Unsere Autorin hat sich in Marrakesch ins Getümmel gestürzt und gehandelt. Denn Feilschen wird dort nicht nur allerseits erwartet, es ist geradezu Pflicht. Dabei sind ein paar Regeln zu beachten.

Angelina Jolie kann einem leidtun. Zu gern hätte sie bei ihrem Besuch in Marrakesch getan, was alle Frauen lieben: auf Einkaufstour die Souks durchkämmen. Aber wie hätte das ausgesehen? Kreischende Touristen, die ein Autogramm wollen? Angelina blieb im Hotel und schickte den Butler ihrer Suite in die Souks. Der 20-Hektar-Basar ist der größte Marokkos und liegt am Platz Jemaa El Fna mit seinen Garküchen, Schlangenbeschwörern, Gauklern, Musikern und Wahrsagern.

Allerdings sollte der Bote nicht einkaufen. Er eskortierte ein paar Händler mit Berberschmuck, Kaftanen und bunten Laternen ins Hotel, wo der Hollywood-Star dann auswählte und bezahlte, mutmaßlich ohne Feilschen. Normalsterbliche Reisende, die Kunsthandwerk schätzen, haben es leichter. Allerdings sind Geduld und eine gewisse Sportlichkeit beim Verhandeln nötig. Feilschen wird in Marrakesch – wie überall in der arabischen Welt – nicht nur erwartet, es ist geradezu Pflicht.

Es lohnt sich, hierbei ein paar Regeln zu beachten. Am leichtesten geht das, wenn man einen Kenner der Souk-Kultur dabei hat. Zum Beispiel Peter Bergmann. Der 65-jährige Däne lebt seit mehr als 40 Jahren in Marrakesch, führt den Riad Ifoulki in der Altstadt als familiäres Domizil für Reisende und war selbst früher Antiquitätenhändler in Schleswig-Holstein. Auf der Hauptgasse Rue Souk Semarine dringen wir in das Labyrinth der vollgestopften Läden, Werkstätten und Stände ein. Von etwa zehn Uhr morgens bis zehn Uhr abends herrscht hier wuselige Betriebsamkeit. Der Basar ist aufgeteilt in Quartiere – hier wird mit Textilien, Schmuck oder Lederprodukten gehandelt, dort hält man Holzarbeiten, Gewürze, Teppiche oder Eisenwaren feil.

Eselkarren, Mopeds und Fußgänger drängen aneinander vorbei. Die Düfte der Kräuterstände mischen sich mit dem Geruch von Abgasen und Dung. Stimmengewirr dringt durch Hufschläge, Karrengeratter und Motorengeknatter. Der Farbenrausch von Textilien, Keramik, Glaslaternen, Teppichen und Gewürzen verwirrt die Augen. Kurz: Ein Besuch im Souk fordert alle Sinne.

„Nie gleich am Ankunftstag zum Einkaufen gehen“, rät Peter, während wir uns durchs Gewühl schieben. „Die Reizüberflutung schafft jeden.“ In einer ruhigeren Gasse steuern wir einen winzigen Laden an. Bis unter die Decke stapeln sich bunte Tücher und Schals. Die Stoffe sind ein traditionelles Gewebe aus Fasern der Kaktusfeige. Eine Wand ist überladen mit Quasten, Gürteln, Ketten, Armbändern. Nur mäßig beeindruckt wirken, hatte Peter mir eingeschärft. Ein bisschen hier am Tuch zupfen, ein bisschen da die Finger durch die Fransen gleiten lassen. Gesagt, getan. „Beste Ware!“, sagt der Händler. Er trägt einen Fleecepullover, es ist Winter in Marrakesch, 20 Grad Temperatur lassen den Mann frösteln. Zwecklos der Versuch vorzutäuschen, dass mich das leuchtend rote Tuch nicht sehr interessiert. Basarkrämer sind Menschenkenner, sie lesen Blicke und Gesten.

Er legt mir den Stoff um die Schultern, lobt den fließenden Fall und wie gut die Farbe mit meinem Haar harmoniert: „Für Sie, Madame, kostet der Schal heute nur 300 Dirham.“ Was ungefähr 30 Euro macht. „Oh, das ist viel mehr, als ich ausgeben wollte“, entgegne ich bekümmert. „70 Dirham wären akzeptabel.“ Der Händler reißt die Augen auf: „Madame! Das ist handgewebt. Hier, nehmen Sie einen Tee, schauen Sie sich das kostbare Stück in Ruhe an.“ Dass Verkäufer eine nette Atmosphäre schaffen und so beim Kunden schlechtes Gewissen aufkommt, wenn er ohne Einkauf geht, ist bekannt. Der Minztee erfrischt, beirrt mich aber nicht. „Na ja, 90 Dirham wären möglich.“ Der Händler seufzt, seine Stirn legt sich in Falten: „150 Dirham. Das ist ein ruinöser Preis, aber der Schal ist für Sie geschaffen.“ Für 100 Dirham wandert das Tuch schließlich in meine Tasche. Der Mann verabschiedet uns – und strahlt. Er hat ein blendendes Geschäft gemacht.

Wir schlendern weiter, vorbei an bunten, duftenden Kegeln aufgetürmter Gewürze. Peter erklärt mir das übliche Zahl-Prinzip im Souk: „Als Tourist wird man so eingeschätzt, dass man mehr zahlen kann als Einheimische. Wenn Lederpantoffeln 120 Dirham kosten, also zwölf Euro, ist das doch auch in Ordnung.“ Damit hat er recht, zumal wenn man sich klarmacht, wer an der Ware verdienen muss. Im Pantoffel-Fall der Schafzüchter, der Gerber, der Färber, der Händler. Darum empfiehlt sich Fairness beim Handeln.

Wir kommen zu einem Laden mit Schnitzarbeiten aus Thujawurzelholz. Überraschend bleibt der Händler zurückhaltend. Bis vor einigen Jahren galten Marrakeschs Verkäufer als die lästigsten in Marokko. König Mohammed VI. erließ daraufhin Vorschriften, die es den Krämern verboten, sich Touristen aufzudrängen. Das überwachen umherstreifende Zivilpolizisten. Nützt nicht viel: Nach dem Handels-Prozedere stecken zwei Thujadosen im Einkaufsbeutel, beim nächsten Stand folgen drei weitere, noch schönere, wie mir scheint. „Man findet immer etwas noch Besseres“, bemerkt Peter amüsiert.