Neben dem Roboter komme ich mir winzig vor. Er ist zwar nur zwei Meter hoch, aber kalt, metallisch, unheimlich. Wird er eingeschaltet, darf niemand mehr in seine Nähe in Berlin auf dem Breitscheidplatz vor der Gedächtniskirche. Er winkt uns Zuschauern zweimal zu, bevor seine blutleere Kralle einen Filzstift akkurat auf riesiges Zeichenpapier setzt. Seine Kommandos bekommt er über Sensoren per Satellit aus Wien.

Dort steht im Museumsquartier der Künstler Alex Kiessling und hat seinen Filzstift ebenfalls aufs Papier gesetzt. Er malt zwischen 11 und 17 Uhr drei hybride Köpfe. Hybrid deshalb, weil es sich um ein Zusammenspiel von Mensch und Maschine handelt. Zum ersten Mal in der Kunstwelt, heißt es. Eine Premiere, die man sich bei Wien Tourismus ausgedacht hat. Statt Sissi und Walzer nun Roboterkunst.

Der Roboter klont, was der Wiener Maler aufs Papier bringt. Per Live- Stream mit Wien verbunden, kopiert er detailgetreu gerade geschaffene Kunst. Ein gut geölter Diener seines Meisters. Synchron, aber nicht exakt zeitgleich, denn so ein Roboter ist empfindlich. Zwar kann er mit seinen langen Gelenkarmen, die extrem biegsam sind, in einer Sekunde einen Strich von sieben Metern ziehen. Saust aber eine Fliege über den Infrarotrahmen des entstehenden Kunstwerks, erschrickt er und steht sofort still.

Auch Männer mit roten Krawatten dürfen nicht in seine Nähe – Rot löst bei Robotern Fluchtreflexe aus. Noch schlimmer sind Blitzlichter, die den Maschinenmann fast verrückt machen. Er windet sich vor Entsetzen, als habe er Angst, massakriert zu werden. Ich habe Mitleid mit dem Gerät. Der Roboter ist eben auch nur ein Mensch. Er reagiert panisch, stimmt ein Geschehen nicht mit seinem inneren Automatismus überein. Wie unsereins bei Unerwartetem.

Wien, sagt Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner, sei einer der großen Kunsthorte der Welt. Nun müsse die Kunst des 21. Jahrhunderts festgehalten werden für spätere Epochen. Komische Vorstellung: Wien in 100 Jahren ohne Spanische Hofreitschule und Egon Schiele, stattdessen mit einem IRB-4600-Roboter von ABB?