Natur und Ortschaften in der Provinz Trapani und im angrenzenden Agrigent sind viel bunter als gedacht. Ob einfaches B&B oder luxuriöses Golf-Resort – für jeden findet sich etwas

Nachts um halb zwölf herrschen am Flughafen Trapani-Birgi leichte Unstimmigkeiten. Eine kleine Gruppe Taxifahrer benimmt sich in ihrer Rangelei um Touren wie eine Vorstadtgang aus einem schlechten 80er-Jahre-US-Film. Verwirrt beobachten die Fluggäste der eben gelandeten Ryanair-Maschine aus Lübeck, wie ihre Koffer von einem Großraumtaxi ins nächste ein- und wieder ausgeladen werden – untermalt von lamentierendem Italienisch der Fahrer untereinander: Es wird lauter und schneller, dann wieder leiser, aber nicht eben freundlicher.

Vielleicht liegt es an der Dunkelheit der späten Stunde – oder ist da tatsächlich ein nervöser Ausdruck von Angst auf dem Gesicht des Fahrers, der eben noch die Tour nach Trapani-Stadt zugesagt hatte, um sie nach dessen Drohgebärden resigniert einem Kollegen, einem miserablen Abklatsch des Italian Stallion, zu überlassen? Sollte doch etwas dran sein an den augenzwinkernden Mahnungen der Freunde und Kollegen, im Urlaub auf Sizilien mehr als gewohnt Vorsicht walten zu lassen? Immerhin war Trapani (mit Betonung auf dem ersten a), die siebtgrößte Stadt Siziliens, über zwei Jahrzehnte Hauptschauplatz der erfolgreichen italienischen TV-Serie „La Piovra“ (der Krake), die im deutschen Fernsehen unter dem Titel „Allein gegen die Mafia“ lief.

Gegen Mitternacht endlich geht es für die Touristen nach zweimaligem Umsteigen – dem Gepäck hinterher – mit gemischten Gefühlen gen Trapanis Altstadt, wo in der Toreinfahrt des B&B-Hotels geduldig Geoffredo wartet und hinaufführt in ein freundlich und hell eingerichtetes Zimmer.

Am Morgen darauf zeigt sich die Hafenstadt im Nordwesten Siziliens bei strahlender Sonne von ihrer schönsten Seite. Die kleine Altstadt, auf einer schmalen Landzunge gelagert, kann innerhalb eines Tages zu Fuß erkundet werden. Es geht durch kurvige Gassen, vorbei am stetigen Beigegelb der Sandsteinfassaden. Nähert sich italienisch-rasant ein Kleinwagen, flüchtet der Spaziergänger einfach rasch in einen Hauseingang – oder in eine der zahlreichen Boutiquen. Das kann jedoch schnell teuer werden, denn dort wird vornehmlich hochpreisige Markenware angeboten.

Wer sich in Trapanis Altstadt verläuft, wird rechtzeitig vom Wasser gestoppt

Orientierung im Gassengewirr bietet ein vereinfachter Stadtplan auf der Rückseite des Info-Flyers für Touristen. Und wenn man sich doch einmal verlaufen hat, dann dauert es nicht allzu lange, und man wird zwangsläufig vom umlaufenden Wasser gestoppt – zumindest im Westen, Norden und Osten. Ein besonderes Gefühl von Weite schenkt der nördlichste Zipfel der Stadt, dort, wo es so schmal wird, dass hinter jeweils einer Häuserreihe rechts und links der Straße schon beinahe die Füße nass werden. Überall Blau – Wasser und Himmel. Die insgesamt fünf auf dem Flyer mit kleinen Sonnenschirmen ausgewiesenen Strände an der Steinküste sind jedoch keine. Es handelt sich um Nischen mit Ansammlungen grober Sandkörner auf einer Fläche von wenigen Quadratmetern. Wer einen echten Strandtag genießen möchte, lässt sich am besten unten am Hafen mit einem der Ausflugsschiffe auf die vorgelagerten Ägadischen Inseln, zum Beispiel nach Favignana, schippern.

In Hafennähe werden auch andere Fortbewegungsmittel vermietet: Fahrräder. Eine etwa einstündige Tour, auf der man ununterbrochen überholt wird von pfeilschnellen Rennradfahrern in bunten Trikots, führt vorbei am Industriehafen zum Naturreservat der Salinen südwestlich der Stadt. Dort wird seit Jahrhunderten das an Mineralien reiche sizilianische Meersalz gewonnen. Die Salzbauern arbeiten noch heute auf traditionelle Weise im Einklang mit der Natur – also nur mit Wasser, Sonne und Wind.

In den flachen Salzwasserbecken staksen ganz unaufgeregt Schwärme von blassrosa Flamingos, von Zeit zu Zeit kopfunter nach Futter suchend. Sie sind daran gewöhnt, dass die historischen Windmühlen am Rande der Salinenbecken wie auch das Salzmuseum, das Museo del Sale, mehrmals täglich von Busladungen voller Touristen heimgesucht werden, von denen wohl auch einige aus dem lauten und quirligen Palermo kommen, der barocken, aber auch unübersehbar bröckelnden Metropole dieser Region.

