut, und eine aparte junge Frau mit olivfarbenem Teint und dunklen Augen; schwer einzuschätzen, woher sie stammt. Eine halbe Stunde sagt niemand etwas, die Lüneburger Heide, die da draußen vorbeifliegt, lädt auch nicht wirklich ein, Begeisterung zu teilen. Irgendwann, Uelzen und die Zuckerfabrik sind schon passé, klingelt ein Handy in der Handtasche der jungen Dame. Sie meldet sich mit sanfter Stimme, in einer Sprache, die mich rätseln lässt. Sie klingt orientalisch...vielleicht Arabisch? Nein, da fehlen die Kehllaute. Hebräisch? Auch nicht, da bin ich ziemlich sicher. Armenisch, Kurdisch, Georgisch... Oder ein indischer Dialekt ?

Das Telefonat ist beendet, versonnen lächelt die Dame dem Gehörten nach, entschuldigt sich in gepflegtem Deutsch: „Verzeihung, ich wollte nicht stören.“ Zehn Minuten später, kurz vor Hannover, ruft sie jemanden an, ganz kurz nur und im selben Idiom. Nun will ich es wissen: Welche Sprache war das, wenn man fragen darf? Oh, ja, man darf, Persisch sei das gewesen, sagt sie lächelnd, Farsi, wie man in der Heimat ihrer Eltern sagt.

Vor Jahrzehnten war ich mehrfach in Persien, noch zu Zeiten des Schahs, später im Iran des Ajatollah Khomeini. Die junge Dame mag es kaum glauben, als ich von den Rosengärten in Schiras schwärme, von der Blauen Moschee in Isfahan, von der antiken Stadt Persepolis, von der Fahrt übers Gebirge an die kühlen Ufer des Kaspischen Meers, von der Gastfreundschaft der Nomaden im heißen Süden.

Der junge Mann hat interessiert zugehört, dann sein Smartphone eingeschaltet und die Orte „nachgeschlagen“, über die wir gesprochen haben. Persien, sagt er erstaunt, wie schön das klingt ... ganz anders jedenfalls als der Iran, den er aus den Nachrichten kennt.

In Göttingen steigt die junge Dame aus, sie studiert dort Germanistik und Philosophie. Noch mindestens bis Kassel hält sich im Abteil ein Hauch ihres exotischen Parfüms.