Neulich war ich in Dresden. Also, eigentlich war ich in Japan, aber plötzlich tauchte der Dresdner Zwinger vor mir auf. Fast so groß wie das Original und seine hohen Hallen bestückt mit dem wertvollsten Porzellan der Welt. Aus den Lautsprechern im perfekt angelegten Garten lief laut Richard-Clayderman-Musik. Warum? Weil ich mich im japanischen Arita befand, welches eine Städtepartnerschaft mit Meißen pflegt. Und wie sonst könnte man seine Verbundenheit demonstrieren als mit dem Nachbau der größten Sehenswürdigkeit aus der Gegend seines deutschen Freundes?

Kopieren ist ein – zuweilen recht kostspieliges – Hobby der Japaner. Bei Nagasaki wurde das holländische Schloss von Königin Beatrix inklusive Grachten und Tulpenmeer-Umrandung geschaffen und im Suizenji-Park eine Nachbildung des Vulkans Fuji. Vor der Burg Kumamoto wiederum tummeln sich die unterschiedlichsten Manga-Abbilder. Viele Japaner verkleiden und schminken sich am Wochenende, wenn sie endlich mal nicht Schuluniform oder Anzug tragen müssen, wie ihre liebste Comic-Figur und posieren vor der Festung für Fotos. Ein psychologisch extrem interessanter Zeitvertreib, denn zum einen streift man damit endlich mal den Konformismus ab, zum anderen wird das „Cosplay“ genannte Verkleiden fast immer gemeinsam mit anderen ausgeübt. Das Gruppengefühl spielt in Japan eine fast überdimensionale Rolle. Toll war das Treffen mit den Mitgliedern vom „Club des drehenden Kreisels“, die sich jeden Sonnabend um 12 Uhr komplett in Weiß gekleidet im Park versammeln, um Kreisel durch die Luft zu werfen. Lustig auch die Tierfreunde, die in einem Café in Fukuoka regelmäßig Eintritt zahlen, um dort zehn Minuten Katzen streicheln zu dürfen. Hello Kitty!

Weniger amüsant hingegen empfand ich die Begegnung mit ungefähr 50 älteren Herren, die alle im Bademantel (okay, Kimono) zum Essen erschienen. Manches möchte das Auge nicht erfahren, in diesem Fall die Erkenntnis, dass der Kimono wirklich das einzige Kleidungsstück war, das sie am Leibe trugen. Es trat dann ein Koch auf und schlachtete unter großem Applaus einen Fisch direkt vor unseren Augen, das lenkte ein bisschen ab, allerdings auch vom Hunger. So mussten wir später noch an einer Raststätte halten, wo ein Japaner namens „Der Mandelonkel“ „echte deutsche Mandeln“ verkaufte. Als ich einwarf, dass in Deutschland gar keine Mandeln wachsen, entgegnete er sehr klug, dass wir aber die schönsten Weihnachtsmärkte der Welt hätten, dazu gehörten schließlich gebrannte Mandeln, und diese Glühwein-Mandel-Vorfreude-Stimmung wolle er hier an seiner Raststätte vermitteln.

Ich weiß nicht, ob der Übersetzer alles korrekt wiedergab, aber die Kopie eines deutschen Gefühls war sehr lecker.