In diesen Tagen beginnt in der Toskana die Olivenernte. Für Gutsverwalter Stefano Panti der Höhepunkt des Jahres

Tutto dipende dal tempo! Stefano Panti deutet in den Himmel. Alles hänge vom Wetter ab, wenn es um eine gute Ernte gehe, sagt er. Fast klingt es, als würde sich der Italiener im hanseatischen Understatement üben, denn so ganz stimmt das nicht. „Gut, ein wenig Erfahrung kann nicht schaden.“ Stefano Panti verfügt über mehr als nur ein wenig Erfahrung. Der 49-Jährige weiß alles über Olivenbäume und ihre Früchte, aus denen das „grüne Gold“ gewonnen wird, das Grundelement der italienischen Küche: Olivenöl. Es kommt aufs Brot, aufs Fleisch, auf den Salat und in nahezu jeden Topf, der auf den Herd gestellt wird – der Schmierstoff für Leib und Seele.

Jedes Olivenöl sei nur so gut wie sein Bauer, sagt man in der Toskana. Stefano Panti arbeitet seit 26 Jahren als Gutsverwalter auf den Ländereien des Castello del Nero, und da das hauseigene Öl dort extrem gut schmeckt, muss Panti sich in seinem Job wohl auskennen. 15.000 Bäume stehen unter seiner Obacht. Sobald er den Blick auf einen von ihnen wirft, weiß er, wie es ihm geht. Ist die Rinde noch schön glatt oder hat sie Kratzer? Glänzen die Blätter grau-silbrig? Hat der Boden die gewünschte Lockerheit? Wo wachsen die männlichen, wo die weiblichen Äste? Wie viele gelbe Blüten blühen? Aus ihnen entstehen die Früchte. „Leider habe ich noch keine Methode entdeckt, in eine Olive hineinzublicken, um ihren Fett- und Wasseranteil zu durchschauen“, sagt Panti und lacht. „Dann könnte ich genau sagen, wie viel Öl wir gewinnen würden.“ Doch ohne diesen Röntgenblick wird die Ernte jedes Jahr im Spätherbst zur Überraschung.

Im Durchschnitt trage ein Baum zwischen 20 und 30 Kilo Früchte, erzählt der braun gebrannte Panti, während er durch den Hain wandert und seine Lieblinge begrüßt. Die Bäume wirken alle sehr ausgedünnt, aber genau so soll es sein, da sie Licht und Luft benötigen, und durch den Beschnitt geht alle Kraft in die Fruchttriebe. Drei verschiedene Sorten baut Panti auf den Böden an: Frantoio, Leccino und Pendolino. In vollreifem Zustand sind diese Oliven schwarz, geerntet werden sie allerdings schon früher, wenn sie noch grün sind. Und genau hier liegt der Knackpunkt für ein gutes Olivenöl. „Der richtige Zeitpunkt und die Art der Ernte bestimmten die Qualität des Öls“, weiß Panti. Eine schnellstmögliche Verarbeitung der Früchte in den Pressen ist ebenfalls wichtig, aber entscheidend bleibt die Frage, wie die Oliven vom Baum geholt werden. Natürlich könnte man sie abschlagen oder warten, bis sie vom Baum in darunter ausgelegte Netze fallen, wie es auf vielen Gütern gemacht wird, da es weniger Arbeiter erfordert. „Aber mit der Hand kann man besser selektieren, und der Baum wird weniger geschädigt“, sagt Panti. Außerdem: Liegt eine Olive erst mal am Boden, oxidiert sie und hat nicht mehr die gleiche Qualität wie eine von Hand gepflückte.

Panti streift weiter über das riesige Areal. Wer einmal erleben möchte, wie ein echter Landadeliger lebte, ist hier richtig. Das Anwesen der Familie del Nero-Torrigiani stammt aus dem zwölften Jahrhundert. 2006 wurde es nach jahrelangen Renovierungsarbeiten als ein Leading Hotel of the World wieder eröffnet. Vom Haupthaus führt ein von Zypressen gerahmter Weg zum Wald, den Panti „Busco de la Signora“ nennt, „weil die Signora dort immerfort spazieren ging.“ Die letzte Marchesa lebte bis 1986 alleine mit ihren Dienern im Castello del Nero. Besonders nett scheint sie nicht gewesen zu sein. „Eine sehr strenge Patriarchin, die mir nicht erlaubte, in ihrem ach so heiligen Garten zu spielen.“ Die Grünanlagen wurden schon im 18. Jahrhundert angelegt. Es gibt sogar eine 400 Jahre alte Zeder, die einen Blitzeinschlag vor 20 Jahren zum Glück überlebte.

Panti wuchs auf einem Hof in der Nähe auf, und obwohl er die frühere Besitzerin nicht in bester Erinnerung trägt, wollte er nie woandershin ziehen. „Es gibt kein schöneres Stück Toskana als dieses“, sagt Panti. Die ungebrochen hohen Besucherzahlen der Toskana geben ihm recht. Neuerdings reisen auch viele Südamerikaner an, was an einer Telenovela liegt, die in der Toskana spielt und in Brasilien zum Quotenhit wurde.

Panti verlässt die Gegend zwischen Siena und Florenz höchsten mal zum Skifahren in den Dolomiten oder um seinen Fußballverein AC Florenz bei Auswärtsspielen zu unterstützen.

Nach dem Spaziergang über das Landgut gibt es eine Kostprobe des grünen Goldes. Im historischen Keller des Castello del Nero werden bei Kerzenschein Olivenöl-Degustationen angeboten, die man sich genauso vorstellen muss wie eine Weinprobe. Die Teilnehmer schwenken Gläser mit unterschiedlichen Ölen in der Hand und testen die Flüssigkeit auf ihre Intensität, ihre Viskosität und ihren Geschmack. Die Farbe spielt keine Rolle. Ist das Öl kräftig, scharf, zu fett oder mild?

Hat man erst einmal die unterschiedlichen Qualitäten herausgeschmeckt, wird man nie wieder im Supermarkt eine Flasche für 5 Euro kaufen. Mindestens 20 Euro müsse man für ein Olivenöl extra vergine (also aus erster Pressung, was die beste Qualität markiert) ausgeben, sagt Panti. Den Wellnesstrend, sich mit Olivenöl massieren zu lassen, kann er nicht nachvollziehen. „Das würde ich nie machen. Das Öl ist doch viel zu kostbar, um es auf den Körper zu schmieren.“

Als er das Castello wieder verlässt, trifft Panti auf den Hotelmanager Fabio Datteroni, der ihn herzlich begrüßt und erklärt, warum es wahrscheinlich auch in den nächsten 26 Jahren keinen anderen Gutsverwalter geben wird: „Stefano kennt sich hier schon so lange so gut aus, den grüßen sogar die Wildschweine voller Respekt.“

Das geht runter wie Öl.