Von Oberbayern über Argentinien und Tasmanien auf die Weltmeere – Sophia Thyssen ist Chefhostess für die deutschsprachigen Gäste auf der „Queen Elizabeth“

Wir stehen an der Reling und schauen auf die türkische Mittelmeerküste, die langsam im Sonnendunst dieses Herbsttages verschwindet. Da drüben, hinter den ionischen Bergen, liegt Ephesos, wo einst der Artemistempel zu den sieben Weltwundern gehörte. Ein Großteil der Passagiere, auch einige Dutzend deutsche Gäste, hat dort heute die Ruinen der wohl eindrucksvollsten Ausgrabungsstätte Kleinasiens bestaunt. Das Echo der Rückkehrer war so, wie Sophia Thyssen, Chefhostess für die deutschen Gäste auf der „Queen Elizabeth“, es erwartet hatte: Als „überwältigend“, „großartig“, „faszinierend“ haben die Ausflügler ihre Stippvisite in die Antike empfunden. So war das vorgestern in Rhodos, davor auf Santorin oder in Taormina, in Pompeji und an der Amalfi-Küste. Auch am Seetag haben „ihre“ Kreuzfahrer sich nur zu gern der Hostess mitgeteilt, zum Beispiel zwischen Küchenführung und Tanzunterricht, nach dem Shuffleboard oder beim sehr britischen Afternoon Tea. Diese Tradition schätzt Sophia Thyssen besonders, sie passt zu ihr, wie überhaupt dieses Schiff und diese Hostess wie füreinander gemacht wirken.

Ein Windstoß verweht ihre langen weißblonden Haare. Sophia Thyssen stört es nicht. Sie ist der Typ Frau, der eine Dame bleibt, ob es stürmt oder schaukelt auf hoher See. Lady Sophia nennen sie manche ihrer englischen Kollegen an Bord. Ihr Lebenslauf, ihr Hintergrund, ist international und so spannend wie aufregend. In einem oberbayerischen Dorf geboren, als Kleinkind von der schwerreichen Industriellen-Familie Thyssen adoptiert, bei Buenos Aires in einem feinen Vorort im Delta des Rio de la Plata aufgewachsen, mit Dienern, Chauffeuren und Kindermädchen.

Irgendwann wollte sie raus aus dem goldenen Käfig, etwas Nützliches machen, zum Beispiel Krankenschwester werden. Aber dann fing sie doch ein breit gefächertes Studium an, Romanistik, Altamerikanistik, Völkerkunde. Feldforschung in den Anden gehörte dazu, auf den Spuren der Inka unterwegs zwischen Bolivien und Ecuador. Die Reiselust packte sie und ließ sie nicht mehr los. Verrückte Jahre folgten: Sie überführte Mercedes-Autos von Deutschland in den Libanon, suchte das Abenteuer in den entlegensten Winkeln der Erde, auf den Falklands, auf Tasmanien, das sie ihre Lieblingsinsel nennt, und immer wieder in den Wüsten Südamerikas und Nordafrikas.

Für internationale Organisationen außerhalb der Regierungen (NGOs) arbeitete sie dann in Brasilien, Peru und in Westafrika, bis sie eines Tages einen Reiseunternehmer traf, der ihr einen Job in seinem Unternehmen anbot. Bevor sie auf feinen Schiffen anheuerte, begleitete sie Kreuzfahrer mit dem Bus nach Genua. Dann aber folgten rasch die ersten Engagements auf namhaften Kreuzfahrtschiffen, auf Hapag-Lloyds „Europa“, auf Luxusdampfern von Royal Carribean und Princess Cruises. Bis Cunard sie an Bord lockte: zunächst auf die „Queen Mary 2“, dann auf die „Queen Victoria“ und schließlich auf die „Queen Elizabeth“, mit der sie nun seit 2011 über die Weltmeere schippert.

Dieses Schiff, vor drei Jahren von der Königin getauft, ist so britisch wie High Tea und Fish ’n’ Chips, wie der Pub an Bord und die Gentleman Host, eine Truppe seriöser Herren, die allabendlich vorwiegend die alleinreisenden Damen betanzen. Aber die „Queen Elizabeth“ will künftig noch mehr deutsche Kreuzfahrer begeistern, vor allem jene, denen genau dieser Stil gefällt. Vor diesem Ziel sieht sich Sophia Thyssen als diplomatische Vermittlerin zweier Lebenswelten, als eine Art Botschafterin der deutschen Gäste in englisch geprägter Umgebung. Schon jetzt freut sie sich über die wachsende Zahl von Gästen, die zum zweiten, dritten oder zehnten Mal an Bord sind, „Repeater“, die sich freuen, Sophia Thyssen wiederzusehen. Ihre Tipps zu Kleidung für den Captain’s Cocktail sind ebenso gefragt, wie ihre Geheimtipps. „Wenn Sie am späten Nachmittag in gepflegter Umgebung aufs Meer schauen wollen, setzen Sie sich zum Sundowner, dem Drink vor dem Dinner, ans Panoramafenster im Commodore Club.“