Birgit Langenkamp, im eigentlichen Leben Lehrerin, nutzte eine Sabbatzeit, um Erfahrungen als Alphilfe zu sammeln.

Die Kühe antreiben, melken, füttern. Das Melkgeschirr reinigen, den Stall ausmisten und die Gäste bewirten. Nein, mit dem Lehrerinnenalltag in der Großstadt hatte der Sommer auf der Alp nicht viel gemein. Aber genau das komplett andere hatte Birgit Langenkamp auch im Sinn, als sie sich als „Alphilfe“ auf der Internetplattform zalp.ch bewarb: „Ich fand es reizvoll, mal in die andere Rolle zu schlüpfen, ganz viel Neues zu lernen und die Gesamtverantwortung abzugeben.“

Blieb nur die Frage, ob auch Schweizer Bauern Interesse an einer 48-jährigen Akademikerin aus Hamburg hatten. In ihrer Bewerbung hob Birgit Langenkamp ihre jugendliche Melkerfahrung im Kibbuz hervor und ließ die eigenen drei Kinder einfach unter den Tisch fallen. Vorerst. Als sich dann ein Ehepaar aus dem Berner Oberland bei ihr meldete und man einander annäherte, stellten sich viele Gemeinsamkeiten heraus. „Die hatten auch Kinder, waren kaum älter und total unkompliziert.“ So unkompliziert, dass die Senner bereit waren, den Start der Hamburger Sommerferien abzuwarten und zunächst allein mit ihren zwölf Melkkühen und den dazugehörigen Kälbern auf 1550 Meter zu ziehen. Dort in Läger mit Blick auf den Oeschinensee liegen Alm und eine Sommergaststätte. Die Alphilfe aus dem hohen Norden kam erst sechs Wochen später dazu. Dafür mit ganz viel Elan und Lernfreude. „Ich war immer eine, die mehr wollte“, sagt die Hamburgerin. Nämlich selbst melken, käsen oder zumindest in die Geheimnisse der Milchproduktion eingeweiht werden.

Was die Tiere betrifft, ging das ohne Annäherungsprobleme: „Kühe sind mir am liebsten, die haben Charakter“, sagt Birgit Langenkamp. Zumal die Schweizer Exemplare mit schön geschwungenen Hörnern, rötlichem Fell und mächtigen Glocken besonders hübsch anzusehen seien. Schwieriger sei da schon die Bedienung in der Gastronomie gewesen. „Ich habe die Gäste zum Teil einfach nicht verstanden.“

Zum Dialekt kamen noch regionale Besonderheiten. Etwa die Erfahrung, dass in der Schweiz ein Besen wischt und ein Lappen fegt. Wie die Milchproduktion überhaupt eine reine Waschorgie sei. Dennoch ist das Fazit der Hamburgerin positiv: „Es ist toll, ein Produkt zu schaffen und sichtbar zu arbeiten.“ Nicht einmal die schwere körperliche Arbeit habe ihr zu schaffen gemacht. „Am Schreibtisch habe ich eher mal Rückenschmerzen.“ Dazu die beruhigende Natur, gesunde Luft und das Erfrischungsbad im Bergsee. „Abends haben wir Fuchs und Gems mit dem Fernglas beobachtet.“

Mitte September ging die Saison zu Ende. Da hatte Langenkamps Älplererfahrung aber noch eine entscheidende Lücke: Sie hatte das Käsen im Frühsommer verpasst. Also belegte die Vegetarierin in ihrem Sabbatjahr in der folgenden Saison einen Alpsennenkursus und kehrte zum Käsen auf „ihre Alm“ zurück. Um erneut ein Experiment zu wagen: Almkäse mit Pfeffer und Kräuterzutaten. „Aber das ist unüblich, es gibt im Berner Oberland nur zwei Käsesorten, und die sind seit Jahrhunderten immer gleich.“

Jetzt reift noch ein sechs Kilo großes Wagenrad der Eigenmarke Langenkamp in einem Schweizer Keller. Anlass genug, noch mal zurückzukehren zu Hilde, Hella und Helene, den manchmal zickigen Milchkühen. Und über die Soziologie der Gruppe nachzudenken. Schließlich gibt es doch Gemeinsamkeiten zwischen Schweizer Kühen und Hamburger Schulkindern. Aber das ist eine andere Geschichte.

Einen Vorgeschmack bieten Einsteigertreffen, wie sie im Winter in Witzenhausen bei Kassel oder in Landquart auf der schweizerischen Seite des Bodensees stattfinden. Hier finden Interessenten erste Gesuche der Bauern, eine Börse für Neueinsteiger, Beratung durch erfahrene Älpler, Schnupperkurse und Veranstaltungen für Fortgeschrittene. Alpsennenkurse bieten zwei Schweizer Landwirtschaftsschulen: in Landquart auf dem Plantahof (dreiwöchig) und in Hondrich (einwöchig).