Reden wir ruhig darüber – obwohl Schweigen eher angebracht wäre.

In New York, Welt-Hauptstadt des Ich-Kosmos, Metropole der wunderbaren Sprach-Vielfalt, also mitten im kernigen Big Apple der Eventprotzerei und der Bedeutungsmächtigen, gibt es seit einiger Zeit ein Szene-Restaurant, in dem während des dort obligatorischen Vier-Gänge-Menüs kein einziges Wort gesprochen werden darf. Nothing, nada, rien, null!

Das Lokal heißt schlicht „Eat“ – und kann sich nach Auskunft seines Patrons Nicholas Nauman vor Reservierungen kaum retten. Esst Gutes und haltet das Maul! – so könnte man, zugegeben: etwas derb, das Motto des angesagten Speisetempels übersetzen. Funkelnder Hintergedanke: Die schweigende Messer-und-Gabel-Gemeinde soll sich auf das Hochamt des Genusses konzentrieren, sich so der göttlichen Gaben bewusster werden…

Sie meinen: Typisch New York, weil ganz schön verrückt?!

Ach, halte ich dagegen, so plemplem ist das gar nicht. Ich sehe in diesem sprachlos machenden Konzept keinen Anlass, ein Fortschreiten des zwischenmenschlichen Klimasturzes zu fürchten. Im Gegenteil: Es ist eine beredte Chance, dass die schweigende Mehrheit der platonischen Paare hier endlich auch einmal (k)einen Ton abgeben kann, sozusagen.

Im Durchschnitt acht Minuten pro Tag – so ist es ermittelt – sprechen Menschen miteinander, die das Leben aus welchem Zufall heraus auch immer zusammengefügt hat. Und glauben Sie wirklich, dass die ausgerechnet die Zeit der Nahrungsaufnahme zum Endlosplaudern nutzen mögen? Nein, damit das Frühstück nicht zum Morgen-Grauen gerät, wird hinter Zeitungsseiten in Deckung gegangen, mittags in der Kantine stellt man wegen des subversiven Kollegenklatsches sein Aufnahmevermögen sowieso auf Durchzug, und abends beim TV-Dinner zur „Tagesschau“ sind ja sowieso alle Sinne auf Autopilot geschaltet…

Also ist das Schweigegebot im Eat nur logische Folge menschlichen Bedürfnisses. Dauer: zwischen Bestellen und Bäuerchen. Nur das, was auf dem Teller liegt, beherrscht den Luftraum, das Raffinement der Koch-Künstler kann in die Seele vordringen. Flacher Small Talk zum guten Essen ist so angebracht wie ein Petersiliekrönchen auf einem Kobe-Steak.

Aber was passiert denn im Eat, falls einer an den neun Tischen während des 40-Dollar-Menüs doch nicht den Schnabel halten kann und den Kammerton des leichten Tellergeklappers durchbricht? Wenn dieses über unterdrückte Rülpser oder leichte Schmatzer, Lautmalereien des Wohlbefindens also, hinausgeht, eilt Chef Nicholas Nauman herbei und nötigt den Störenfried, sein Mahl auf einer Bank vor dem Lokal zu beenden. Die Regel bleibt: Erst beim Abkassieren hat das Schweigegebot seine Grenze.