Norwegens größtes und populärstes Skigebiet Trysil: Abfahrt, Langlauf – oder eine besondere Tour mit Schlitten

Das Geheul der Hunde hallt im Gebirge wider, sie spüren, gleich geht es los: Terje Bråten hat zwei Schlitten in Position gebracht, die 56 sibirischen und Alaska-Huskies, die vor ihren kleinen, tief verschneiten Einzelhütten hin- und herspringen, können sich nicht mehr halten. Sie bellen, zappeln an ihren Leinen und machen Luftsprünge. Bråten, ein stämmiger Naturbursche mit Mehrtagebart, der seit Jahrzehnten mit Huskies vertraut ist, sie hegt und pflegt, macht zwölf von ihnen los und befestigt sie vorne im Geschirr der beiden Hundeschlitten. Es sind minus 13 Grad Celsius, wir sind in Trysil, Norwegens größtem und populärstem Skigebiet, 160 Kilometer vom Flughafen Oslo entfernt.

„Schon mal einen Hundeschlitten gelenkt?“, fragt der 43-Jährige. Die verneinende Antwort des Städters signalisiert ihm, eine kleine Einweisung, eine Schnell-Fahrschulung am Schlitten, wäre angebracht: „Mit den Füßen unbedingt immer auf beiden Kufen fest stehen und schön festhalten“, schärft er ein und zeigt die Fußbremse: „Für den Fall, dass es zu schnell wird, und für die Kurven“, sagt er knapp. Zum Nachlesen steht alles auch noch mal an der Empfangs-Holzhütte für die Touristen.

Wintersport zur Einstimmung mal anders, bevor wir auf die Skipiste gehen. Die Hundeschlittentour ist eine der Attraktionen in Trysil. Der aufstrebende Ort und sein Gebiet sind ein Geheimtipp für alle Wintersportler, die vielleicht nach Ski-Destinationen in den Alpen etwas anderes erleben möchten, nur ein paar Stunden per Flugzeug oder Fähre von Norddeutschland entfernt.

Der Schnee glitzert, die Bäume sind weiß getüncht, Märchenlandschaft in Norwegen: Ein Ruck geht durch den Schlitten, Sirius, Polaris, Nova und drei weitere Huskies preschen los. Terje fährt vor uns, wir hinterher. In den zum Teil schmalen Loipen finden die Tiere ihren Weg, geschickt und flink. „Immer fünf Meter zum nächsten Schlitten Abstand halten“, war einer der Ratschläge von Terje, ein Rat, der sich gleich auszahlen wird. Denn der Weg wird plötzlich abschüssig. Buckel! Der Schlitten hüpft in die Luft und landet in Bruchteilen von Sekunden wieder krachend auf der Eisfläche, die von Schnee überlagert ist. Schnee wirbelt auf und ins Gesicht. Terje bremst, und ich trete ebenfalls kräftig auf die Fußbremse, gerade noch rechtzeitig. Unser Schlitten stoppt knapp hinter seinem. Er lächelt, kurze Fotopause inmitten der Winterlandschaft. Ein paar Meter neben uns sehen wir zwei Skilangläufer durch die Natur gleiten. Wir fahren weiter. Das Tempo von zehn, 20 Stundenkilometern wirkt schneller, vor allem in den Kurven. Man steuert nach links und rechts, indem man mit dem Oberkörper sein Gewicht verlagert. Das funktioniert ganz gut, keine Sorge, den Rest machen die Huskies, die den Weg sowieso zu kennen scheinen.

Die 40-minütige Tour mit Terje Bråten von Mountain Kings, einem von zwei Hundeschlitten-Unternehmern in Trysil, kostet 220 Kronen pro Person, das sind umgerechnet knapp 30 Euro. Wer mag, kann gleich mehrere Tage im Nationalpark mit den Hundeschlitten buchen, Übernachtung inklusive. Nur gut 15 Autominuten entfernt vom kleinen Ortskern, und man ist mitten im Skigebiet, am Trysilfjell, am Berg von Trysil. Der Gipfel ist in nur 1132 Meter Höhe, aber es kommen trotzdem Hochgebirgsgefühle auf. Der Schnee ist wunderbar pulvrig, wie man es sonst beispielsweise aus den Rocky Mountains in Kanada kennt und zu schätzen weiß, und die 66 Pisten mit 71 Kilometer Länge gibt es von Grün (einfach) über Blau (leicht), Rot (mittelschwierig) bis Schwarz (schwierig), wobei die einfachen und leichten, breiten Abfahrten überwiegen – es ist also ein ideales Gebiet für Familien mit Kindern, für die Kleinen gibt es extra angelegte Pisten mit Spielgeräten. Und da ist noch „Valle“, ein übergroßes Maskottchen im Schneeanzug, der seit Neuestem die Kinder unterhält. Wer lieber auf einem Brett unterwegs ist – Snowboarder finden hier Parks mit jedem Schwierigkeitsgrad.

Unser Guide, Runa Eggen, zeigt uns das Skigebiet. Die 41-Jährige ist in einem Nachbarort von Trysil geboren und aufgewachsen und kennt das Terrain wie kaum eine andere. Zwei Luxushotels, ein paar Kilometer voneinander entfernt, bilden die Hauptzentren am Trysilberg, natürlich direkt an der Piste. Das Park Inn Trysil Mountain Resort auf der Nordseite ist ein größerer Komplex, im Chalet-Stil eingerichtet. Ein Spa-Bereich sorgt fürs Wohlbefinden nach dem Skifahren, stets mit Blick auf die Skipiste. Die norwegische Skilangläuferin Anita Moen, die einst bei Olympischen Spielen dreimal die Silbermedaille für ihr Land holte, steht unvermittelt am Hoteleingang, sie gibt in Trysil bisweilen Kurse für Touristen. Das andere Hotel am Berg auf der Südseite, das Radisson Blu Resort Trysil, wirkt gestylter und verfügt über einen Pool mit einer künstlichen Welle zum Surfen. Verstreut im ganzen Gebiet: romantisch gelegene Hütten, von der günstigen bis zur Luxus-Klasse.

