Seit 1997 lebt die Lehrerin Katharina Kurmes in Rumänien. Zusammen mit ihrem Mann führt sie Besucher durch die Karpaten und die Pension Villa Hermani in Magura

Hin und wieder sind ein paar tiefe Atemzüge zu hören. Ansonsten ist es mucksmäuschenstill auf dem Beobachtungsstand. „Eine Bärin kommt von links aus dem Wald“, flüstert Katharina Kurmes nach einer Stunde langen Wartens. Ein paar Äste knacken, dann tapst eine fünf Jahre alte Braunbärin aus dem Dickicht auf die Lichtung, nimmt einen Apfel zwischen ihre Pranken und verzehrt ihn genüsslich. Als Nachspeise gönnt sie sich mit Honig und Puderzucker bestreuten Mais, den Förster Andrei Ciocan zuvor als Lockmittel ausgelegt hat.

„Ich finde den Anblick von Bären in freier Natur nach wie vor faszinierend, auch wenn ich manchmal mehrere Tierbeobachtungstouren pro Woche habe“, sagt Katharina Kurmes später, als sie ihre Gäste über holprige Schlaglochpisten zurück in ihre rund 40 Kilometer entfernte Pension Villa Hermani in Magura bei Zarnesti chauffiert. Dabei war es nicht ihr Plan, als sie 1997 von Göttingen nach Rumänien zog, eines Tages eine Pension zu bewirtschaften und Naturführungen durch „Draculas Reich“ anzubieten.

Waldreich wie die Karpaten ist auch das Siegerland in Nordrhein-Westfalen, wo Katharina Kurmes in einem Dorf bei Siegen aufwuchs. Während ihres Lehramtsstudiums an der Göttinger Universität lernte sie ihren späteren Mann Hermann kennen. Er verbrachte die ersten 23 Jahre seines Lebens in Vulcan (Wolkendorf), einer ehemals siebenbürgisch-sächsischen Gemeinde unweit von Braşov (Kronstadt). 1977 kam er als Spätaussiedler nach Deutschland. Aufgrund der Lehrerschwemme Anfang der 1980er-Jahre fanden beide keine Anstellung an einer staatlichen Schule. Katharina Kurmes wurde schließlich Lehrerin für Deutsch, Englisch und Geschichte an einer Privatschule in Göttingen, ihr Mann Jugendpfleger in Duderstadt im Harzvorland.

Nach der Wende bewarb sich Katharina Kurmes für den Auslandsschuldienst in Rumänien und ließ sich 1997 an die Hermann-Oberth-Schule und ans Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeum in Mediasch versetzen. „Ich habe mich immer für fremde Kulturen interessiert, und so habe ich mich schnell eingewöhnt.“ Auch ihre drei Kinder gingen auf die deutschen Schulen. Zwei Jahre später gründete Hermann Kurmes das Unternehmen Carpathian Nature Tours für naturnahen, nachhaltigen Tourismus. Seitdem bietet er Wandertouren durch die Karpaten für deutsche und österreichische Reiseveranstalter und Individualurlauber an. Seine Frau unterstützte ihn zunächst am Wochenende. Die Wanderungen führten auch durch das 1000 Meter hoch gelegene Dorf Magura zwischen dem Bucegi-Hochgebirge und dem Königstein-Massiv. Damals gab es in dem Ort nur Bauernhäuser, Heuwiesen und Schafe. Letztere bilden auch heute noch die Lebensgrundlage vieler Bewohner. Die Wiesen werden nach wie vor mit der Sense gemäht, und auch ein Pferdefuhrwerk ist nicht in erster Linie Touristenattraktion, sondern noch ein wichtiges Verkehrsmittel. „Da unsere Gäste den Ausblick von hier oben so überwältigend fanden, haben wir uns 2004 entschlossen, in Magura eine Pension zu errichten“, erzählt Katharina Kurmes: So entstand vor zehn Jahren im knapp 900 Einwohner zählenden Dorf die Villa Hermani mit 17 Zimmern. Hermani, weil das der alte Name für Hermannstadt ist, Heimat der Schwiegermutter. Katharina Kurmes gab ihren Lehrerberuf auf und kümmert sich seitdem um die Organisation. In der Saison arbeiten neun Angestellte in der Pension. Viel Wert legt die Hausherrin auf die siebenbürgische Küche mit Produkten von den Bauern aus dem Umland.

Bis 2003 waren Katharina und Hermann Kurmes auch am Karpaten-Großraubtier-Projekt zur Entwicklung eines Schutzprogramms für Bären, Luchse und Wölfe beteiligt. Ebenso gehören sie zu den Gründungsmitgliedern des nationalen Öko-Tourismusverbands, um sozial- und umweltverträgliches Reisen zu fördern. Es soll kein Massentourismus, sondern überschaubarer Reiseverkehr entstehen. „Der Entschluss, in Rumänien zu bleiben, ist mir leicht gefallen“, sagt Katharina Kurmes. „Mich faszinieren die Ursprünglichkeit, die Einsamkeit der Wälder, die Traditionen und die Langsamkeit, mit der sich der Fortschritt außerhalb der Städte ausbreitet.“