Die größte Stadt der Kanaren bietet pralle Lebenslust in gelifteten Altstadtvierteln, prächtige Plätze und Paläste sowie einen weiten Strand

Frühmorgens saugen wir die Düfte des Südens in der Markthalle von Vegueta, dem altstädtischen Szeneviertel, ein: 82 Stände, prallvoll mit Obst und Gemüse, frischem Fisch, Käse, Honig und der berühmten Chorizo-Wurst. Wir lassen uns von scharfen Köstlichkeiten wie Mojo Rojo, der Soße aus Peperoni und Knoblauch, den Mund wässrig machen und starten nebenan bei Emiliano mit ein oder zwei Churros, den typischen fetttriefenden Krapfen, in den Tag.

Den Vormittag über sinnen wir im noch stillen Labyrinth rund um die Kathedrale zwischen der Plaza de Santa und der Plaza del Pilar Nuevo der großen Vergangenheit Spaniens und der Stadt Las Palmas nach, für die prachtvolle Paläste zeugen oder die Ermita de San Antonio Abad, die älteste Kirche der Kanaren; sie steht dort, wo Kolumbus ein letztes Mal betete, bevor er sich auf den Seeweg via Gomera nach „Indien“ machte.

Später verlieren wir uns im Gewirr der Gassen, entdecken blumenprunkende Höfe, jeder für sich Kulisse alter Geschichten, manche auch eine kulinarische Überraschung wie die Casa Montedesdeoca, das feinste, aber auch das romantischste Restaurant der Stadt, in dessen Patio man jeden Augenblick kastilische Edelleute zu höfischer Tafelmusik erwartet.

In der Zeit vor dem Mittagessen wechseln wir über den Barranco Guinguada, früher ein Fluss, heute eine Schnellstraße, von der Vegueta, dem Quartier der jungen Leute, der Maler, Dichter und Lebenskünstler, ins Triana. Dies ist das betriebsamere, elegantere, großstädtischer wirkende Viertel der beiden Altstadtteile, mit Shoppingmeilen und Fußgängerzonen wie an der Calle Mayor, die von Jugendstilfassaden gesäumt ist. Aber auch hier locken unter alten Bäumen Cafés, in denen sich die Zeit mit kanarischer Lebensart füllen lässt, zum Beispiel bei extrem süßem Milchkaffee, dem Cortado Leche y Leche, oder einem fruchtig-herben Bier der lokalen Marke Tropical.

Zum Essen schlagen unsere lokal versierten Bekannten Annette und Susanne das Allende vor, ein angesagtes Straßenrestaurant an der Calle Domingo Navarro im Herzen von Triana. Die beiden jungen Frauen kennen sich aus in der Stadt, in der sie beide schon einige Jahre leben. Die Erzieherin Annette Peters, die aus dem Wendland stammt, sich aber nach einem Jahrzehnt an der Elbe als „absolut überzeugte Hamburgerin“ fühlt, leitet den Kindergarten der Deutschen Schule in Las Palmas; ihre süddeutsche Freundin Susanne Gerstberger arbeitete bis vor Kurzem als selbstständige Architektin und Stadtplanerin. Zusammen mit Kolleginnen hat sie 2008 einen Wettbewerb zur Umgestaltung der kanarischen Hauptstadt gewonnen: Lebens- und liebenswerter sollte die Stadt werden, mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer bieten, sich dem Strand und der kilometerlangen Küstenlinie öffnen.

Ja, sagt Annette, einiges habe sich seither verbessert, vor allem das Bewusstsein: Die Stadt hat sich endlich wieder dem Meer zugewandt, das zuvor eher in ihrem Rücken wahrgenommen wurde. Das ganze Jahr hindurch ziehen viele Musikfeste und andere hochkarätige Kultur-Events die Massen an die Strandpromenade von Las Canteras. Gerade haben sich drei Wochen lang einige Hunderttausend Canarios auf der Fiesta Naval amüsiert, einem fröhlichen, bunten, maritim geprägten Volksfest in der Casa Africa mit historischem Hintergrund.

Das Netz der Paseos, der restaurierten Fußgängerzonen, dehnt sich weiter aus, die beiden Ausgeh- und Einkaufsviertel Vegueta und Triana wachsen, wie es auch Susanne vorgesehen hatte, immer mehr zusammen. Die Bewerbung um das Prädikat Weltkulturerbe läuft, aber leider nur so schleppend wie die Neuorientierung selber. Denn der ganz große Wurf ist bislang ausgeblieben, die Bürokratie, die Seilschaften, die sich gegenseitig blockieren, die Krise... Susanne, die kreative Deutsche, hätte sich jedenfalls mehr gewünscht, hält aber die Stadt dennoch für weitaus schöner und vielseitiger, als man ihr nachsagt.