Am schönsten ist das Gebiet der Salinen bei Sonnenuntergang – dann färbt sich das Wasser in den Becken in Nuancen von Hellrosa über Gold bis Orange. Noch farbenprächtiger sind die Motive und Muster sizilianischer Keramik. Die Hafenstadt Sciacca, sprich: „Schacka“, gute 100 Kilometer südlich von Trapani an der Südküste gelegen, ist eine Majolika-Hochburg der Insel. Ansässige Kunsthandwerker verkaufen ihre Ware in kleinen Ladengeschäften oder direkt aus den Werkstätten heraus. Schade nur, dass man sich als Tourist auf Objekte beschränken muss, die in den Koffer passen.

Riesige Halden von toten Korallen lagerten vor dem Hafenbecken Sciaccas

Fast alle zu vermietenden Zimmer und Ferienwohnungen in Sciacca werden mit Meerblick angepriesen – kein Wunder, liegt ein Großteil der Stadt doch am Hang. Viele Treppen führen hinunter zum Hafen, in dem die zweitwichtigste Fischereiflotte Siziliens vertäut ist. Erst beim Wiederaufstieg entdeckt man, dass einige Treppen an der senkrechten Stufenseite mit bunten Keramikfliesen verziert sind – eine hübsche Motivation für die Bewältigung endloser Stufen.

Mit einer Farbe ist Sciacca besonders verbunden – Korallenrot. Denn Ende des 19. Jahrhunderts wurden vor der Küste der Stadt Gebiete von schlammigem Meeresboden entdeckt, auf denen sich eine enorme Masse toter Korallen angehäuft hatte. Ein regelrechter Korallenrausch soll damals ausgebrochen sein. Die wertvollen Kalkskelette waren in so großem Überfluss vorhanden, dass Spitzen und dünne Äste wie Kies auf Wegen ausgestreut wurden. Mittlerweile sind die Bänke ausgebeutet, die Koralle ist als Motiv in das Repertoire der Keramiker übergegangen. Der Name „Sciacca-Koralle“ bezeichnet noch heute Korallen, die eine besonders kräftige rote Farbe haben.

Östlich an Sciacca-Stadt angrenzend herrscht die Komplementärfarbe vor: Golfrasengrün. Dort hat der im englischen Bournemouth geborene italienischstämmige Hotelier Rocco Forte vor vier Jahren neues Terrain betreten. Scusi! Vor seinem Namen trägt der Mann ein „Sir“ – adliges Zeichen dafür, dass die Queen ihn im Jahre 1994 für seine Verdienste um den britischen Tourismus zum Ritter schlug. Sir Rocco also erstand einen Landstrich an der Außengrenze des Agrigent und ließ darauf sein bis dato elftes Hotel und Siziliens nobelstes Golf-Hotel, das Verdura Resort, anlegen. Verdura bedeutet „Gemüse“ oder „Grünzeug“, die Gegend hieß schon vor Fortes Übernahme so. Der Name wurde beibehalten, er passt zu den weitläufigen Rasenflächen der Golfanlage. Dies ist das erste Resort im Rocco-Forte-Clan, der ansonsten aus edlen Stadthotels in Kanada, den USA und diversen Metropolen Europas besteht – das Hotel de Rome in Berlin ist zum Beispiel eines davon.

Im Verdura ist man auf 175 Hektar eingezäuntem Areal unter sich. Zum Golfspielen mit laut Prospekt „endlosen Privilegien“ reisen Gäste aus aller Welt an, darunter viele Deutsche, Schweizer, natürlich Italiener, aber auch Russen. Eine betuchte Klientel, die zu jeder Jahreszeit, selbst im Winter, auf der größten und wärmsten Mittelmeerinsel dem Edelsport frönt – mit einem Parcours direkt am Wasser. Viele kommen mit Familie, und so sitzt auf der Frühstücksterrasse am Nachbartisch schon mal kerzengerade ein achtjähriges Mädchen, kein Ellbogen berührt die Tischkante, stilvoll wird en passant in der Unterhaltung mit dem Herrn Papa das Frühstücksei geköpft – unter Zuhilfenahme des Teelöffels als Widerstand und ohne jegliche Bröselei.

Für die Ehefrauen und den Nachwuchs der golfbegeisterten Familienväter gibt es in dem 156 Zimmer und 47 Suiten fassenden Resort viele Angebote für den gepflegten Zeitvertreib wie Tennisplatz, Spa, Beautysalon, Boutiquen, Kids- und Teenagers-Club, außerdem Surfen, Wasserski, Segeln und Stand up Paddling am hoteleigenen Strand.

Der Verdura-Shuttle braucht etwas mehr als eine Stunde zurück zum Flughafen Trapani-Birgi. Die angenehm klimatisierte Fahrt im Lancia Voyager stimmt ein auf zu erwartende deutsche Temperaturen. Der Fahrer im korrekt gebügelten weißen Oberhemd mit schicker Sonnenbrille und Gelfrisur hat so gar nichts gemein mit den Taxifahrern in der Nacht der Ankunft. Als die Fahrgäste durch sich elektrisch öffnende Schiebetüren den mit abgetönten Scheiben verdunkelten Innenraum verlassen, hat er bereits das Gepäck auf dem Gehsteig platziert.

Die möchtegern-mafiöse sizilianische Taxigang kann und wird diesmal nicht dazwischenfunken. Sie hat erst wieder ihren Einsatz, wenn die nächste Maschine landet.