„80 Prozent der Unterkünfte haben direkten Zugang zur Skipiste“, sagt Runa, „Ski in, ski out“, heißt das im Marketingdeutsch. Runa Eggen arbeitete fünf Jahre in Hamburg, spricht perfekt Deutsch. Norwegen sei teuer und dunkel? Mit solchen Vorurteilen, die mancherorts im Ausland bestehen, wollen die Tourismus-Verantwortlichen aufräumen. „Die Saison geht von Ende Oktober/November bis Ende April, der Schnee ist gut“, sagt Runa und lächelt.

Die Lifte sind täglich von 9 bis 15.30 Uhr geöffnet, von Ende Januar an auch bis 16.30 Uhr. Runa Eggen betont die Besonderheiten, mit denen man in Trysil „punkten“ und künftig noch mehr Touristen in die Skigebiete locken möchte. Zum Beispiel, dass die meisten Unterkünfte an der Piste liegen. Oder die Schneegarantie für Lang- und Abfahrt-Skiläufer: Je nach Saison-Zeit wird für eine bestimmte Anzahl von Pistenkilometern eine Schneegarantie gegeben. Sollte sie nicht erfüllt werden, gibt es das Geld zurück: für Unterkunft, Ski-Ausrüstung, Liftpass und gegebenenfalls für gebuchten Skiunterricht.

Wir testen die Pisten: Die grüne Nr. 36 und die blaue Nr. 13 sind breit, gut gespurt und führen durch idyllisch verschneites Waldgebiet. Die Nr. 13 geht über ein Netz von Wegen auch direkt zu einigen Hütten. Immer wieder am Hang zu finden: öffentliche „Grill-Hütten“, in denen man Mitgebrachtes auf einem Elektro-Grill brutzeln und ein Picknick abhalten kann. Zudem gibt es auch die größeren Almen-Skihütten für die Brotzeit, dort kann man von einfach bis anspruchsvoll essen, kulinarisches Aufwärmen zwischen den Abfahrten. Weiteres Plus: In einigen Gastronomie-Hütten gibt es günstige Lunchpakete und für zehn Kronen, gut 1,30 Euro, eine heiße Trinkschokolade.

Wir wählen für unser Lunch die Skihytta am Südhang. Ein Holzhäuschen. Im Untergeschoss ist eine Pizzeria. Oben eine Lounge, für die man vorher reservieren sollte. Dort wird Landestypisches angeboten: Elchfrikadelle, Kartoffelbrei und Preiselbeeren für 179 Kronen (21 Euro) oder Elch-Salat für 169 Kronen (rund 20 Euro). Runa sagt: „Trysil ist die Gemeinde mit den meisten Elchen in Norwegen“, im September gibt es die traditionelle Elchjagd.

Dienstags, freitags und sonntags ist Nachtski möglich, bis 20 Uhr, mit dezentem Scheinwerferlicht sind einige Pisten romantisch illuminiert. „Derzeit gibt es in Trysil rund 12.000 Touristen-Betten, in den kommenden Jahren soll die Kapazität noch steigen“, sagt Turid Backe-Viken, Markting-Mangerin des Skigebiet-Betreibers Ski Star. Voraussichtlich 2015/2016 soll im grenznahen schwedischen Rörbäcksnäs ein neuer Flughafen eröffnen – „dann könnten mehr Touristen, auch aus Norddeutschland, zu uns kommen“, sagt Backe-Viken. Bisher pendelt drei- bis fünfmal am Tag ein Bus zwischen Oslo und Trysil.

Trysils Ortskern ist überschaubar klein. Gut 3000 Einwohner, eine Kirche, ein Kino, ein paar Restaurants und Läden, rote und gelbe Holzhäuser – und ein Ski-Museum. Es beherbergt kleine Schätze: den ersten Skipokal der Welt, Goldmedaillen, Langlauf-Skier aus dem 19. Jahrhundert und vieles mehr. „In Trysil wurde der erste Skiklub der Welt für Langlauf im Jahr 1861 gegründet“, sagt Hoteldirektor Rune Moboek, 58. Damals waren die Skier notwendige Fortbewegungsmittel der Einheimischen, oft ihre einzige Verbindung zur Außenwelt. Auch die Legende von „Trysil-Knut“, einem Ski-Idol aus dem 18. Jahrhundert, nach dem vieles hier benannt ist, ist im Museum dokumentiert.

Zum Abschluss versuchen wir uns als Skispringer. Ab auf die Schanze, Haltung einnehmen, die Arme parallel nach hinten. Weit geht der Blick hinab in die Ferne, zum Absprungpunkt, dann steil hinab zum Tal. Rune Moboek macht es vor, bevor es für uns ernst wird. Von unten dröhnt der Lärm des Publikums herauf, der Wind pfeift, los geht es – der Absprung! Dann das ernüchternde Ergebnis: 53 Meter! „Ist nicht weit, aber für das erste Mal okay“, sagt Rune höflich. Die Hundeschlitten-Tour war real, der Skisprung natürlich nicht. Er wurde in einem Simulator dargestellt. Der Sprung wird im Computer in einer animierten Kinofilmsequenz festgehalten, abgespielt und ausgewertet. Eine originelle Idee, Abschied auf Norwegisch vom Winterausflug.