Nach vielen Jahren mal wieder unterwegs in der Altstadt von Rhodos. Es ist Winter, ein sonniger Tag außerhalb jeglicher Saison. Die meisten Tavernen haben geschlossen, in den anderen hocken jetzt vorwiegend die Leute aus der Nachbarschaft. Einen kurzen Tag nur haben wir Zeit, Erinnerungen aufzufrischen. Unser Kreuzfahrtschiff hat heute Morgen im neuen Hafen festgemacht, ein paar Schritte entfernt von Mandraki, wo drei Jahrhunderte vor Christi Geburt der berühmte Koloss von Rhodos die Hafeneinfahrt markiert hatte. Nichts deutet mehr auf das Weltwunder der Antike hin, nur die Sonne knallt selbst an diesen Tagen so heftig vom wolkenlosen Himmel, als wolle sie mit ihrer Kraft die kolosssale Statue ihres Gottes Helios ersetzen.

Die meisten Passagiere sind mit dem Bus zur Akropolis von Lindos ausgeflogen, dem Ort, der als schönster auf der Insel gilt. Einige wenige Landgänger hingegen suchen in der Stadt und in den Dörfern der Umgebung nach dem Rhodos-Bild ihrer frühen Reisejahre, nach den schwarz gekleideten Mütterchen, die auf Steinstufen vor ihren Häusern sitzen, nach den Holzstühlen vor den Kafenions, in denen die Männer ihre Komboloi-Kettchen durch die Finger gleiten lassen und dabei über Gott, die Welt und die aktuelle Politik sprechen.

Schließlich treiben mich Neugier und Durst ins Restaurant Symposion, das sich in einem Hof hinter der Archelaou-Straße versteckt. Ich bin der einzige Gast unter Weinlaub und Bougainvillea und, wie ich gleich vom Wirt höre, auch der erste an diesem Morgen. Fannis, so heißt er, bringt den greek coffee und ein Glas Wasser, stellt ein Schälchen mit Oliven dazu, ein zweites mit gebratenen Fischchen und ein drittes mit warmen Brot, das sein Sohn Jorgos eben aus der Bäckerei nebenan geholt hat. Zu meinen Füßen schnurrt eine Katze, eine zweite wärmt sich das Fell auf einer Säule in der prallen Sonne.

Es ist auf einmal wieder da, das verloren geglaubte Paradies, das Griechenland der 1970er- und 80er-Jahre. Damals, als wir uns in den schlichten Quartieren der weiß gekalkten Häuser wohlfühlten, als wir in rußgeschwärzten Küchen in die Töpfe geschaut und gegessen haben, was angeboten wurde. Plötzlich – kleines Glück auf Reisen, das man nicht buchen kann – , findet sich ein Stück davon wieder, bei einem kurzen Abstecher in die eigene Vergangenheit, ausgerechnet in der Altstadt von Rhodos, in der es ansonsten vor Touristen nur so wimmelt. Danke, Fannis und Jorgos, es war schön bei euch, wie früher.