Hotellegenden, Museen, Kunst, Musik – unglaublich vielfältige Kultur

Auch Annette versteht nicht, warum nicht mehr Urlauber aus Maspalomas und den anderen Stränden im Süden häufiger einen Abstecher nach Las Palmas einplanen. Für sie ist die Metropole, in der immerhin fast 400.000 Menschen leben – gut die Hälfte der Einwohner von Gran Canaria –, eine üppig gefüllte Schatztruhe: „Man muss sie nur suchen, die funkelnden Juwelen und die kleinen, verstecken Preziosen.“ Sie, die auch schon in Rom und in Amerika gearbeitet hat, kennt die schönen Ecken der kanarischen Metropole. Natürlich führt sie ihre Freunde zunächst auf die Plaza Santa Ana und ins Haus des Christoph Kolumbus, die Casa Colon. Die Reisen des Amerika-Entdeckers wider Willen sind dort spannend dokumentiert, auch die strategische Bedeutung der Kanarischen Inseln als Basis für die Entwicklung der Neuen Welt.

Mit einem Blick ins Cabinete Literario, vor 160 Jahren an der Plaza de Cairasco als Theater gegründet und heute Schauplatz vieler Lesungen und Ausstellungen, beeindruckt die Wahlhamburgerin nostalgisch gestimmte Gäste wie uns. Danach stehen weltberühmte Hotels auf dem Programm. Durch die Lobbys des Madrid und des Santa Catalina weht der Geist großer Geschichte: Im Madrid soll Diktator Franco seine Machtübernahme auf dem Festland vorbereitet haben, in der Bar dieses Hauses haben 1954 Gregory Peck, John Huston und die gesamte Crew des „Moby Dick“-Filmteams gebechert. Und im Santa Catalina, einem besonders schönen Beispiel kanarischer Balkon-Architektur aus dem Jahr 1890, steigt nach wie vor der König ab, wenn er denn Las Palmas besucht.

Hotellegenden, Museen, Kunst, Musik, der schöne Strand vor der Tür, die prächtigen Plätze und Paläste, die stilvollen Geschäfte und die rustikalen Märkte, das ist das urbane, das kulturell unglaublich vielseitige Gesicht dieser Stadt. Aber da sind auch grüne Oasen, von Touristen aus den südlichen Urlauber-Hochburgen kaum besucht: zum Beispiel der Parque Juan Pablo mit seinen Palmen und einem idyllischen See oder der familienfreundliche Parque Doramas mit dem Museumsdorf Pueblo Canario. Und natürlich der Parque Santa Catalina, zwischen Hafen und Stadtstrand gelegen, einer der beliebtesten Treffpunkte der Einheimischen.

Um diesen Park, eigentlich eher ein großer, grüner Platz mit zahlreichen Cafés, erstreckt sich das gleichnamige Viertel, das dritte in Las Palmas, das einen Bummel lohnt. Santa Catalina ist das moderne Pendant zu Triana und Vegueta: Teures Wohn- und Büroquartier, aus dem Hochhäuser wie der markante Torre Woermann ragen, vor allem aber ist es das Ausgehviertel, das sich mit seinen vielen Bars, Clubs und Discos bis an den Strand hinzieht.

Der Bauernmarkt im Vorort Santa Brigida bietet regionale Produkte

Zu den besonders geschätzten, aber kaum bekannten Perlen in ihrer Schatztruhe zählt Annette Peters einige Lieblingsorte außerhalb der Hauptstadt. An den Wochenenden oder an freien Tagen zieht es sie zum Beispiel nach Santa Brigida, einen Vorort mit dörflichem Charakter, nur zwölf Kilometer südlich von Las Palmas. Ziel ist dort der Bauernmarkt, auf dem an den Wochenenden Agrarprodukte aus der Region angeboten werden, auch Wein, der sich im lauschigen Ambiente unter Lorbeerbäumen vor einem kleinen Museum verkosten lässt.

Auf dem Rückweg in die Stadt legen Annette und ihre Freunde meistens noch in Tafira Alta eine Pause ein. Nirgendwo, so heißt es, leuchten die Vorgärten üppiger als in dieser Villensiedlung, die über eine kurvenreiche Straße zu erreichen ist. Ein „Ohrring“ gehört hier zur privaten Schatzsammlung der Hamburger Erzieherin: Das ist nämlich unter anderem die Bedeutung des Namens Zarcillo, der allerdings auch Ranke heißen kann. So jedenfalls nennt sich das beste Restaurant am südlichen Stadtrand. Ein Glas Wein in dieser Bodega, begleitet von einem Schälchen frischer Muscheln, einigen Oliven oder ein paar Gemüse-Chips, rundet den Ausflug ab und leitet perfekt über ins Bermuda-Dreieck von Catalina, ins Nachtleben von Las Palmas.